Neurodermitis (atopisches Ekzem) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beim atopischen Ekzem (Neurodermitis) handelt es sich um eine chronisch-entzündliche Hauterkrankung, die multifaktoriell bedingt ist. Zu den Hauptmechanismen gehören Störungen der Hautbarriere, Immunantwortdysregulation sowie genetische und Umweltfaktoren. Die Krankheit manifestiert sich oft bereits im frühen Kindesalter und zeigt einen charakteristischen Verlauf mit intermittierenden Exazerbationen (Schüben).

Immunologische Dysregulation

Atopisches Ekzem ist geprägt durch eine dysregulierte Immunantwort mit einem Ungleichgewicht der T-Helferzellen (TH-Zellen):

TH2-Dominanz:

  • In den akuten Phasen des atopischen Ekzems überwiegt eine TH2-vermittelte Immunantwort, die durch eine vermehrte Bildung von Interleukin-4 (IL-4) und Interleukin-13 (IL-13) gekennzeichnet ist. Diese Zytokine fördern die Produktion von IgE-Antikörpern, die eine zentrale Rolle in der Auslösung allergischer Reaktionen spielen.
  • IL-4 und IL-13 wirken auf B-Zellen und fördern die Isotypenwechsel (Class Switch) hin zu einer vermehrten IgE-Synthese, die typischerweise bei atopischen Patienten erhöht ist. Diese Reaktion führt zur verstärkten Sensibilisierung gegenüber Umweltallergenen wie Pollen, Hausstaubmilben und Nahrungsmittelallergenen.

TH1- und TH22-Imbalance:

  • In den chronischen Phasen des atopischen Ekzems kommt es zu einer Verschiebung der Immunantwort in Richtung TH1- und TH22-Dominanz. Hierbei sind Interferon-γ (IFN-γ) und Interleukin-22 (IL-22) entscheidend beteiligt. IL-22 hemmt die Differenzierung und Reifung von Keratinozyten und trägt zur Barrierestörung der Haut bei.

TH17-Involvierung:

  • Auch die TH17-Zellantwort spielt eine Rolle bei der Entzündungsreaktion in der Haut. TH17-Zellen produzieren Interleukin-17 (IL-17), das eine proinflammatorische Wirkung hat und zur Aufrechterhaltung der Entzündung beiträgt.

IgE-unabhängige Mechanismen:

  • Wichtig zu beachten ist, dass nicht alle Neurodermitis-Formen IgE-vermittelt sind [2-4]. Besonders bei der intrinsischen Neurodermitis (ca. 20-30 % der Fälle) ist das Gesamt-IgE im Serum oft im Normbereich. Die Immunantwort wird hierbei vorwiegend über nicht-IgE-vermittelte Mechanismen aufrechterhalten.

Genetische Faktoren und Barrierestörung

Die genetische Prädisposition spielt eine zentrale Rolle in der Pathogenese des atopischen Ekzems:

Filaggrin-Defekt:

  • Die häufigste genetische Mutation, die mit dem atopischen Ekzem assoziiert ist, betrifft das Filaggrin-Gen (FLG). Filaggrin ist ein Schlüsselmolekül in der Epidermis, das für die Struktur und Hydratation der Hautbarriere verantwortlich ist. Mutationen im FLG-Gen führen zu einer verminderten Produktion von Filaggrin, was die Hautbarriere schwächt.
  • Diese geschwächte Hautbarriere führt zu einem erhöhten transepidermalen Wasserverlust (TEWL) und erleichtert das Eindringen von Allergenen, Mikroben und Reizstoffen, die dann eine Entzündungsreaktion auslösen.

Genetische Prädisposition:

  • Neben Filaggrin wurden weitere Gene wie SPINK5, CLDN1, und IL4R identifiziert, die ebenfalls mit einer gestörten Hautbarriere und einer veränderten Immunantwort assoziiert sind. Diese genetischen Variationen tragen zu einer individuellen Krankheitsanfälligkeit und Schweregradvariation bei.

Neuro-immunologische Interaktionen und psychosomatische Faktoren

Die Haut und das Nervensystem stehen in enger Wechselwirkung, was zur psychosomatischen Beeinflussbarkeit des atopischen Ekzems führt:

  1. Nervenwachstumsfaktor (NGF):
    • Atopische Ekzem-Patienten haben oft erhöhte Konzentrationen von Nervenwachstumsfaktor (NGF) in der Haut, was die Anzahl und Aktivität von sensorischen Nervenendigungen erhöht. Dies erklärt die gesteigerte Juckreizempfindlichkeit und die Neigung zum Kratzen.
  2. Psychischer Stress:
    • Psychischer Stress kann die Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH)-Achse aktivieren und führt zu einer Ausschüttung von Stresshormonen (Cortisol, Adrenalin). Diese Hormone können Mastzellen aktivieren, die dann entzündliche Mediatoren freisetzen und die Entzündung sowie den Juckreiz verstärken.

Umweltfaktoren und Exposition

Umweltfaktoren und Exposition gegenüber potenziellen Allergenen und Reizstoffen tragen ebenfalls maßgeblich zur Entstehung und Aufrechterhaltung des atopischen Ekzems bei:

  • Aeroallergene: Hausstaubmilben, Pollen, Tierhaare und Schimmelpilze gehören zu den häufigsten Typ-I-Allergenen, die eine IgE-vermittelte Immunreaktion auslösen und die Symptomatik verschlechtern.
  • Nahrungsmittelallergene: Nahrungsmittelallergene wie Kuhmilch, Ei, Soja und Weizen sind vor allem im Kindesalter relevante Auslöser für die Symptomatik und können zu schweren Exazerbationen führen.
  • Irritanzien und Kontaktallergene: Kontakt mit Seifen, Desinfektionsmitteln und Hautpflegeprodukten mit irritativen Substanzen kann die Haut zusätzlich schädigen und die Barriere weiter schwächen.

Zusammenfassung

Die Pathogenese des atopischen Ekzems ist komplex und beinhaltet:

  • Eine Immunantwortdysregulation mit einem Ungleichgewicht der TH-Zellsubpopulationen.
  • Genetische Defekte (z. B. Filaggrin-Mutation) führen zu einer gestörten Hautbarriere.
  • Neuro-immunologische Wechselwirkungen und psychosomatische Faktoren beeinflussen die Krankheitsaktivität.
  • Umweltfaktoren und Allergene wirken als Trigger und verschlimmern die Symptomatik.

Diese verschiedenen Mechanismen interagieren miteinander und führen letztlich zur Entstehung der typischen Hautsymptome des atopischen Ekzems, wie Rötung, Juckreiz und Schuppung.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern: Leidet ein Elternteil an der Hauterkrankung, hat das Kind ein Erkrankungsrisiko von 60 % – haben Mutter und Vater ein atopisches Ekzem, liegt das Risiko bei 80 % [5]; 80 % Konkordanz bei monozygoten gegenüber 20 % bei dizygoten Zwillingen
    • Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen:
      • Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
        • SNP: rs7927894 in einer intergenischen Region
          • Allel-Konstellation: TT (1,2-fach)
          • Allel-Konstellation: CC (0,83-fach)
  • Mutter: 
    • Eine höhere mütterliche Aufnahme von freiem Zucker während der Schwangerschaft kann das Risiko von Atopie und atopischem Asthma bei den Nachkommen erhöhen [6].
    • Postpartale Depression: adjustierte Erkrankungsrisiko für eine atopische Dermatitis betrug 1,32 (adjusted Odds Ratio [aOR]); im Alter von fünf und neun Jahren zeigte sich eine deutliche Beziehung (aOR: 1,34 bzw. 1,37); eine schwere postpartale Depression erhöhte das Risiko weiter (aOR: 1,58 bzw. 1,73); auch späte maternale Depressionen waren deutlich mit dem Risiko des Auftretens einer atopischen Dermatitis assoziiert [7].

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Verzicht auf das Stillen von Säuglingen (protektiver (schützender) Effekt der Muttermilchernährung; Stillen über mindestens > 4 Monate)
    • Gabe von Beikost vor Vollendung des fünften Lebensmonats bei Säuglingen 
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – siehe Prävention mit Mikronährstoffen
  • Genussmittelkonsum
    • Tabak (Rauchen) – Rauchen in der Schwangerschaft und Stillzeit – erhöht die Rate atopischer Erkrankungen (Typ-I-Sensibilisierungen im Pricktest, Neurodermitis, Asthma bronchiale, allergische Rhinitis)
  • Psycho-soziale Situation
    • Stress
  • Tägliches Baden der Kinder
  • Unterlassen des täglichen Durchlüftens der Wohnung
  • Verwendung von Materialien aus tierischen Produkten wie Matratzen mit Federn

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Infekte: Infektionskrankheiten, Infektionen der Haut sowie Antibiotikabehandlungen in der frühen Lebensphase scheinen die Manifestation eines atopischen Ekzems zu begünstigen: im Vergleich zu Kontrollpersonen betrug die Risikosteigerung 40 %, 55 % bzw. 67 % [8].
  • Luftallergene oder Bakterien
  • Nahrungsmittelallergie

Umweltbelastung – Intoxikationen

  •  Feuchte Wände (Schimmelpilze; während des ersten Lebensjahres [1])

Triggerfaktoren – siehe dazu unter dem Subthema "Prävention".

Literatur

  1. Weinmayr G, Gehring U, Genuneit J, Büchele G, Kleiner A, Siebers R, Wickens K, Crane J, Brunekreef B, Strachan DP: ISAAC Phase Two Study Group. Dampness and moulds in relation to respiratory and allergic symptoms in children: results from Phase Two of the International Study of Asthma and Allergies in Childhood (ISAAC Phase Two). Clinical Experimental Allergy. 2013 Jul;43(7):762-74. doi: 10.1111/cea.12107.
  2. Rajka G. Essential aspects of atopic dermatitis. Berlin: Springer; 1989
  3. Borelli S. Untersuchungen zur Psychosomatik des Neurodermitikers. Hautarzt 1950;1:250-6
  4. Hanifin JM, Rajka G. Diagnostic features of atopic dermatitis. Arch Dermatol 1980;113:663-70
  5. Deutsches Ärzteblatt: Drei neue Neurodermitis-Gene, Deutsches Ärzteblatt 27. Dezember 2011 
  6. Bédard A et al.: Maternal intake of sugar during pregnancy and childhood respiratory and atopic outcomes. Eur Respir J 2017; 50: 1700073 https://doi.org/ 10.1183/13993003.00073-2017
  7. McKenzie C, Silverberg J: Maternal Depression and Atopic Dermatitis in American Children and Adolescents Dermatitis. 2020; 31: 75-80 doi: 10.1097/DER.0000000000000548
  8. Lin T-L et al.: Early-life infections in association with development of atopic dermatitis in infancy and early childhood: A nationwide nested case-control study. J Eur Acad Dermatol Venereol 2022; https://doi.org/10.1111/jdv.17908