Juckreiz (Pruritus) – Medikamentöse Therapie
Therapieziel
- Elimination bzw. Verbesserung/Linderung der Symptomatik
Therapieempfehlungen
- Zuerst Suche nach der Ursache und adäquate Behandlung derselben.
- Allgemeine Therapiemaßnahmen: Basistherapeutika bei Pruritus (Fettung und Hydratisierung der Haut bei Xerosis cutis/trockene Haut)
Folgende Klassen werden unterschieden:- Rückfeuchtend
- Natural Moisturizing Factor (NMF; natürlicher Feuchthaltefaktor): Urea (Harnstoff), Milchsäurederivate, Pyrrolidoncarbonsäure (PCA), Aminosäuren
- Feuchthaltefaktoren (Humectants) und Quellstoffe: Glykosaminoglykane, Hyaluronsäure, Glycerylglucosid (GG), Glycole
- Rückfettend: Natürlich vorkommende Öle: z. B. Borretschöl, Nachtkerzensamenöl, Mandelöl
- Hautberuhigend: Dexpanthenol, Glycyrrhetinsäure, Haferextrakt, Niacinamid
- Prurituslindernd: Menthol, Menthoxypropandiol, N‑Palmitoylethanolamid, Polidocanol
- Rückfeuchtend
- Symptomatische Therapie des chronischen Pruritus: topische bzw. systemische Therapie:
- Topische Therapie (örtliche Therapie):
- Glucocorticoide
- Calcineurin-Inhibitoren (sehr effektiv; haben keine atrophierende Nebenwirkung auf die Haut): eignen sich für die Behandlung des Pruritus unter anderem auch bei:
- Analekzem
-
atopischer Dermatitis (Neurodermitis)
- genitalem Lichen sclerosus
-
intertriginöser Psoriasis
- Lichen ruber
-
kutanen Lupuserkrankungen.
- Vanilloid-Alkaloid (Capsaicin)
- Menthol, Campher (Menthol besitzt eine kühlende und analgetische Wirkung; Campher entwickelt seine Wirkung über ein Wärmeempfinden und anschließende leichte Anästhesie nach Applikation)
- Lokalanästhetika (bei lokalisiertem Pruritus)
- Systemische Therapie:
- Nichtsedierende Antihistaminika (H1-Antihistaminika): sollte eine Einfachdosierung therapeutisch nicht ausreichend sein, so kann eine hochdosierte Antihistaminikagabe (bis Vierfachdosis) verabreicht werden.
Beachte: Antihistaminika wirken bei hepatobiliären Erkrankung sehr wenig! - Antikonvulsiva (Gabapentinoide: Gabapentin, Pregabalin)
- Antidepressiva (z. B. Paroxetin, Amitriptylin, Duloxetin, Mirtazapin, Sertralin)
- Opioidrezeptorantagonisten (Naltrexon, Naloxon)
- Immunsuppressiva (Ciclosporin A, Methotrexat, Azathioprin)
- Physikalische Therapie: UV-Phototherapie (s. u. "Weitere Therapie")
- Nichtsedierende Antihistaminika (H1-Antihistaminika): sollte eine Einfachdosierung therapeutisch nicht ausreichend sein, so kann eine hochdosierte Antihistaminikagabe (bis Vierfachdosis) verabreicht werden.
- Topische Therapie (örtliche Therapie):
- Therapeutische Optionen bei verschiedenen Pruritus-Formen nach den Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft
- Aquagener Pruritus – wirksame Substanzen sind Gabapentin und Pregabalin
- Atopisches Ekzem (Neurodermitis) – wirksame Substanzen, in kontrollierten Studien getestet (Glucocorticoide, Immunsuppressiva, Zytokine, Calcineurin-Inhibitoren)
- Hepatischer ("leberbedingter) und cholestatischer ("gallenstaubedingter") Pruritus/Pruritus bei Patienten mit hepatogenem Ikterus [S3-Leitlinie]:
- Stufe: Colestyramin (Resorptionshemmer für Cholesterin) (ist als einzige Substanz für die Therapie des cholestatischen Pruritus zugelassen); alternativ Colesevelam (bindet Gallensäuren im Darmlumen deutlich besser als Colestyramin und ist offenbar auch verträglicher als Colestyramin)
- Stufe: Rifampicin (bakterizides Antibiotikum aus der Gruppe der Ansamycine) (Expertenmeinung: effektivste Medikament für den hepatogenen Pruritus)
- Stufe: Opioid-Antagonisten: Naloxon, Naltrexon
- Stufe: Sertralin (Antidepressivum aus der Gruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer): falls Patienten depressive Symptome haben
- Kutaner Pruritus – lokale Therapie mit Glucocorticosteroiden
- Paraneoplastischer Pruritus – Paroxetin (selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer)
- Pruritus gravidarum (Schwangerschaftsjuckreiz) – Therapie der ersten Wahl ist Ursodesoxycholsäure (15 mg/kgKG [Körpergewicht]) p.o. bis zur Entbindung.
- Pruritus senilis – rückfettende Basispflege (s. o.) und harnstoffhaltige Lotionen
- Renaler Pruritus ("nierenbedingter Juckreiz)/urämischer Pruritus / nephrogener Pruritus – wirksame Substanzen, in kontrollierten Studien getestet (Aktivkohle, Antikonvulsiva/zentrale Calciumkanalblocker Gabapentin und Pregabalin, Immunsuppressiva, Vanilloid-Alkaloid (Capsaicin 0,025-0,1 %; auch bei Nicht-Histamin-induziertem Pruritus einsetzbar; Gamma-Linolensäure (GLA); UVB-Phototherapie)
- Siehe auch unter "Weitere Therapie".
Weitere Hinweise
- In einer Metaanalyse konnte nachgewiesen werden, dass die Gabe eines Placebos zu einer signifikanten Verringerung von chronischem Pruritus (bei atopischer Dermatitis, Psoriasis oder chronischer idiopathischer Urtikaria) führte [1].
Wirkstoffe (Hauptindikation) zur symptomatischen Therapie – Topische Therapie
Wirkstoffgruppe | Wirkstoffe | Besonderheiten |
Glucocorticoide | Dexamethason, z. B. 0,02 % | |
Vanilloid-Alkaloid | Capsaicin 0,025-0,1 % | Auch bei Nicht-Histamin- induziertem Pruritus einsetzbar |
Calcineurin-Inhibitoren | Pimecrolimus 1 % | Hemmung der Zytokinausschüttung Nebenwirkungen: Mastzelldegranulation |
Tacrolimus 0,1 % | Hemmung der Zytokinausschüttung Nebenwirkungen: Mastzelldegranulation |
|
Menthol | Menthol 3 % | |
Kampfer | ||
Harnstoff (Urea) | Harnstoff-Creme |
Wirkstoffe (Hauptindikation) zur symptomatischen Therapie – Systemische Therapie
Wirkstoffgruppe | Wirkstoffe | Besonderheiten |
Antihistaminika | Azelastin | Initial Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz |
Cetirizin | Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz | |
Clemastin | Keine Dosisanpassung | |
Loratardin | Dosisanpassung bei schwerer Leberinsuffizienz | |
Terfenadin | Dosisanpassung bei schwerer Niereninsuffizienz | |
Glucocorticoide | Prednisolonäquivalent | Bei schwersten Juckreiz Nicht als Dauertherapie |
Opioidrezeptorantagonist | Naltrexon | Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz |
Therapeutische Optionen bei verschiedenen Pruritus-Formen nach den Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft
Renaler Pruritus / urämischer Pruritus – wirksame Substanzen, in kontrollierten Studien getestet
Wirkstoffgruppe | Wirkstoffe | Besonderheiten |
Aktivkohle | Aktivkohle | |
Antikonvulsiva | Gabapentin |
1. Wahl |
Pregabalin |
2. Wahl |
|
Immunsuppressiva | Thalidomid | Keine Angaben zur Dosisanpassung |
Opioidrezeptorantagonist | Naltrexon | 3. Wahl Entzugsähnliche Symptomatik: einschleichende Dosierung; Schmerzen, Verwirrung |
Vanilloid-Alkaloid | Capsaicin 0,025-0,1 % | Auch bei Nicht-Histamin- induziertem Pruritus einsetzbar Keine Angaben zur Dosisanpassung |
Gamma-Linolensäure (GLA) | ||
UVB-Phototherapie | + topische Behandlung |
Hepatischer und cholestatischer Pruritus – wirksame Substanzen, in kontrollierten Studien getestet (modifiziert nach [2])
Wirkstoffgruppe | Wirkstoffe | Besonderheiten |
Anionenaustauscherharze | Colesevelam |
Bindet Gallensäuren im Darmlumen deutlich besser als Colestyramin und ist offenbar auch verträglicher als Colestyramin |
Colestyramin |
1. Wahl Kontraindikationen (Gegenanzeigen): Primär biliäre Cholangitis (PBC, Synonyme: nichteitrige destruierende Cholangitis; primär biliäre Zirrhose) |
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Ursodesoxycholsäure (UDCS) | Keine Angaben zur Dosisanpassung Insb. bei intrahepatischer Schwangerschaftscholestase/Schwangerschafts-bedingter Gallerückstau. |
|
Antituberkulosa | Rifampicin (RMP) |
2. Wahl Effektivstes Medikament für den hepatogenen Pruritus/leberbedingter Juckreiz (Expertenmeinung) Cave: Hepatotoxizität (Lebertoxizität) nach 4-12 Wochen |
Opioidrezeptorantagonist | Naltrexon | 3. Wahl Evidenzgrad 1A Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz |
Nalmefen | Keine Angaben zur Dosisanpassung | |
Anästhetika | Propofol | Dosisanpassung bei Nieren-/ Leberinsuffizienz |
Immunsuppressiva | Thalidomid | Keine Angaben zur Dosisanpassung |
Antidepressiva (SSRI) | Paroxetin | Insb. bei paraneoplastischem Pruritus |
Sertralin | Insb. bei cholestatischem Pruritus/Gallestau-bedingter Juckreiz 4. Wahl Dosisanpassung bei Leberinsuffizienz |
Atopische Dermatitis – wirksame Substanzen, in kontrollierten Studien getestet
Wirkstoffgruppe | Wirkstoffe | Besonderheiten |
Glucocorticoide | Prednisolonäquivalent | |
Immunsuppressiva | Ciclosporin (Cyclosporin A) | Dosisanpassung bei schwerer Leberinsuffizienz KI bei Niereninsuffizienz (außer nephrotisches Syndrom) |
Zytokine | Interferon gamma | Keine Angaben zur Dosisanpassung |
Calcineurin-Inhibitor | Tacrolimus (Creme-Zubereitung) |
Bei lokaler Anwendung keine systemischen NW |
Pimecrolimus (Creme-Zubereitung) |
Bei lokaler Anwendung keine systemischen NW |
Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)
Geeignete Nahrungsergänzungsmittel für die Hautgesundheit sollten die folgenden Vitalstoffe enthalten:
- Vitamine (A, C, E, D3, B1, B2, Niacin (Vitamin B3), Pantothensäure (Vitamin B5), B6, B12, Folsäure, Biotin)
- Mineralstoffe (Magnesium)
- Spurenelemente (Eisen, Kupfer, Mangan, Molybdän, Selen, Zink)
- Fettsäuren (Omega-3-Fettsäuren: Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA); Omega-6-Fettsäure: Gamma-Linolensäure (GLA))
- Sekundäre Pflanzenstoffe (Beta-Carotin, Lycopin, Grüntee-Polyphenole, Traubenkern- und Oliven-Polyphenole)
- Weitere Vitalstoffe (Coenzym Q10 (CoQ10), Hirse-Extrakt und Kieselerde)
Bei Vorliegen einer Insomnie (Schlafstörung) infolge eines Juckreiz (Pruritus) s. u. Insomnie/Medikamentöse Therapie/Supplemente.
Beachte: Die aufgeführten Vitalstoffe sind kein Ersatz für eine medikamentöse Therapie. Nahrungsergänzungsmittel sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung in der jeweiligen Lebenssituation zu ergänzen.
Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.
Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.
Literatur
- van Laarhoven AI, van der Sman-Mauriks IM, Donders AR, Pronk MC, van de Kerkhof PC, Evers AW: Placebo Effects on Itch: A Meta-Analysis of Clinical Trials of Patients with Dermatological Conditions. J Invest Dermatol. 2014 Dec 1. doi: 10.1038/jid.2014.522.
- Tsochatzis EA, Gurusamy KS, Gluud C et al.: Ursodeoxycholic acid and primary biliary cirrhosis: EASL and AASLD guidelines. Journal of Hepatology 2009. 51(6):1084-1085
Leitlinien
- Tsochatzis EA, Gurusamy KS, Gluud C et al.: Ursodeoxycholic acid and primary biliary cirrhosis: EASL and AASLD guidelines. Journal of Hepatology 2009. 51(6):1084-1085
- S2k-Leitlinie: Diagnostik und Therapie des chronischen Pruritus. (AWMF-Registernummer: 013-048), März 2022 Langfassung