Juckreiz (Pruritus) – Differentialdiagnosen

Pruritus ist ein Symptom, das bei vielen verschiedenen Erkrankungen vorkommen kann. 

Atmungssystem (J00-J99)

  • Allergische Rhinitis (Heuschnupfen)

Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)

  • Eisenmangelanämie (Blutarmut durch Eisenmangel) – Beachte: Bei generalisiertem Pruritus liegt in bis zu 40 % der Fälle ein Eisenmangel vor.

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Eisenmangel
  • Diabetes insipidus – Hormonmangel-bedingte Störung im Wasserstoffwechsel, die zu einer extrem hohen Harnausscheidung (Polyurie; 5-25 l/Tag) durch eine eingeschränkte Konzentrationsfähigkeit der Nieren führt. 
  • Diabetes mellitus Typ 2
  • Fructoseintoleranz (Fruchtzuckerunverträglichkeit)
  • Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit)
  • Hyperparathyreoidismus – zu hohe Produktion und Sekretion von Parathormon, ausgelöst durch ein Adenom oder eine Hyperplasie einer oder mehrerer Nebenschilddrüsen (Epithelkörperchen); dieses führt zu einem gesteigerten Knochenabbau und damit zu einer erhöhten Calciumkonzentration im Blut
  • Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion) 
  • Hyperurikämie (Erhöhung des Harnsäurespiegels im Blut)
  • Hypothyreose Schilddrüsenunterfunktion
  • Lactoseintoleranz (Milchzuckerunverträglichkeit)
  • Mangelernährung
  • Schilddrüsenfunktionsstörungen (Hypo- bzw. Hyperthyreose/Schilddrüsenunter- bzw. -überfunktion)
  • Vitamin-A-Mangel
  • Vitamin-D-Mangel

Haut und Unterhaut (L00-L99)

  • Allergische Kontaktdermatitis (Kontaktallergie) – Hautentzündung als Folge einer allergischen Reaktion
  • Arzneimittelexanthem
  • Atopisches Ekzem (Neurodermitis)
  • Bullöses Pemphigoid – häufigste Autoimmunerkrankung des Alters; Patienten reiben nur an den Läsionen
  • Chronischer brachioradialer Pruritus (BRP) – neuropathischer Juckreiz bzw. eine neurokutane Dysästhesie (Sensibilitätsstörung im Bereich der Oberflächensensibilität), die typischerweise mit Brennen und Schmerzen an einem Unterarm einhergeht; Auftreten kann einseitig sein, meist jedoch beidseitig; mögliche Ursachen sind Kompression von Spinalnerven, Wurzelganglien oder dem Rückenmark aufgrund von degenerativen Veränderungen, Diskusprolaps (Bandscheibenvorfall), Foramenstenosen (Nervenkanalverengung), Tumoren, Abszessen (abgekapselte Eiteransammlung) und Aneurysmen (Gefäßaussackungen) in Höhe der Halswirbelkörper C3-6.
  • Dermatitis herpetiformis (Synonyme: Morbus Duhring, Duhring-Brocq-Krankheit) – Hautkrankheit aus der Gruppe der blasenbildenden Autoimmundermatosen mit subepidermaler Blasenbildung; Patienten klagen über einen "Brennjuckreiz"(pathognomonisch; für eine Krankheit beweisend)
  • Herpes gestationes (Pemphigoid gestationes) – Hauterkrankung in der Schwangerschaft
  • Lichen sclerosus (LS) (et atrophicus) (Synonyme: Lichen albus; Lichen atrophicus; Lichen sclerosus; Lichen sclerosus et atrophicans; Lichen sclerosus et atrophicus; Morphoeid scleroderma; Weißfleckenkrankheit; White spot diseas) – eine chronisch, entzündliche, vernarbende Hauterkrankung, die durch eine lymphatische Reaktion gekennzeichnet ist und beide Geschlechter bevorzugt im Genitalbereich betrifft.
  • Ekzeme – Kontaktekzem, das Exsikkationsekzem (auch als Altersekzem, oder Eczéma craquelé bezeichnet)
  • Lichen ruber planus (Knötchenflechte)
  • Lichen simplex
  • Miliaria rubra (Synonyme: Dermatitis hidrotica, Friesel, Hidroa, Hitzepickel, Hitzeblattern, Schweißfrieseln, Schweißbläschen, Schwitzbläschen, Roter Hund) – meist juckender Hautausschlag (Miliaria rubra = juckende rötliche Papeln, Vesikel oder Papulovesikel), der durch vermehrtes Schwitzen bei großer Hitze entsteht
  • Paraneoplastischer Pruritus, wg. z. B. Lymphome, bes. Morbus Hodgkin, Polycythaemia vera; Symptome: generalisierter Juckreiz, ggf. aquagen
    ("wasserbedingt"; aquagener Pruritus) oder bei Alkoholgenuss
  • Pityriasis rosea (Röschenflechte)
  • Prurigo simplex acuta – Erkrankung mit schubweise auftretenden, disseminierten, juckenden Papeln; vorwiegend Kinder betroffen
  • Pruritus sine materia: Pruritus ohne erkennbare Ursache
  • Psoriasis (selten; vor allem bei der Psoriasis inversa oder Psoriasis guttata)
  • Stauungsdermatitis (Ekzema venosum)   therapieresistente chronische Dermatitis (entzündliche Reaktion der Haut) der Unterschenkel bei chronisch venöser Insuffizienz (CVI; chronische Venenschwäche); geht einher mit der klinischen Symptomentrias Rötung, Schuppung und Exkoriationen (oberflächlicher Substanzdefekt mit Freilegung der Papillarkörper und punktförmigen Blutaustritten, Narbenbildung möglich); der Ekzemtyp variiert vom neurodermitisartigen flächigen Befall bis zum nummulär (münzenförmige Hautveränderung)-mikrobiellen Typ; beim nummulär-mikrobiellen Typ liegen die hyperpigmentierten Ekzemherde nicht selten über den sichtbaren Varizen (Krampfadern)
  • Urtikaria (Nesselsucht) – Patienten reiben nur an den Läsionen
  • Xerodermie (trockene Haut)

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Apoplex (Schlaganfall)

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Bakterielle Infekte, nicht näher bezeichnet
  • Chronische Virusinfektionen (hier: HBV-/HCV-/HIV-/HSV-Infektion)
  • Exanthematische Viruserkrankungen (z. B. Windpocken)
  • Helicobacter-pylori-Infektion
  • Hepatitis C (Leberentzündung des Virus-Typ C)
  • Herpes zoster (Gürtelrose)
  • HIV-Infektion (wg. trockener Haut)
  • Mykosen (Pilzerkrankungen)
  • Parasitosen (Parasitenbefall)
  • Scabies (Krätze)
  • VZV-Reaktivierung – Reaktivierung des Varicella-zoster-Virus (VZV)

Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-K77; K80-K87)

  • Cholestase (Gallenstau) – cholestatischer Pruritus; bei Lebererkrankungen (z. B. primär biliäre Cholangitis (PBC; Synonyme: nichteitrige destruierende Cholangitis; früher primär biliäre Zirrhose)/Gallenwegsentzündung, Hepatitis- B-/-C-Infektion) – hepatischer Pruritus: 
    • zirkadiane Rhythmik, stärkste Intensität abends und nachts; Lokalisation an den Extremitäten, insb. an Handinnenflächen und Fußsohlen; Pruritus kann auch generalisiert auftreten 
    • Frauen: Zuname des Pruritus prämenstruell, durch Hormonersatztherapie (HET) (engl. hormone replacement therapy / HRT) und am Ende der Schwangerschaft

Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)

  • Malassimilationssyndrome (Maldigestion/Nahrung kann nicht mehr oder nur unzureichend in ihre resorbierbaren Bestandteile aufgespalten werden, Malabsorption/mangelhafte Aufnahme (Absorption) von Substraten aus dem bereits vorverdauten Speisebrei)
  • Nahrungsmittelallergie
  • Verdauungsstörungen, nicht näher bezeichnet
  • Zöliakie (gluteninduzierte Enteropathie) – Erkrankung der Dünndarmmukosa (Dünndarmschleimhaut), die auf einer Überempfindlichkeit gegen das Getreideeiweiß Gluten beruht

Muskel-Skelett-System und Bindegewebe (M00-M99)

  • Gicht (Hyperurikämie) – Ablagerung von Harnsäure in der Haut

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48) [Pruritus kann der Diagnose um Jahre vorausgehen]

  • Essentielle Thrombozythämie (ET) – Neoplasie, die zum Formenkreis der myeloproliferative Neoplasien (MPN) gehört/Gruppe von bösartigen Erkrankungen des blutbildenden Systems
  • Hirntumoren – Pruritus der Nasenlöcher 
  • Hypereosinophiliesyndrome – heterogene Gruppe von Krankheiten, die definiert werden als ausgeprägte und länger als 6 aufeinander folgende Monate persistierende Eosinophilie (vermehrtes Vorkommen von eosinophilen Granulozyten/weiße Blutkörperchen) des peripheren Blutes von mehr als 1,5 x 109/L und Hinweisen auf eosinophile Organschäden
  • Karzinoid-Tumor (Synonyme: Karzinoidsyndrom, neuroendokrine Tumoren, NET) – Tumoren, die vom neuroendokrinen System ausgehen; sie befinden sich überwiegend im Bereich der Appendix/Wurmfortsatz des Blinddarms (Appendixkarzinoid) oder in den Bronchien (Bronchuskarzinoid); weitere Lokalisationen sind der Thymus (Thymuskarzinoid), das Ileum/Krummdarm (Ileumkarzinoid), das Rektum/Mastdarm (Rektumkarzinoid), das Duodenum/Zwölffingerdarm (Duodenalkarzinoid) und der Magen (Magenkarzinoid); typische Symptome werden durch die Trias Diarrhoe (Durchfall), Flush (Gesichtsrötung) und Hedinger-Syndrom (Endokardfibrose des rechten Herzens, die zur Trikuspidalinsuffizienz (Leckage mit Blutrückfluss der Herzklappe zwischen dem rechten Vorhof und der rechten Herzkammer) und zur Pulmonalstenose (Einengung in der Ausflussbahn von der rechten Herzkammer zur Lungenschlagader) führen kann) charakterisiert.
  • Kutanes T-Zell-Lymphom (erythrodermatische Mycosis fungoides, Sézary-Syndrom)
  • Leukämien (Blutkrebs) – z. B. chronische myeloische Leukämie (CML), chronische lymphatische Leukämie (CLL)
  • Lymphome (Tumoren des lymphatischen Systems) – M. Hodgkin, Non-Hodgkin-Lymphome (NHL)
  • Mastozytose – zwei Hauptformen: kutane Mastozytose (Hautmastozytose) und systemische Mastozytose (Mastozytose des gesamten Körpers); klinisches Bild der kutanen Mastozytose: gelblich-braune Flecken mit unterschiedlicher Größe (Urticaria pigmentosa); bei der systemischen Mastozytose treten zudem episodisch gastrointestinale Beschwerden (Magen-Darm-Beschwerden), (Nausea (Übelkeit), brennende Abdominalschmerzen und Diarrhoe (Durchfall)), Ulkuskrankheit sowie gastrointestinale Blutungen (Magen-Darmblutungen) und Malabsorption (Störung der Nahrungsresorption) auf; bei der systemischen Mastozytose kommt es zu einer Anhäufung von Mastzellen (Zelltyp, der u. a. an allergischen Reaktionen beteiligt ist) im Knochenmark, wo sie gebildet werden, sowie zur Anhäufung in der Haut, den Knochen, der Leber, der Milz und dem Gastro-Intestinal-Trakt (GIT; Magen-Darm-Trakt); Mastozytose ist nicht heilbar; Verlauf in der Regel benigne (gutartig) und Lebenserwartung normal; extrem selten entarten Mastzellen (= Mastzellleukämie (Blutkrebs))
  • Paraneoplastisches Syndrom – nichtmetastatische, auf humoraler Fernwirkung abdominale Tumorerkrankungen beruhende Symptome, die nach Tumorentfernung abklingen können
  • Plasmozytom (multiples Myelom) – maligne (bösartige) Systemerkrankung, die zu den Non-Hodgkin-Lymphomen der B-Lymphozyten (B-Zell-Lymphom) zählt
  • Polycythaemia vera – krankhafte Vermehrung von Blutzellen (insbesondere betroffen sind: insbesondere Erythrozyten/rote Blutkörperchen, in geringerem Maße auch Thrombozyten (Blutplättchen) und Leukozyten/weiße Blutkörperchen); stechender Juckreiz nach Kontakt mit Wasser (aquagener Pruritus) oder bei Temperaturschwankungen

Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • Anorexia nervosa (Magersucht)
  • Depression
  • Dermatozoenwahn – wahnhafte Vorstellung, dass sich Lebewesen unter der Haut befinden
  • Multiple Sklerose (MS)
  • Polyneuropathie – Erkrankung der Nerven des peripheren Nervensystems; je nach Ursache können motorische, sensible oder vegetative Nerven betroffen sein; Sensibilitätsstörungen
  • Postzosterneuralgie (PZN) – extrem starke Nervenschmerzen (Neuralgie) als Folge einer Gürtelrose (Herpes zoster)
  • Tabes dorsalis (Neurolues) – Spätstadium der Syphilis, bei dem es zu einer Entmarkung des Rückenmarks kommt

Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)

  •  Ikterus (Gelbsucht)

Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)

  • Kraurosis vulvae (Vulvadystrophie) – Pruritus vulvae (Juckreiz der äußeren weiblichen Geschlechtsorgane)
  • Niereninsuffizienz (Nierenversagen), chronische – renaler (nierenbedingter) Pruritus
  • Urämie/Dialysepatienten (Auftreten harnpflichtiger Substanzen im Blut oberhalb der Normwerte; Harnvergiftung) – urämischer Pruritus (Synonym: nephrogener Pruritus); oft generalisiert; an den Beinen am stärksten empfunden (20-50 % dieser Patienten)

 Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98) 

  • Insektenstiche
  • Nahrungsmittelallergie
  • Pseudoallergien (z. B. wg. Hilfsstoffe in Arzneimitteln)

Medikamente

  • Siehe unter "Ursachen" unter Medikamente
  • Polypharmazie (≥ 5 Pharmaka) [1]

Umweltbelastung – Intoxikationen (Vergiftungen) 

  • Reizstoffe (Chemikalien, Lösungsmittel)
  • Klimaanlagen (trockene Luft)
  • Überheizte Räume
  • Trockenes Raumklima 
  • Sonne (häufige Sonnenbäder)
  • Winter (Kälte) → Reduktion der Talgdrüsensekretion

Weiteres

  • Gravidität (Schwangerschaft) – Beachte: Bei generalisiertem Juckreiz in der Schwangerschaft muss eine intrahepatische Schwangerschaftscholestase („intrahepatic cholestasis of pregnancy“, ICP) als potenziell kind- und muttergefährdende Erkrankung abgeklärt werden.
  • Klimakterium (Wechseljahre)
  • Senium (Greisenalter)

Literatur

  1. Kogame T et al.: Longitudinal Association Between Polypharmacy and Development of Pruritus: A Nationwide Cohort Study in a Japanese Population. J Eur Acad Dermatol Venereol 2021; https://doi.org/10.1111/jdv.17443