Nesselsucht (Urtikaria) – Einleitung

Die Urtikaria, umgangssprachlich als Nesselsucht bezeichnet, ist eine häufige Hauterkrankung, die durch das plötzliche Auftreten von ödematösen Effloreszenzen (Quaddeln) auf der Haut oder Schleimhaut gekennzeichnet ist. Diese Quaddeln sind das Resultat einer lokalen Flüssigkeitsansammlung im Gewebe und gehen oft mit starkem Juckreiz einher. Die akute Urtikaria (AU) ist die häufigste Form und Hauptursache für die Entstehung von Quaddeln.

Synonyme und ICD-10: Nesselausschlag; Nesselfieber; akute Urtikaria; allergische Urtikaria; cholinergische Urtikaria; chronische Urtikaria; chronisch-rezidivierende Urtikaria; chronisch spontane Urtikaria (CsU); Dermatographie; dermatographische Urtikaria; Hautallergie durch Kälte; Hautallergie durch Wärme; Hautallergie unklarer Genese; Hitzeurtikaria; idiopathische Urtikaria; Kälteurtikaria; Kontakturtikaria; nichtallergische Urtikaria; periodisch-rezidivierende Urtikaria; periodisch-wiederkehrende Urtikaria; Quaddelausschlag; Quaddelfieber; Quaddelsucht; thermale Urtikaria durch Hitze; thermale Urtikaria durch Kälte; Urticaria; Urticaria cholinergica; Urticaria factitia; Urticaria mechanica; Urtikaria; Urtikaria durch Nahrungsmittel; Urtikaria durch Pflanzen; Urtikaria durch Vibration; Urtikarieller Dermographismus; urtikarielles Exanthem; Wärmeurtikaria; ICD-10-GM L50.: Urtikaria

Formen der Urtikaria

Nach der Ursache

  • Allergische Urtikaria: Überschießende Ig-E-Bildung; polygen vererbte atopische Erkrankung (ICD-10-GM L50.0)
  • Cholinergische Urtikaria: Durch Schwitzen oder starke Anstrengung bedingt (ICD-10-GM L50.5)
  • Chronische Urtikaria (ICD-10-GM L50.8)
  • Idiopathische Urtikaria: Ursache unklar (ICD-10-GM L50.1)
  • Kontakturtikaria: Reaktion nach Kontakt mit einem Agens (ICD-10-GM L50.6)
  • Periodische, rezidivierende Urtikaria (ICD-10-GM L50.8)
  • Urtikaria durch Kälte oder Wärme (ICD-10-GM L50.2)
  • Urticaria factitia: Durch mechanische Irritation (ICD-10-GM L50.3)
  • Urticaria mechanica (Druckurtikaria) (ICD-10-GM L50.4)
  • Urticaria solaris: Durch Sonneneinstrahlung ausgelöst (ICD-10-GM L56.3)

Eine Urtikaria kann makroskopisch in verschiedene Formen unterteilt werden (s. u. "Symptome – Beschwerden").

Des Weiteren kann eine Urtikaria zwei Hauptgruppen unterschieden werden: spontane und induzierbare Urtikariaformen (Kombinationen sind möglich).

Nach dem Verlauf

  • Akute Verlaufsform 
    • Akute spontane Urtikaria (ASU; Symptomdauer von < 6 Wochen)
  • Chronische Verlaufsform (Symptomdauer von ≥ 6 Wochen) wird wie folgt unterteilt
    • Chronische induzierbare Urtikaria (CIndU) (mit definiertem Auslöser)
    • Chronische spontane Urtikaria (csU) (ohne definierte Auslöser)

Weiteres dazu unter Pathogenese – Ätiologie (Ursachen)

Die chronische spontane Urtikaria (csU) kann noch unterteilt werden in:

  • Chronisch-kontinuierliche spontane Urtikaria mit täglichen Schüben
  • Chronisch-rezidivierende spontane Urtikaria mit schubweisem Verlauf, wobei Quaddelschübe sich mit symptomfreien Intervallen abwechseln.

Bei bis zu zwei Drittel der Patienten lässt sich keine konkrete Ursache der Urtikaria ermitteln.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Frauen sind häufiger von der chronischen Urtikaria betroffen als Männer (2 : 1). Mädchen erkranken genauso häufig wie Jungen.

Häufigkeitsgipfel: Die akute Urtikaria tritt vorwiegend im 3. und 4. Lebensjahrzehnt auf. Die chronische Urtikaria manifestiert sich eher im höheren Lebensalter.

Lebenszeitprävalenz (Krankheitshäufigkeit während des gesamten Lebens). Diese liegt bei 20 % (in Deutschland). Die Prävalenz für eine chronische spontane Urtikaria (csU) liegt bei 0,5-1 %.
Bei Kindern und Jugendlichen liegt die Prävalenz ca. zwischen 2 und 7 %. Bei allergischen Patienten ist die Prävalenz höher, nämlich bei 3-34,5 % und bei allergischen Kindern bei 1,5-16,3 %.

Verlauf und Prognose

Verlauf

Akute Urtikaria (AU): Diese Form der Urtikaria ist durch eine Dauer von weniger als 6 Wochen charakterisiert. Sie tritt oft plötzlich auf und ist in den meisten Fällen selbstlimitierend, was bedeutet, dass die Symptome normalerweise innerhalb weniger Tage bis Wochen ohne bleibende Auswirkungen verschwinden. Mögliche Auslöser können Infektionen, Nahrungsmittel, Medikamente oder Insektengifte sein.

Chronische Urtikaria (CU): Eine Urtikaria, die länger als 6 Wochen dauert, wird als chronisch bezeichnet. Diese kann in zwei Hauptformen unterteilt werden:

  • Chronische spontane Urtikaria (csU): Hierbei treten Quaddeln und/oder Angioödeme (Schwellung durch Wassereinlagerungen in der Haut, die plötzlich und meistens im Gesicht auftritt) ohne erkennbaren äußeren Anlass auf. Die Symptome können täglich oder in Schüben auftreten, oft begleitet von starkem Juckreiz. Bei vielen Patienten lässt sich keine spezifische Ursache finden.
  • Chronische induzierbare Urtikaria (CIndU): Diese Form wird durch spezifische externe Auslöser wie physikalische Reize (Druck, Kälte, Wärme, Sonnenlicht) oder mechanische Reizung (Dermographismus) ausgelöst.

Prognose

  • Akute Urtikaria: In den meisten Fällen heilt sie folgenlos aus. Wiederkehrende akute Episoden sind möglich, aber selten dauerhaft.
  • Chronische Urtikaria: Die Prognose variiert. Einige Patienten erleben eine vollständige Remission innerhalb von Monaten bis Jahren, während andere langfristig Symptome zeigen. Die chronische Urtikaria kann die Lebensqualität signifikant beeinträchtigen, vor allem durch den persistierenden Juckreiz und die psychosoziale Belastung.

Komorbiditäten

Bei chronisch spontaner Urtikaria treten gehäuft auf [1]:

  • Atopie
  • Autoimmunerkrankungen (Schilddrüse; rheumatoide Arthritis, Vitiligo)
  • Infektionen
  • Metabolisches Syndrom
  • Osteoporose
  • Psychiatrische Komorbiditäten (Angststörung, Stimmungsschwankungen)

Literatur

  • Weller K et al.: Epidemiology, comorbidities, and healthcare utilization of patients with chronic urticaria in Germany. J Eur Acad Dermatol Venereol 2022;36(1):91-99 doi: 10.1111/jdv.17724. Epub 2021 Nov 12.

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Klassifikation und Diagnostik der Urtikaria. (AWMF-Registernummer: 013-028), April 2011 Langfassung
  2. Renz H: In-vitro-Allergiediagnostik. Rezensierte Publikation. JLM Band 39: Heft 4. Juli 2015 doi.org/10.1515/labmed-2015-0062
  3. Zuberbier T et al.: The EAACI/GA2LEN/EDF/WAO Guideline for the definition, classification, diagnosis, and management of urticaria: The 2017 Revision and Update. Allergy 2018 Jan 15. doi: 10.1111/all.13397.
  4. S3-Leitlinie: Allergieprävention. (AWMF-Registernummer: 061-016), November 2022 Langfassung