Ichthyosen – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Ichthyosen sind eine Gruppe von genetisch bedingten Verhornungsstörungen, die durch eine Störung der Hauterneuerung und eine abnorme Abschilferung der Hautzellen gekennzeichnet sind. Diese Störungen betreffen vor allem das Stratum corneum (Hornschicht), die oberste Schicht der Epidermis, und führen zu einer Ansammlung von Hornzellen sowie zu einer erhöhten Schuppung und Trockenheit der Haut.
Allgemeine Pathogenese
- Störung der Hauterneuerung: Bei gesunder Haut herrscht ein Gleichgewicht zwischen der Neubildung der Hornzellen und der Abschilferung abgestorbener Zellen. Dieser Prozess ist bei Ichthyosen gestört, sodass die abgestorbenen Hornzellen in der Hornschicht akkumulieren (sog. Retentionshyperkeratose).
- Hyperkeratose: Es kommt zu einer Verdickung der Hornschicht, da sich die Hornzellen aufstauen und in Form von Schuppen sichtbar werden. Die verdickte Hornschicht kann nicht ausreichend Wasser binden, was zu Trockenheit und einem erhöhten Wasserverlust führt. Die Haut reißt leicht, und es entstehen Rhagaden (Schrunden), die das typische Schuppenmuster der Ichthyosen verursachen.
- Beeinträchtigte Barrierefunktion: Die Schutzfunktion der Haut ist durch den gestörten Aufbau des Stratum corneum vermindert, was zu einem erhöhten Wasserverlust und einer erhöhten Infektionsanfälligkeit führen kann.
Pathogenese nach Ichthyosetypen
Ichthyosis vulgaris:
- Ursache: Mutation im Filaggrin-Gen (FLG).
- Pathomechanismus: Filaggrin ist ein wichtiges Protein der Hornschicht, das die Struktur der Keratinfasern beeinflusst und die Hautfeuchtigkeit reguliert. Durch den Mangel an Filaggrin kommt es zu einer vermehrten Hornzellenansammlung und Retentionshyperkeratose.
- Hauptmerkmale: Trockene, raue Haut mit feinen, weißen Schuppen, häufig an den Streckseiten der Extremitäten.
X-chromosomal-rezessive Ichthyosis:
- Ursache: Mutation im Steroidsulfatase-Gen (STS) auf dem X-Chromosom.
- Pathomechanismus: Die Steroidsulfatase ist ein Enzym, das in der Hautlipidsynthese eine wichtige Rolle spielt. Ein Mangel führt zu einer verminderten Lipidzusammensetzung in der Hornschicht und einer gestörten Abschilferung (Retentionshyperkeratose).
- Hauptmerkmale: Braun-graue, grobe Schuppung, vor allem an den Streckseiten der Extremitäten und am Rumpf.
Lamelläre Ichthyose:
- Ursache: Mutationen in verschiedenen Genen, darunter TGM1 (Transglutaminase-1-Gen).
- Pathomechanismus: Transglutaminase-1 ist ein Enzym, das an der Vernetzung von Proteinen in der Hornzellmembran beteiligt ist. Ein Mangel führt zu einer gestörten Struktur der Hornzellmembran und einer fehlerhaften Verhornung.
- Hauptmerkmale: Grobe, braune Schuppen, die die gesamte Hautoberfläche betreffen.
Epidermolytische Ichthyose (Bullöse kongenitale Ichthyoseform):
- Ursache: Mutation im Keratin-1-Gen (KRT1) oder Keratin-10-Gen (KRT10).
- Pathomechanismus: Durch die gestörte Synthese von Keratinfilamenten ist das Zytoskelett der Hautzellen instabil, was zu einer erhöhten Fragilität der Haut führt (Blasenbildung). Diese Hautlabilität wird als Epidermolyse bezeichnet.
- Hauptmerkmale: Schuppung, Blasenbildung und Rötung der Haut bei mechanischer Belastung.
Ichthyosis syndromica (Ichthyosesyndrome):
- Comél-Netherton-Syndrom:
- Ursache: Mutation im SPINK5-Gen.
- Pathomechanismus: Das Gen kodiert für den Protease-Inhibitor LEKTI, der proteolytische Enzyme in der Haut hemmt. Ein Mangel führt zu einer Dysregulation der Proteolyse, verstärkter Entzündung und verminderter Barrierefunktion.
- Hauptmerkmale: Schwere Hautentzündung, Hyperkeratose, erhöhte Infektanfälligkeit.
Zusammenfassung
Die Pathogenese der Ichthyosen beruht auf einer gestörten Verhornung und Abschilferung der Hornzellen. Die zugrunde liegenden genetischen Defekte führen zu einer fehlerhaften Synthese oder Regulation von Proteinen, die an der Struktur und Funktion der Hautbarriere beteiligt sind. Die daraus resultierende Hyperkeratose und Dysfunktion der Hautbarriere manifestieren sich in einer trockenen, schuppigen Haut, die leicht Risse und Entzündungen entwickelt.
Ätiologie (Ursachen)
Hereditäre (erbliche) Ichthyosen (primäre Ichthyosen)
Biographische Ursachen
- Genetische Belastung
- Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen:
- Gene/SNPs (engl. Single Nucleotide Polymorphism; Variation eines einzelnen Basenpaares in einem DNA-Strang; Details s. u.: SNPedia):
- Gene: ABCA12, FLG
- SNP: rs28940268 im Gen ABCA12
- Allel-Konstellation: AA (löst lamelläre Ichthyosis, Typ 2 aus)
- SNP: rs28940568 im Gen ABCA12
- Allel-Konstellation: AA (löst lamelläre Ichthyosis, Typ 2 aus)
- SNP: rs28940270 im Gen ABCA12
- Allel-Konstellation: AA (löst lamelläre Ichthyosis, Typ 2 aus)
- SNP: rs28940271 im Gen ABCA12
- Allel-Konstellation: AA (löst lamelläre Ichthyosis, Typ 2 aus)
- SNP: rs28940269 im Gen ABCA12
- Allel-Konstellation: GG (löst Ichthyosis, Typ 4A aus)
- SNP: rs137853289 im Gen ABCA12
- Allel-Konstellation: TT (löst Ichthyosis, Typ 4B aus)
- SNP: rs726070 im Gen ABCA12
- Allel-Konstellation: AA (löst Ichthyosis, Typ 4B aus)
- SNP: rs387906284 im Gen ABCA12
- Allel-Konstellation: DD (löst Ichthyosis, Typ 4B aus)
- SNP: rs387906285 im Gen ABCA12
- Allel-Konstellation: DD (löst Ichthyosis, Typ 4B aus)
- SNP: rs267606622 im Gen ABCA12
- Allel-Konstellation: AA (löst Ichthyosis, Typ 4B aus)
- SNP: rs61816761 im Gen FLG
- Allel-Konstellation: AG (löst eine milde Form der Ichthyosis vulgaris aus)
- Allel-Konstellation: AA (löst eine schwere Form der Ichthyosis vulgaris aus)
- SNP: rs558269137 im Gen FLG
- Allel-Konstellation: DI (löst eine milde Form der Ichthyosis vulgaris aus)
- Allel-Konstellation: II (löst eine schwere Form der Ichthyosis vulgaris aus)
- Gene/SNPs (engl. Single Nucleotide Polymorphism; Variation eines einzelnen Basenpaares in einem DNA-Strang; Details s. u.: SNPedia):
- Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen:
Erworbene Ichthyosen (sekundäre Ichthyosen)
Krankheitsbedingte Ursachen
- Hormonstörungen
- Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion)
- Hypovitaminosen (Vitamin A, Vitamin B6)
- Lepra
- Mangelernährung
- Sarkoidose
- Stoffwechselstörungen – z. B. bei Dialysepatienten
- Syphilis
- Trisomie 21 (Down-Syndrom) – genetische Erkrankung die meist sporadisch auftritt; bei der das gesamte 21. Chromosom oder Teile davon dreifach (Trisomie) vorliegen (Auftreten meist sporadisch). Neben für dieses Syndrom als typisch geltenden körperlichen Merkmalen sind in der Regel die kognitiven Fähigkeiten des betroffenen Menschen beeinträchtigt.
- Tuberkulose
- Tumoren – Lymphome und Karzinome
Medikamente
- Butyrophenon (antipsychotische Wirkung, z. B. zur Behandlung der Schizophrenie)
- Nicotinsäure* (Lipidsenker)
*2013 vom Markt genommen