Hautpilzerkrankung (Tinea; Dermatophytose) – Einleitung
Tinea, auch als Dermatophytose bezeichnet, ist eine chronische, oberflächliche Hautpilzerkrankung, die in der Regel die Epidermis (Oberhaut) betrifft. In seltenen Fällen kann die Infektion auch in tiefere Hautschichten wie die Dermis (Lederhaut) oder Subkutis (Unterhaut) eindringen. Die Erkrankung wird überwiegend durch Dermatophyten (Fadenpilze) verursacht.
Synonyme und ICD-10: ICD-10-GM B35.-:Dermatophytose [Tinea]
Die Erkrankung wird meistens durch Dermatophyten (Fadenpilze) verursacht.
Neben der Tinea kann man noch weitere Formen der Mykosen (Pilzerkrankungen) durch die folgenden Erreger unterscheiden:
- Trichophytia, Mikrosporie, Favus durch Dermatophyten
- Candidamykose/Candidosen, Pityriasis versicolor durch Malassezia furfur (Hefe-/Sprosspilze)
- Onychomykose, Piedra nigra, Tinea nigra durch Schimmelpilze
- Chromomykose, Sporotrichose, Myzetom als tiefe Mykosen
- Kryptokokkose, Blastomykose, Parakokzidioidomykose, Histoplasmose, Kokzidioidomykose als systemische Mykosen
Charakteristische Laborbefunde
- Mikroskopische Untersuchung
- Kalilaugenpräparat (KOH-Test): Nagel-, Haar- oder Hautproben werden mit 10-20%iger Kalilauge behandelt, um Keratin aufzulösen. Anschließend wird das Material unter dem Mikroskop untersucht, wobei die Hyphen der Dermatophyten sichtbar gemacht werden können.
- Charakteristischer Befund: Hyphen und Arthrosporen (Sporenform des Pilzes) im Hornmaterial.
- Pilzkultur
- Proben von Hautschuppen, Nägeln oder Haaren werden auf speziellen Pilzmedien (z. B. Sabouraud-Agar) kultiviert, um die Pilzart zu identifizieren.
- Typische Dermatophyten, die nachgewiesen werden können: Trichophyton, Microsporum, Epidermophyton.
- Der Pilzbefall wird häufig nach 1-4 Wochen sichtbar, je nach Spezies.
- Woodsche Lampe (UV-Licht)
- Bei Tinea capitis (Hautpilzbefall der Kopfhaut), insbesondere bei Infektionen durch Microsporum canis oder Microsporum audouinii, können betroffene Haare unter UV-Licht grün fluoreszieren.
- Dieser Befund ist charakteristisch für bestimmte Dermatophyten.
- PCR (Polymerase-Kettenreaktion)
- Mit molekularen Methoden kann Dermatophyten-DNA schnell und spezifisch nachgewiesen werden. Dies ist nützlich bei unklaren oder untypischen Fällen und bietet eine schnellere Diagnose als die Kultur.
- Histopathologie
- Eine Hautbiopsie (Gewebeprobe aus der Haut), die mit speziellen Färbungen wie PAS (Periodic Acid-Schiff) oder Grocott-Färbung behandelt wird, kann tiefer liegende Pilze in Hautschichten darstellen.
- Typischer Befund: Hyphen im Stratum corneum (äußerste Hautschicht), die die Diagnose einer Tinea stützen.
Formen der Tinea
Tinea kann in verschiedenen klinischen Formen auftreten, je nach betroffener Körperregion und Erreger:
- Tinea barbae und Tinea capitis (TC) (ICD-10-GM ICD-10 B35.0) ‒ Mykose (Pilzbefall) des Bartes (Bartflechte); des Kopfes (Tinea capitis), davon sind meistens Kinder betroffen
- Tinea barbae: vor allem durch Tinea rubrum, T. mentagrophytes, M. canis, E. floccosum
- Tinea capitis: Microsporum canis (weltweit der häufigste Erreger der Tinea capitis); zunehmend auch Trichophyton tonsurans
- Tinea unguium (ICD-10-GM B35.1) ‒ Mykose der Nägel [s. u. dem gleichnamigen Thema]
- Tinea manuum (ICD-10-GM B35.2) ‒ oberflächliche akute/chronische Mykose einer Hand, manchmal auch beider Hände
- durch Tinea rubrum
- Vorkommen: Die Infektion tritt weltweit auf.
- Tinea pedis (ICD-10-GM B35.3) ‒ Mykose der Fußsohlen/Zehenzwischenräume [s. u. dem gleichnamigen Thema]
- vorwiegend durch Tinea rubrum, Tinea interdigitale
- kann der Ausgangspunkt für weiteren Pilzbefall des Körpers sein!
- Vorkommen: Die Infektion tritt weltweit auf.
- Die Erreger T. rubrum und T. interdigitale sind bei Trockenheit über viele Monate überlebensfähig.
- Mensch-zu-Mensch-Übertragung: Ja, über Schuhe, Strümpfe, Fußbodenflächen
- Tinea corporis (ICD-10-GM B35.4) ‒ Mykose des Rumpfes – vor allem an Kontaktstellen an Armen und Oberkörper und in der Anal- und Inguinalregion (Leistengegend)
- durch T. rubrum, T. mentagrophytes, M. canis, E. floccosum
- Tinea imbricata (ICD-10-GM B35.5) ‒ Mykose des Körpers, der durch kokardenartige Herde gekennzeichnet ist
- Tinea inguinalis [Tinea cruris] (ICD-10-GM B35.6) ‒ Mykose des Unterschenkels (Leistenflechte)
- durch Tinea rubrum, Tinea mentagrophytes, E. floccosum
- Geschlechterverhältnis: Männer sind häufiger betroffen als Frauen.
- Sonstige Dermatophytosen (ICD-10-GM B35.8) – z. B. Tinea genitalis (Mykose des Genitalbereichs)
Spezifische Erreger bei Tinea:
- Trichophyton spp. (z. B. T. rubrum, T. mentagrophytes) – verursacht häufig Tinea pedis, Tinea unguium (Onychomykose), Tinea corporis und Tinea capitis.
- Microsporum spp. (z. B. M. canis) – verursacht typischerweise Tinea capitis und Tinea corporis.
- Epidermophyton floccosum – verursacht häufig Tinea cruris und Tinea pedis.
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis: Männer sind häufiger betroffen als Frauen.
Häufigkeitsgipfel: Die Tinea capitis tritt am häufigsten im Kindesalter auf, mit einem Gipfel zwischen dem 3. und 7. Lebensjahr.
Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): In Deutschland liegt die Prävalenz für Tinea pedis bei etwa 30 %, für Tinea unguium bei 12,4 %. Bei Kindern liegt die Prävalenz bei 5-15 %.
Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): Bei Kindern beträgt die Inzidenz etwa 25 Neuerkrankungen pro 1.000 Kinder pro Jahr.
Infektionsepidemiologie
Erreger: Dermatophyten wie Trichophyton rubrum, T. mentagrophytes, Microsporum canis, Epidermophyton floccosum.
Erregerreservoir: Menschliche Haut, infizierte Tiere und kontaminierte Umgebungen (z. B. Böden in Umkleideräumen).
Vorkommen: Weltweit, häufig in warmen und feuchten Klimazonen.
Mensch-zu-Mensch-Übertragung: Ja, häufig über direkten Kontakt oder kontaminierte Oberflächen wie Schuhe oder Strümpfe.
Kontagiosität (Ansteckungsgefahr): Erhöht in Gemeinschaftseinrichtungen wie Schwimmbädern oder Sportstudios.
Übertragungsweg: Kontakt- und Schmierinfektion.
Eintrittspforte: Mikrorisse und aufgeweichte Hautareale, insbesondere in den Zehenzwischenräumen.
Inkubationszeit (Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung): Variabel, oft innerhalb weniger Tage bis Wochen nach der Infektion.
Krankheitsdauer: Ohne Therapie kann die Erkrankung Monate bis Jahre bestehen bleiben.
Dauer der Infektiosität: Solange aktive Pilzinfektionen bestehen und keine Behandlung erfolgt.
Erregerspezifische Immunität: Besteht nicht; Reinfektionen sind häufig.
Verlauf und Prognose
Verlauf
- Akuter Verlauf: Bei adäquater Therapie heilt die Tinea in der Regel spurlos ab. Ohne Therapie kann sie jedoch einen chronischen Verlauf nehmen.
- Chronischer Verlauf: Ohne Behandlung kann die Infektion persistieren und sich auf andere Körperregionen ausbreiten.
- Komplizierter Verlauf: Bei Kindern, immungeschwächten Personen oder bei Ausbreitung auf innere Organe kann die Infektion schwerer verlaufen.
Prognose
- Gute Prognose: Bei rechtzeitiger und adäquater Therapie ist die Prognose gut.
- Rezidivrisiko: Hohe Rezidivrate, insbesondere bei unzureichender Behandlung oder anhaltender Exposition gegenüber Risikofaktoren.
- Komplikationen: Mögliche Komplikationen umfassen die Ausbreitung der Infektion auf andere Körperteile oder die Entwicklung von Superinfektionen durch Bakterien.
Leitlinien
- S1-Leitlinie: Tinea der freien Haut. (AWMF-Registernummer: 013-002), Oktober 2008 Dermatologische Gesellschaft
- S1-Leitlinie: Tinea capitis (AWMF-Registernummer: 013-033), Januar 2019 Langfassung