Ichthyosen – Einleitung
Ichthyosen, umgangssprachlich auch als Fischschuppenkrankheit bezeichnet, sind eine heterogene Gruppe von Hauterkrankungen, die durch eine gestörte Verhornung (Hyperkeratose) der Epidermis (Oberhaut) gekennzeichnet sind. Diese Störung führt zu einer trockenen, schuppigen Hautoberfläche, die an die Haut von Reptilien erinnert. Die Erkrankungen können entweder erblich bedingt (hereditär) oder erworben sein.
Synonyme und ICD-10: Fischhaut; autosomal-dominante lamelläre Ichthyosis; autosomal-rezessive lamelläre Ichthyosis; autosomal-rezessive multiple Steroidsulfatase-Defizienz; bullöse kongenitale ichthyosiforme Erythrodermie (Brocq); Chanarin-Dorfman-Syndrom; Chondrodysplasia punctata Typ 2; Comél-Netherton-Syndrom; Conradi-Hünermann-Happle-Syndrom; Curth-Macklin; epidermolytische Ichthyosen; Happle-Syndrom; Harlekin-Ichthyose; HID-Syndrom; Hystrixartige Ichthyose mit Taubheit; Ichthyosis; Ichthyosis bullosa; Ichthyosis follicularis mit Atrichie und Fotophobie; Ichthyosis hystrix; Ichthyosis linearis circumflexa; Ichthyosis vulgaris; IFAP-Syndrom; Keratitis-Ichthyosis-Taubheit (Deafness)-Syndrom; KID; Lamelläre Ichthyosen; nicht bullöse kongenitale ichthyosiforme Erythrodermie; Peeling-Skin-Syndrom; Refsum-Syndrom; Sjögren-Larsson-Syndrom; Trichothiodystrophie; X-chromosomale, assoziierte Steroidsulfatase-Defizienz; X-chromosomal rezessive Ichthyosis; ICD-10 Q80.-: Ichthyosis congenita; ICD-10-GM L85.0: erworbene Ichthyosis
Formen der Ichthyosen
Man unterscheidet hereditäre (erbliche) Ichthyosen von erworbenen Formen:
- Die hereditären Ichthyosen entstehen durch Genmutationen (Genveränderungen, Gendefekte), die auf unterschiedliche Art zum charakteristischen Erscheinungsbild der Ichthyosen führen.
- Bei den erworbenen Ichthyosen handelt es sich um ichthyoseähnliche Verhornungsstörungen der Haut, die im Laufe des Lebens auftreten und auf eine andere Systemerkrankung, z. B. Tumorerkrankungen, Mangelernährung, Hypovitaminose, oder auch auf die Einnahme bestimmter Medikamente zurückzuführen sind (siehe "Ätiologie – Pathogenese"/"Ursachen").
Eine weitere Unterteilung der Ichthyosen richtet sich danach, ob nur die Haut oder zudem auch weitere Organe beeinträchtigt sind:
- Vulgäre Ichthyosen (Auftreten: die Erkrankung ist nicht am Tag der Geburt erkennbar, sondern entwickelt sich in den ersten Lebenswochen oder -monaten)
- ohne weitere Merkmale (isolierte Ichthyose-Form)
- mit weiteren Merkmalen (komplexe Ichthyose-Form)
- Kongenitale Ichthyosen (kongenital = angeboren; Auftreten: die Erkrankung ist bereits am Tag der Geburt oder kurz danach erkennbar)
- ohne weitere Merkmale (isolierte Ichthyose-Form)
- mit weiteren Merkmalen (komplexe Ichthyose-Form)
Erwähnenswerte Ichthyosesyndrome
- Chanarin-Dorfman-Syndrom
- Comél-Netherton-Syndrom:
- autosomal-rezessive Vererbung
- Serinproteaseninhibitor-Mutation
- betrifft bevorzugt Mädchen bzw. Frauen (Gynäkotropie)
- KID-Syndrom
- Refsum-Syndrom
- Sjögren-Larsson-Syndrom
- Trichothiodystrophie
Man geht davon aus, dass mindestens 20 Arten von Ichthyose existieren. Die vier häufigsten Formen sind:
- Ichthyosis vulgaris
- autosomal-dominante Vererbung
- leichteste und häufigste Form (macht 95 % aller Ichthyose-Erkrankungen aus)
- In mehr als 50 % der Fälle liegt eine Assoziation mit einer atopischen Dermatitis vor.
- X-chromosomal-rezessive Ichthyosis vulgaris (XRI)
- geschlechtsgebundene Vererbung – betrifft nur das männliche Geschlecht
- zweithäufigste Form
- Lamelläre Ichthyose (Lamelläre Ichthyosis congenita)
- autosomal-rezessive Vererbung
- Epidermolytische Ichthyose (Bullöse kongenitale ichthyosiforme Erythrodermie Brocq)
- autosomal-dominante Vererbung
Die jeweiligen Formen der Ichthyose sind genetisch und klinisch heterogen (uneinheitlich).
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis
- Ichthyosis vulgaris: Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.
- X-chromosomal-rezessive Ichthyosis: Nur Männer sind betroffen, Frauen können Trägerinnen sein.
Prävalenz (Krankheitshäufigkeit)
- Ichthyosis vulgaris: 1:100 bis 1:250
- X-chromosomal-rezessive Ichthyosis: 1:4.000 (bei Männern)
- Lamelläre Ichthyose: 1:100.000
- Epidermolytische Ichthyose: 1:200.000 bis 1:500.000
- Seltene Formen: 1:300.000
Verlauf und Prognose
Verlauf
-
Hereditäre Ichthyosen
- Diese sind meist chronisch und nicht heilbar, jedoch können die Symptome durch tägliche, intensive Hautpflege gelindert werden.
- Bei Ichthyosis vulgaris verbessert sich die Symptomatik oft im Erwachsenenalter.
- Schwere Formen wie die Harlekin-Ichthyose sind mit einer hohen Morbidität und in einigen Fällen einer reduzierten Lebenserwartung verbunden.
-
Erworbene Ichthyosen
- Diese Formen können reversibel sein, wenn die zugrunde liegende Erkrankung erfolgreich behandelt wird.
Prognose
- Ichthyosis vulgaris: Gute Prognose, Symptomreduktion im Erwachsenenalter möglich.
- Schwerere Formen: Die Prognose variiert je nach Typ und Schwere der Erkrankung. Intensive Pflege und symptomatische Behandlung können die Lebensqualität verbessern, jedoch bleiben schwere Formen wie die Harlekin-Ichthyose oft lebensbedrohlich.
- Psychosoziale Belastung: Aufgrund des auffälligen äußeren Erscheinungsbildes können erhebliche psychosoziale Belastungen für die Betroffenen und ihre Familien entstehen. Eine psychosoziale Betreuung kann hier hilfreich sein.
Erworbene Ichthyosen sind heilbar, wenn die zugrundeliegende Erkrankung therapiert wird.
Leitlinien
- S1-Leitlinie: Diagnostik und Therapie der Ichthyosen. (AWMF-Registernummer: 013-043), Juni 2021 Langfassung