Hautrötung (Erythem) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Ein Erythem (Hautrötung) entsteht als Reaktion auf eine Erweiterung (Vasodilatation) der oberflächlichen Hautgefäße. Diese Veränderung ist häufig begleitet von einer erhöhten Durchblutung (Hyperämie) in der betroffenen Hautregion, was zu einer sichtbaren Rötung führt. Die Pathogenese des Erythems ist multifaktoriell und kann durch eine Vielzahl unterschiedlicher Ursachen und Mechanismen ausgelöst werden.

Die grundlegenden pathophysiologischen Mechanismen lassen sich wie folgt unterteilen:

Entzündungsbedingtes Erythem

Ein entzündliches Erythem entsteht durch die Freisetzung von Entzündungsmediatoren wie Histamin, Prostaglandinen oder Zytokinen aus Mastzellen und anderen Immunzellen. Diese Mediatoren bewirken eine Erweiterung der Blutgefäße und eine gesteigerte Permeabilität (Durchlässigkeit), was zu Rötung, Schwellung und gegebenenfalls Juckreiz führt. Typische Ursachen sind:

  • Infektiöse Hauterkrankungen: Bakterielle, virale oder mykotische Infektionen (z. B. Erysipel, Impetigo, Candida-Dermatitis).
  • Allergische Reaktionen: Kontaktekzeme (Allergie vom Typ IV) oder Urtikaria (Allergie vom Typ I).
  • Autoimmunerkrankungen: Bei Systemerkrankungen wie Lupus erythematodes, Dermatomyositis oder Sklerodermie.
  • Toxische Dermatitiden: Reaktionen auf chemische oder physikalische Irritanzien (z. B. UV-Strahlung, Verbrennungen, Säuren, Laugen).

Neurogenes Erythem

Ein neurogenes Erythem entsteht durch direkte oder indirekte Reizung der Nervenendigungen in der Haut, was zu einer Reflexdilatation der Gefäße führt. Diese Form des Erythems tritt typischerweise bei:

  • Emotionalen Reizen: Stress, Scham, Angst (z. B. Erröten bei sozialem Stress).
  • Temperaturreizen: Durch Wärme oder Kälte bedingte Hautrötungen (z. B. Erythema pernio).
  • Neurogene Entzündung: Bei Erkrankungen wie Rosazea, bei der neurogene Mechanismen eine zentrale Rolle spielen.

Mechanisch oder physikalisch bedingtes Erythem

Eine mechanische Reizung (z. B. Reibung) oder physikalische Einwirkung (z. B. Druck, Kälte, Wärme) kann ebenfalls eine lokale Vasodilatation und ein Erythem hervorrufen:

  • Reibe-Erythem: Durch ständige mechanische Belastung (z. B. durch Kleidung oder an Hautfalten).
  • Druckerythem: Bei längerer Druckeinwirkung, z. B. durch Prothesen oder Gipsverbände.
  • Kälte- und Hitzereize: Führt zu typischen Erythemen bei Erfrierungen oder Verbrennungen.

Medikamenten- und toxisch induziertes Erythem

Verschiedene Medikamente (z. B. ACE-Hemmer, Kalziumantagonisten, Antibiotika) können eine medikamenteninduzierte Gefäßerweiterung und damit ein Erythem hervorrufen. Weitere Beispiele:

  • Toxisch-allergische Reaktionen: z. B. Arzneimittelexantheme.
  • Direkte toxische Hautschädigung: Kontakt mit irritierenden oder toxischen Substanzen.

Vaskuläre und hämatologische Ursachen

Ein Erythem kann ebenfalls durch vaskuläre Veränderungen oder hämatologische Erkrankungen hervorgerufen werden:

  • Vaskulitis (Gefäßentzündung): Z. B. Purpura Schönlein-Henoch, bei der eine entzündliche Reaktion der Gefäßwand zu einer vermehrten Gefäßpermeabilität führt.
  • Polyzythämie: Erhöhte Anzahl roter Blutkörperchen (Erythrozytose), die zu einer allgemeinen Hautrötung führt.
  • Koagulopathien: Bei Störungen der Blutgerinnung kann es ebenfalls zu erythematösen Hautveränderungen kommen.

Thermisch bedingte Erytheme

Thermische Reize, wie extreme Hitze oder Kälte, bewirken ebenfalls eine Erweiterung der Hautgefäße, um die Wärmeabgabe zu regulieren. Beispiele:

  • Erythema ab igne: Ein netzförmiges Erythem, das durch wiederholte Wärmeeinwirkung (z. B. bei Kontakt mit Heizkörpern oder Wärmflaschen) entsteht.

Erbliche und genetische Faktoren

Seltenere Formen des Erythems sind durch genetische Prädispositionen bedingt, wie z. B. bei der Erythromelalgie, einer seltenen Erkrankung, die durch Schmerzen und anfallsweise Rötungen der Extremitäten charakterisiert ist.

Hormonelle Einflüsse

Hormone, insbesondere Östrogene, können bei hormonellen Veränderungen wie Schwangerschaft, Menopause oder der Einnahme von Kontrazeptiva zu einer verstärkten Hautdurchblutung und damit zu einem Erythem führen.

Die Pathogenese des Erythems variiert somit je nach Ursache erheblich und erfordert eine differenzierte Betrachtung der zugrunde liegenden Mechanismen und Auslöser für eine adäquate Therapie.

Ätiologie (Ursachen)

Krankheitsbedingte Ursachen

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Gicht
  • Thyreotoxikose ‒ entgleiste Schilddrüsenüberfunktion

Haut und Unterhaut (L00-L99)

  • Acrodermatitis chronica atrophicans ‒ Hauterkrankung, die in der Folge einer Borreliose auftreten kann
  • Erythema exsudativum multiforme (unterschiedlicher Ursache)
  • Livedo reticularis (marmorierte Haut)
  • Rosacea (Kupferrose) chronische entzündliche, nicht ansteckende Hauterkrankung, die sich im Gesicht manifestiert; typisch sind Papeln (Knötchen) und Pusteln (Eiterbläschen) sowie Teleangiektasien (sichtbare Erweiterungen oberflächlich gelegener kleinster Blutgefäße)
  • Windeldermatitis
  • Zellulitis – akute, bakteriell verursachte Hautinfektion

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Borreliose (hier: Erythema chronicum migrans)
  • Dengue-Fieber – Infektionserkrankung, die vor allem in tropischen und subtropischen Regionen auftritt. Es wird durch Dengue-Viren (DENV) ausgelöst; hier: Erythem, vor allem im Gesicht und an der Brust, oft mit weißem Dermografismus
  • Erythema infectiosum (Ringelröteln; hier: toxisches Erythem)
  • Helminthiasis (Wurmerkrankung); hier bei: Spiruridae 
  • HIV (Serokonversionausschlag; makulopapulös (fleckig und mit Papeln, d. h. mit Bläschen); tritt hauptsächlich im Gesicht und am Körperstamm auf, seltener auch an den Extremitäten)
  • Masern (Morbilli; hier: toxisches Erythem)
  • Rheumatisches Fieber (Synonym: Streptokokkenrheumatismus) – reaktive Erkrankung, die meist nach einer Infektion mit Streptokokken der Gruppe A (Lancefield-Klassifikation) auftritt; hier: Erythema nodosum
  • Scharlach (Scarlatina; hier: toxisches Erythem)
  • Streptokokken-Infektionen (hier: Erythema nodosum)
  • Tuberkulose (Schwindsucht; hier: Erythema induratum, nodöses Tuberkulid; Erythema nodosum)

Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-K77; K80-K87)

  • Lebererkrankungen, nicht näher bezeichnet (Palmarerythem)

Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)

  • Colitis ulcerosa – chronisch entzündliche Erkrankung der Schleimhaut des Kolons (Dickdarms) oder des Rektums (Mastdarms); der Befall ist in aller Regel kontinuierlich und vom Rektum ausgehend; hier: Erythema nodosum
  • Morbus Crohn – chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED); sie verläuft meist in Schüben und kann den gesamten Verdauungstrakt befallen; charakterisierend ist der segmentale Befall der Darmmukosa (Darmschleimhaut), das heißt, es können mehrere Darmabschnitte befallen sein, die durch gesunde Abschnitte voneinander getrennt sind; hier: Erythema nodosum

Muskel-Skelett-System und Bindegewebe (M00-M99)

  • Dermatomyositis ‒ zu den Kollagenosen zählende Erkrankung, die die Haut und die Muskulatur betrifft und vor allem mit diffusen Bewegungsschmerzen einhergeht
  • Reaktive Arthritis (Synonym: postinfektiöse Arthritis/Gelenkentzündung) – Zweiterkrankung nach gastrointestinalen (Magen-Darm-Trakt betreffend), urogenitalen (Harn- und Geschlechtsorgane betreffend) oder pulmonalen (Lunge betreffend) Infekten; bezeichnet eine Arthritis, wobei sich Erreger im Gelenk (in der Regel) nicht finden lassen (sterile Synovialitis).
  • Reiter-Krankheit (Synonyme: Reiter-Syndrom; Morbus Reiter; Arthritis dysenterica; Polyarthritis enterica; postenteritische Arthritis; posturethritische Arthritis; undifferenzierte Oligoarthritis; urethro-okulo-synoviales Syndrom; Fiessinger-Leroy-Syndrom; engl. Sexually acquired reactive arthritis (SARA)) – spezielle Form einer "reaktiven Arthritis“ (s. o.); Zweiterkrankung nach gastrointestinalen oder urogenitalen Infekten, die sich durch die Symptomatik der Reiter-Trias auszeichnet; seronegative Spondylarthropathie, die besonders bei HLA-B27 positiven Personen durch eine Darm- oder Harnwegserkrankung mit Bakterien (meistens Chlamydien) ausgelöst wird; kann sich äußern als Arthritis (Gelenkentzündung), Konjunktivitis (Bindehautentzündung), Urethritis (Harnröhrenentzündung) und teils mit typischen Hautveränderungen (hier: Erythema nodosum)
  • Sarkoidose (Synonyme: Morbus Boeck; Morbus Schaumann-Besnier) – systemische Erkrankung des Bindegewebes mit Granulombildung (Haut, Lunge und Lymphknoten); hier: Erythema nodosum
  • Systemischer Lupus erythematodes (SLE) ‒ Systemerkrankung, die die Haut und das Bindegewebe der Gefäße betrifft  

Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett (O00-O99)

  • Schwangerschaft (Palmarerythem)

Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)

  • Sonnenbrand
  • Verbrennungen, thermische bzw. chemische

Weitere

  • Akute Graft-versus-Host-Reaktion ‒ Abstoßungsreaktion bei Zustand nach Transplantation
  • Fixes Arzneimittelexanthem (es verdankt seinem Namen der Tatsache, dass Erytheme nach neuerlicher Zufuhr des Medikaments an gleicher Hautstelle wieder erscheinen)
  • Phototoxische Medikamentenreaktion
  • Länger bestehende Immobilität mit herabhängenden Beinen

Medikamente

  • Alpha-2-adrenerger Rezeptor-Agonist (Brimonidin)
  • Antibiotika:
    • Gyrasehemmstoffe →  fixes Arzneimittelexanthem
    • Sulfonamide →  fixes Arzneimittelexanthem 
    • Tetracycline → toxisches Erythem (flächenhafte Hautrötung)
    • Trimethoprim →  fixes Arzneimittelexanthem
  • Antipsychotika (Neuroleptika)
    • Konventionelle (Klassische) Antipsychotika (Neuroleptika)
      • Trizyklische Neuroleptika – Phenothiazine
  • Diuretika (entwässernde Medikamente)
  • Hormone
    • Antiöstrogene (Clomifen)
  • Ingenolmebutat (Zytostatikum)
  • Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) – entzündungshemmende Medikamente, die sich nicht von Steroiden ableiten → toxisches Erythem