Malignes Melanom – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Das maligne Melanom (MM) ist eine hochmaligne Tumorart, die von den Melanozyten (Pigment-bildende Zellen) der Haut und Schleimhäute ausgeht. Der Entstehungsprozess ist multifaktoriell und wird sowohl durch genetische Prädispositionen als auch durch Umweltfaktoren beeinflusst. Vor allem UV-Strahlung spielt eine zentrale Rolle in der Pathogenese und der Entwicklung des malignen Melanoms.

Genetische Prädispositionen

Die Entwicklung eines malignen Melanoms ist häufig mit genetischen Mutationen und familiären Risikofaktoren assoziiert. Folgende genetische Veränderungen stehen im Zusammenhang mit einem erhöhten Melanomrisiko:

  • Mutationen im CDKN2A-Gen: Das Tumorsuppressorgen CDKN2A (Cyclin-dependent kinase inhibitor 2A) kodiert für das Protein p16, das eine zentrale Rolle im Zellzyklus spielt. Diese Mutation findet sich bei ca. 40 % der familiären Melanomfälle und führt zur Inaktivierung der Zellzyklusregulation.
  • Mutationen im BRAF-Gen: Mutationen im BRAF-Gen, insbesondere BRAF V600E, sind in etwa 40-50 % der Melanome vorhanden. Diese Mutation führt zur Aktivierung des MAPK-Signalwegs (Mitogen-activated protein kinase pathway), was zu einem unkontrollierten Zellwachstum und einer gesteigerten Zellproliferation beiträgt.
  • Mutationen im NRAS-Gen: Das NRAS-Gen ist in etwa 15-20 % der Melanome mutiert. Diese Mutation führt ebenfalls zur Aktivierung des MAPK-Signalwegs und begünstigt das Tumorwachstum.
  • PTEN-Verlust: PTEN ist ein Tumorsuppressorgen, das normalerweise den PI3K/AKT-Signalweg hemmt. Ein Verlust von PTEN führt zur Aktivierung dieses Signalwegs, wodurch das Zellwachstum weiter gefördert wird.
  • TERT-Promotor-Mutationen: Der TERT-Promotor reguliert die Aktivität der Telomerase, einem Enzym, das die Telomere verlängert und die Zellteilungsfähigkeit aufrechterhält. Mutationen in diesem Promotorbereich sind häufig bei Melanomen zu finden und tragen zur Immortalisierung der Tumorzellen bei.

Umwelt- und exogene Faktoren

Der wichtigste exogene Risikofaktor ist die exzessive UV-Exposition. UV-Strahlung verursacht direkte DNA-Schäden (z. B. Pyrimidin-Dimere) und indirekte Schäden durch die Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS). Dieser Prozess führt zu einer unzureichenden Reparatur von DNA-Schäden und zur Akkumulation von Mutationen in den Tumorsuppressorgenen (z. B. p53) und Onkogenen (z. B. BRAF, NRAS).

Weitere exogene Risikofaktoren umfassen:

  • Intermittierende UV-Exposition: Vor allem intensive UV-Expositionen, die zu Sonnenbränden führen, erhöhen das Risiko signifikant.
  • Künstliche UV-Quellen: Solarien sind besonders risikoreich, da die künstliche UV-Bestrahlung eine hohe Intensität aufweist und tiefer in die Haut eindringt.
  • Ionisierende Strahlung: Ionisierende Strahlen können ebenfalls Mutationen verursachen und zur Tumorentstehung beitragen.

Entwicklung und Wachstumsmuster

Mehr als 60 % der Melanome entwickeln sich de novo auf vorher unveränderter Haut (De-novo-Melanom) und nicht auf präexistenten melanozytären Nävi (Leberflecken) [8]. Diese de novo-Melanome weisen im Allgemeinen eine aggressivere Biologie auf und sind mit einer schlechteren Prognose assoziiert als Melanome, die sich aus bereits bestehenden Nävi entwickeln.

Ein Anstieg der Anzahl melanozytärer Nävi korreliert nahezu linear mit dem Melanomrisiko. Je mehr Nävi vorhanden sind, desto höher ist das Risiko, dass sich ein Melanom bildet. Allerdings entwickelt sich nur etwa ein Drittel der Melanome auf präexistenten Nävi, während die Mehrzahl der Melanome auf unveränderter Haut entsteht [9].

Immunsystem und Tumor-Mikromilieu

Das Immunsystem spielt eine bedeutende Rolle in der Kontrolle und Entstehung des malignen Melanoms. Melanozyten exprimieren verschiedene Immun-Checkpoint-Moleküle wie PD-L1 und CTLA-4, die die Immunantwort unterdrücken und das Tumorwachstum ermöglichen. Eine veränderte Immunantwort oder eine Immunsuppression (z. B. durch Medikamente oder systemische Erkrankungen) kann zur Entstehung eines Melanoms beitragen.

Melanom-Subtypen und Pathogenese

Je nach Lokalisation und histologischen Merkmalen unterscheidet man verschiedene Melanom-Subtypen:

  1. Superfiziell spreitendes Melanom (SSM): Häufigster Subtyp. Beginnt zunächst als flacher Fleck und zeigt eine horizontale Wachstumsphase.
  2. Noduläres Melanom (NM): Beginnt sofort in der vertikalen Wachstumsphase und wächst schnell in die Tiefe, was zu einer frühen Metastasierung (Bildung von Tochtergeschwülsten) führt.
  3. Lentigo-maligna-Melanom (LMM): Typisch für lichtexponierte Areale bei älteren Menschen. Beginnt als Lentigo maligna und entwickelt sich nach langer horizontaler Wachstumsphase in die Tiefe.
  4. Akrolentiginöses Melanom (ALM): Betrifft primär die Akren (Hände, Füße, Nägel) und ist besonders bei Menschen dunkler Hauttypen häufig.

Zusammenfassung

Die Entstehung des malignen Melanoms ist ein vielschichtiger Prozess, bei dem genetische, exogene und immunologische Faktoren eng miteinander verknüpft sind. Eine Kombination aus genetischer Prädisposition, UV-Exposition und gestörten Immunmechanismen führt zur malignen Transformation der Melanozyten und zur Entwicklung von Melanomen mit unterschiedlicher Aggressivität und klinischen Erscheinungsformen.

Hinweis: Frühdiagnostik und regelmäßige Hautuntersuchungen sind entscheidend für eine rechtzeitige Erkennung und Verbesserung der Prognose von Melanomerkrankungen.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern, sowie:
    • familiäre atypische multiple Muttermal- und Melanomsyndrom (FAMMM); diese ist erfüllt, wenn zwei Verwandte ersten Grades oder drei Verwandte beliebigen Grades an einem Melanom erkrankt sind; als ein charakteristischer Risikofaktor in der Kindheit erwiesen sich Nävi von mehr als 5 mm Durchmesser auf den Gesäßbacken (Hazard Ratio (HR) 9,4), vor allem, wenn sie atypisch waren (HR 14,0) [4]
    • Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen:
      • Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
        • Gene: ATM, MC1R, PIGU
        • SNP: rs1805007 im Gen MC1R (Gen für rote Haare)
          • Allel-Konstellation: CT (2,2-fach)
          • Allel-Konstellation: TT (5,0-fach)
        • SNP: rs1805008 im Gen MC1R (Gen für rote Haare)
          • Allel-Konstellation: CT (2,2-fach)
          • Allel-Konstellation: TT (5,0-fach)
        • SNP: rs1805009 im Gen MC1R (Gen für rote Haare)
          • Allel-Konstellation: CG (2,2-fach)
          • Allel-Konstellation: CC (5,0-fach)
        • SNP: rs910873 im Gen PIGU
          • Allel-Konstellation: AG (1,7-fach)
          • Allel-Konstellation: AA (3,0-fach)
        • SNP: rs1801516 im Gen ATM
          • Allel-Konstellation: AA (0,86-fach)
  • Hauttyp
    • Hellhäutige Bevölkerung (Fitzpatrick I-II)
    • Rothaarige – Die helle, oft mit Sommersprossen bedeckte Haut rothaariger Menschen ist durch eine Genvariante im sogenannten Melanocortin-Rezeptor bedingt. Dadurch wird besonders viel Phäomelanin (rot-gelbes Pigment) produziert. Phäomelanin scheint bei der Neigung, auch ohne ultraviolette Strahlen maligne Melanome zu entwickeln, eine Schlüsselrolle zu spielen [3]
  • Berufe
    • Berufe mit hoher UV-Exposition
    • Piloten und Flugpersonal – 2,22-fach erhöhtes Erkrankungsrisiko für Piloten und ein 2,09-fach erhöhtes Risiko für das Kabinenpersonal im Vergleich mit der Durchschnittsbevölkerung [5]
  • Kongenitaler Nävus (angeborenes Muttermal), großer

Verhaltensbedingte Ursachen

  • UV-Exposition (insb.: UV-B-Strahlung; UV-A-Strahung z. B. Solarien?) [Hauptrisikofaktor für die Entwicklung von malignen Melanomen]
    • entscheidend ist die Sonnenexposition in der Kindheit und Jugend; dieses zeigen Immigrationsstudien z. B. aus Australien und Israel; Personen, die nach dem 20. Lebensjahr in diese Länder einwanderten, hatten kein erhöhtes Melanomrisiko im Vergleich zur weißen Bevölkerung, die dort ihre Kindheit verbracht hatte [7].
    • UV-A-Exposition aus künstlichen Quellen: z. B. Solarien oder Lichttherapien
      • Gemäß einer Fall-Kontroll-Studie geht die Bräunung in Solarien nicht nur mit einem erhöhten Melanomrisiko einher (je nach Nutzungsfrequenz: 20-75 %), sondern erhöht auch das Risiko für multiple Melanome um das 2,8-fache [17].
      • Maßvolle Solariumnutzung soll nicht zu einem erhöhten Melanomrisiko führen [14].
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas) – Bei Männern assoziiert mit einem erhöhten Risiko für maligne Melanome [1].

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Hypertonie (Bluthochdruck) [2]
  • Melanozytäre Nävi; Anzahl auf der Gesamtkörperoberfläche (Definition: Nävus mit einer melanozytären Veränderung ≥ 2 Millimeter Durchmesser):
    • > 50 Nävi: Melanomrisiko: 4- bis 5-fach erhöht
    • > 100 Nävi: Melanomrisiko: 8- bis 10-fach erhöht
    • Die Anzahl der Nävi korreliert in Bezug auf die Vorhersage der Anzahl der Nävi auf der Gesamtkörperoberfläche am besten mit der Anzahl der Nävi auf dem rechten Arm: Bei Frauen mit mehr als 11 Nävi auf dem Arm war die Wahrscheinlichkeit, mindestens 100 Nävi auf der Gesamtkörperoberfläche zu haben, 9-fach erhöht (adjustierte Odds-Ratio [OR]: 9,38; 95 %-Konfidenzintervall: 6,71-13,11) [10]

Medikamente

  • Angiotensin-Rezeptorblocker (möglicherweise wg. photosensibilisierender Wirkung) [6]
  • Hydrochlorothiazid (HCT; gehört zur Gruppe der Thiazid-Diuretika) – erhöhtes Risiko für die Entstehung eines nodulären oder lentiginösen Melanoms) [15]
  • Sildenafil (PDE-5-Hemmer) [11]

Umweltbelastung – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Herbizide (bei beruflicher Exposition; Risikoerhöhung ca. 85 % bei jeglicher Exposition; keine signifikante Risikoerhöhung jedoch gegenüber Insektiziden oder Pestiziden) [16] Beachte: Verzerrungsrisiko durch UV-Strahlung
  • Radon [12]
  • UV-Licht (> 90 % der Melanome) [18]

Weitere Ursachen

  • Unklar ist, ob Faktoren wie Schwangerschaft oder orale Kontrazeptiva ("Antibabypille") die Entstehung eines malignen Melanoms begünstigen.
  • Nierentransplantation (5-mal häufiger; Risiko des Empfängers steigt mit dem Alter und bei weißer Hautfarbe) [13].

Literatur

  1. Andrew G Renehan, Margaret Tyson, Matthias Egger, Richard F Heller, Marcel Zwahlen: Body-mass index and incidence of cancer: a systematic review and meta-analysis of prospective observational studies. Lancet, Volume 371, Issue 9612, Pages 569-578, 16 February 2008. doi: 10.1016/S0140-6736(08)60269-X.
  2. Nagel et al.: Metabolic risk factors and skin cancer in the Metabolic Syndrome and Cancer Project (Me-Can). British Journal of Dermatology, Article first published online: 24 APR 2012 doi: 10.1111/j.1365-2133.2012.10974.x
  3. Devarati Mitra, Xi Luo, Ann Morgan, Jin Wang, Mai P. Hoang, Jennifer Lo, Candace R. Guerrero, Jochen K. Lennerz, Martin C. Mihm, Jennifer A. Wargo, Kathleen C. Robinson, Suprabha P. Devi, Jillian C. Vanover, John A. D’Orazio, Martin McMahon, Marcus W. Bosenberg, Kevin M. Haigis, Daniel A. Haber, Yinsheng Wang, David E. Fisher: An ultraviolet-radiation-independent pathway to melanoma carcinogenesis in the red hair/fair skin background. doi 10.1038/nature11624
  4. Vredenborg A et al.: Acquired Melanocytic Nevi in Childhood and Familial Melanoma. JAMA Dermatol 2013, online 6. November 2013; doi: 10.1001/jamadermatol.2013.5588
  5. Sanlorenzo M et al.: The Risk of Melanoma in Airline Pilots and Cabin Crew A Meta-analysis JAMA Dermatol. Published online September 03, 2014. doi:10.1001/jamadermatol.2014.1077
  6. Schmidt SA et al.: Use of antihypertensive drugs and risk of skin cancer. JEADV 2015; online 15. Jan. 2015 | doi: 10.1111/jdv.12921
  7. Whiteman DC, Whiteman CA, Green AC (2001) Childhood sun exposure as a risk factor for melanoma: a systematic review of epidemiologic studies. Cancer Causes Control 12:69-82
  8. Krüger S, Garbe C, Buttner P et al.: Epidemiologic evidence for the role of melanocytic nevi as risk markers and direct precursors of cutaneous malignant melanoma. Results of a case control study in melanoma patients and nonmelanoma control subjects. J Am Acad Dermatol 26, 6, June 1992:920-926
  9. Hauschild A et al.: Melanozytäre Nävi. Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft, August 2011. doi.org/10.1111/j.1610-0387.2011.07741_suppl.x
  10. Ribero S et al.: Prediction of high naevus count in a healthy UK population to estimate melanoma risk. Br J Dermatol 2015; online 19. Oktober. doi: 10.1111/bjd.14216.
  11. Dhayade S et al.: Sildenafil Potentiates a cGMP-Dependent Pathway to Promote Melanoma Growth. Cell Reports (2016), http://dx.doi.org/10.1016/j.celrep.2016.02.028
  12. Vienneau D et al.: Effects of Radon and UV Exposure on Skin Cancer Mortality in Switzerland. Environ Health Perspect June 2017, Volume 125, Issue 6; doi:10.1289/EHP825
  13. Ascha M et al.: Risk Factors for Melanoma in Renal Transplant Recipients. JAMA Dermatol. Published online July 26, 2017. doi:10.1001/jamadermatol.2017.2291
  14. Reichrath J et al.: A Critical Appraisal of the Recent Reports on Sunbeds from the European Commission's Scientific Committee on Health, Environmental and Emerging Risks and from the World Health Organization. Anticancer Research February 2018 vol. 38 no. 2 1111-1120
  15. Pottegård A et al.: Association of Hydrochlorothiazide Use and Risk of Malignant Melanoma. JAMA Intern Med. Published online May 29, 2018. doi:10.1001/jamainternmed.2018.1652
  16. Stanganelli I et al.: The association between pesticide use and cutaneous melanoma: a systematic review and meta-analysis. JEADV 2019; https://doi.org/10.1111/jdv.15964
  17. Karapetyan L et al.: Indoor tanning exposure in association with multiple primary melanoma. Cancer 10 November 2020 https://doi.org/10.1002/cncr.33307
  18. Keim U et al.: Cutaneous melanoma attributable to UVR exposure in Denmark and Germany Eur J Cancer . 2021 Dec:159:98-104. doi: 10.1016/j.ejca.2021.09.044. Epub 2021 Nov 3.

Leitlinien

  1. Hauschild A et al.: Melanozytäre Nävi. Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft , August 2011. doi.org/10.1111/j.1610-0387.2011.07741_suppl.x