Insektenstiche – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Bei einem Insektenstich kommt es durch das injizierte Gift zu einer lokalen oder systemischen Reaktion, abhängig von der Empfindlichkeit des Betroffenen. In der Regel führt der Insektenstich zu einer lokalen entzündlichen Reaktion. Diese entsteht durch die Freisetzung von toxischen Proteinen, Enzymen und biogenen Aminen aus dem Insektengift, die direkt auf das Gewebe einwirken und eine Immunantwort auslösen.

Immunologische Reaktionen auf Insektengift

In einigen Fällen entwickelt sich nach einem erneuten Kontakt mit dem Gift eine allergische Reaktion. Hierbei handelt es sich um eine Typ-I-Allergie (Soforttyp), die innerhalb weniger Minuten nach dem Stich auftritt:

Sensibilisierung:

  • Beim ersten Kontakt mit dem Insektengift erfolgt in der Regel keine sofortige allergische Reaktion. Das Immunsystem erkennt jedoch die fremden Proteine als potenziell gefährlich und bildet IgE-Antikörper (Immunglobulin E) gegen das spezifische Allergen (z. B. Phospholipase oder Hyaluronidase).
  • Diese IgE-Antikörper binden an Mastzellen und basophile Granulozyten.

Reexposition (Zweitkontakt):

  • Beim nächsten Stich bindet das injizierte Allergen an die auf den Mastzellen gebundenen IgE-Antikörper.
  • Diese Bindung führt zur Degranulation der Mastzellen und basophilen Granulozyten, was zur Freisetzung von Histamin, Leukotrienen, Prostaglandinen und anderen Entzündungsmediatoren führt.

Klinische Reaktionen:

  • Die freigesetzten Mediatoren verursachen die typischen Symptome einer allergischen Reaktion:
    • Lokal: Rötung, Schwellung, Juckreiz und Schmerz an der Einstichstelle.
    • Systemisch: Urtikaria (Nesselsucht), Angioödem (Schwellung der tieferen Hautschichten), Dyspnoe (Atemnot) bis zu einem anaphylaktischen Schock (lebensbedrohliche, systemische allergische Reaktion).

Unterschiede zwischen lokaler Reaktion und Insektengiftallergie

  • Normale lokale Reaktion:
    • Rötung, Schwellung und Juckreiz sind durch die entzündliche Immunantwort auf die toxischen Bestandteile des Giftes bedingt. Diese Reaktion klingt in der Regel nach einigen Stunden ab.
  • Insektengiftallergie:
    • Hierbei handelt es sich um eine systemische Reaktion, bei der es zu generalisierten Symptomen wie Urtikaria, Angioödem, Bronchospasmus (Verkrampfen der Atemwegsmuskulatur) oder sogar einem anaphylaktischen Schock kommen kann. Dies erfordert eine sofortige medizinische Intervention.

Besonderheiten je nach Insektengift

Bienen- und Wespengiftallergie:

  • Der Stich führt zur Freisetzung von Giften wie Phospholipase A (Bienen) oder Hyaluronidase und Mastoparan (Wespen), die Entzündungsprozesse und Gefäßpermeabilität erhöhen.
  • Die Symptome können durch die individuelle Sensibilisierung des Immunsystems verstärkt werden.

Andere Insekten (Mücken, Bremsen):

  • Diese verursachen primär lokale Hautreaktionen durch injizierte Proteine, die eine vasoaktive Wirkung haben und die Blutgerinnung hemmen. Eine allergische Reaktion ist hier seltener.

Zusammenfassung

Die allergische Reaktion auf Insektengifte ist ein immunologischer Prozess, der durch die Aktivierung von IgE-Antikörpern auf den Mastzellen und die anschließende Freisetzung von Entzündungsmediatoren ausgelöst wird. Die Reaktion kann lokal begrenzt oder systemisch auftreten und reicht von milden Symptomen bis zu schweren, lebensbedrohlichen Zuständen wie einem anaphylaktischen Schock. Die Pathogenese unterscheidet sich in Abhängigkeit vom jeweiligen Insektengift und der individuellen Sensibilisierung des Betroffenen.

Ätiologie (Ursachen)

Krankheitsbedingte Ursachen

Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)

  • Insektenstich (wg. Insekten/Krankheiten s. u. Differentialdiagnosen) 

Risikofaktoren häufiger Bienen-/Wespenstich-Exposition

Biographische Ursachen

  • Familienangehörige/Nachbarschaft von Imkern
  • Imker
  • Berufe wie:
    • Bäckereiverkäufer
    • Bauarbeiter
    • Feuerwehrmann
    • Gärtner
    • Landwirte
    • LKW-Fahrer
    • Obstverkäufer
    • Waldarbeiter

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Aktivitäten im Freien

Risikofaktoren für eine schwere Anaphylaxie*

*schwerste Form einer allergischen Reaktion, die schnell lebensbedrohlich werden kann

Biographische Ursachen

  • Schwere Anaphylaxie durch einen Insektenstich in der Eigenanamnese

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Psycho-soziale Situation
    • Körperliche/psychische Belastungssituationen

Krankheitsbedingte Ursachen

Atmungssystem (J00-J99)

  • Asthma bronchiale

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Kardiovaskuläre Erkrankungen, nicht näher bezeichnet

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  • Mastozytose – zwei Hauptformen: kutane Mastozytose (Hautmastozytose) und systemische Mastozytose (Mastozytose des gesamten Körpers); klinisches Bild der kutanen Mastozytose: gelblich-braune Flecken mit unterschiedlicher Größe (Urticaria pigmentosa); bei der systemischen Mastozytose treten zudem episodisch gastrointestinale Beschwerden (Magen-Darm-Beschwerden), (Nausea (Übelkeit), brennende Abdominalschmerzen und Diarrhoe (Durchfall)), Ulkuskrankheit sowie gastrointestinale Blutungen (Magen-Darmblutungen) und Malabsorption (Störung der Nahrungsresorption) auf; bei der systemischen Mastozytose kommt es zu einer Anhäufung von Mastzellen (Zelltyp, der u. a. an allergischen Reaktionen beteiligt ist) im Knochenmark, wo sie gebildet werden, sowie zur Anhäufung in der Haut, den Knochen, der Leber, der Milz und dem Gastrointestinaltrakt (GIT; Magen-Darm-Trakt); Mastozytose ist nicht heilbar; Verlauf in der Regel benigne (gutartig) und Lebenserwartung normal; extrem selten entarten Mastzellen (=  Mastzellleukämie (Blutkrebs))

Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten

  • Basale Serumtryptasekonzentration > 11,4 μg/l

Medikamente

  • Betablocker (auch Augentropfen) – Medikamentengruppe zur Blutdrucksenkung wie Metoprolol
  • ACE-Hemmer – Medikamentengruppe zur Blutdrucksenkung wie Enalapril
  • Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen (Zusammenhang noch nicht endgültig belegt)

Weitere Ursachen

  • Leichte frühere Stichreaktionen gelten als unabhängiger Risikofaktor für später schwere Anaphylaxie