Haarausfall (Alopecia) – Einleitung

Haarausfall, medizinisch als Alopecia bezeichnet, ist der über das normale Maß hinausgehende Verlust von Kopf- oder Körperhaar. Normalerweise verliert ein Mensch etwa 50-100 Haare pro Tag; ein übermäßiger Haarausfall kann jedoch zu einer sichtbaren Ausdünnung oder Kahlheit führen.

Synonyme und ICD-10: Alopecia androgenetica, Alopecia diffusa; Alopecia hereditaria; Alopecia seborrhoica; Alopecie; Alopezia; Alopezia areata; Alopezie; Defuvium; diffuses Effluvium; Effluvium; Effluvium capillorum; Effluvium capitis; Haarausfall; Hair loss; seborrhoische Alopecie; senile Alopecie

Formen der Alopecia 

  • Alopecia areata* (ICD-10-GM L63.-) – darunter versteht man einen runden, lokal begrenzten krankhaften Haarausfall
  • Alopecia androgenetica* (androgenetische Alopezie (AGA); Synonym: Alopecie vom männlichen Typ) (ICD-10-GM L64.-) – Führt bei etwa 80 % der Männer zu "Geheimratsecken" oder im ausgeprägten Falle zu einer "Glatze"; bei Frauen kann ein androgenetische Alopecia (Alopecia androgenetica) ebenfalls auftreten; Weiteres dazu siehe unter Ursachen.
  • Sonstiger Haarausfall ohne Narbenbildung (ICD-10-GM L65,.)
    • Telogeneffluvium (ICD-10-GM L65.0)
    • Anageneffluvium (ICD-10-GM L65.1)
  • Alopecia cicatrica (narbige Alopecie; Haarausfall mit Narbenbildung) (ICD-10-GM L66.-) – geht mit einer Entzündung, Fibrose und Verlust der Haarfollikel einher; irreversibel

*Nicht-vernarbende Alopecia; wesentlich häufiger; reversibel

Weitere Formen 

  • Alopecia totalis (totale Alopecia)Form der Alopecia areata (kreisrunder Haarausfall); vollständiger Haarverlust der Kopfbehaarung; Ursache ist eine Autoimmunreaktion
  • Alopecia universalis – Haarausfall der gesamten Körperbehaarung; autosomal-rezessive Erkrankung, die auf einer Mutation auf dem HR-Chromosom beruht

Alopecia mit und ohne Narbenbildung kann unterteilt werden in:

  • Fokalen Haarausfall
  • Diffusen Haarausfall 

Ursachen

  • Alopecia androgenetica: Verursacht durch genetische Veranlagung und hormonelle Einflüsse, insbesondere Dihydrotestosteron (DHT), das die Haarfollikel schrumpfen lässt.
  • Alopecia areata: Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem fälschlicherweise die Haarfollikel angreift.
  • Telogeneffluvium: Ausgelöst durch Stress, schwere Erkrankungen, hormonelle Veränderungen oder bestimmte Medikamente.
  • Anageneffluvium: Häufige Ursache ist eine Chemotherapie, die die Haarzellen in der Wachstumsphase angreift.
  • Alopecia cicatrica: Durch entzündliche Erkrankungen wie Lupus erythematodes oder Lichen planopilaris verursacht.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer sind häufiger betroffen als Frauen, insbesondere bei Alopecia androgenetica (2-3:1).

Häufigkeitsgipfel

  • Alopecia androgenetica: Tritt häufiger mit zunehmendem Alter auf.
  • Alopecia areata: Häufig im zweiten und dritten Lebensjahrzehnt.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit)

  • Alopecia androgenetica: Bis zu 80 % der kaukasischen Männer und 42 % der Frauen.
  • Alopecia areata: Lebenszeitprävalenz von 1,7 %.

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): Für Alopecia areata ca. 1-10 pro 1.000 Einwohner pro Jahr in Deutschland.

Verlauf und Prognose

Verlauf

Die verschiedenen Formen der Alopecia weisen unterschiedliche Verläufe auf:

Alopecia androgenetica

  • Progression: Die Alopecia androgenetica ist eine fortschreitende Krankheit, bei der der Haarausfall mit der Zeit zunimmt. Bei Männern führt dies oft zu "Geheimratsecken" und im ausgeprägten Fall zu einer vollständigen Glatze. Bei Frauen äußert sich die androgenetische Alopezie oft in einer diffusen Ausdünnung der Haare.
  • Verlauf: Der Verlauf ist in der Regel langsam und zieht sich über Jahre oder Jahrzehnte hin. Je später die androgenetische Alopecia einsetzt, desto langsamer schreitet sie fort.

Alopecia areata

  • Schübe und Remissionen: Die Alopecia areata verläuft chronisch und ist durch wiederkehrende Schübe und Remissionen gekennzeichnet. In den ersten sechs Monaten kommt es bei etwa 30 % der Betroffenen zu einer spontanen Rückbildung der kahlen Stellen (kreisrunder Haarausfall). Innerhalb eines Jahres erleben 50 % eine Remission, und nach fünf Jahren sind es 75 %.
  • Langfristiger Verlauf: Bei manchen Patienten kann der Haarausfall dauerhaft bleiben, während andere eine vollständige Haarregeneration erleben.

Alopecia totalis und Alopecia universalis

  • Schwere Formen: Diese Formen der Alopecia areata, die zu einem vollständigen Verlust der Kopf- oder Körperbehaarung führen, haben oft eine schlechtere Prognose hinsichtlich der Haarregeneration.

Telogeneffluvium und Anageneffluvium

  • Akuter Haarausfall: Diese Formen des Haarausfalls sind oft temporär und treten in Folge von Stress, Krankheit oder Medikamenteneinnahme auf. Telogeneffluvium führt zu diffusem Haarausfall, während Anageneffluvium (Störung der anagenen (Wachstums-)Phase) meist nach Chemotherapie auftritt.
  • Erholung: Nach Beseitigung der auslösenden Faktoren erholen sich die Haarfollikel in der Regel, und das Haarwachstum normalisiert sich wieder.

Prognose

Die Prognose der Alopecia hängt stark von der Ursache und der spezifischen Form der Erkrankung ab:

Alopecia androgenetica

  • Unaufhaltsame Progression: Diese Form der Alopecia schreitet kontinuierlich fort und ist nicht vollständig heilbar. Allerdings können Behandlungen wie Minoxidil oder Finasterid das Fortschreiten verlangsamen und teilweise Haarwuchs fördern.
  • Therapeutische Maßnahmen: Eine frühe Behandlung kann den Verlauf positiv beeinflussen und den Haarausfall mindern.

Alopecia areata

  • Variabler Verlauf: Die Prognose ist variabel und reicht von vollständiger Spontanremission (Symptomreduktion oder Überwindung einer Krankheit) bis zu anhaltendem Haarausfall. Etwa 30 % der Patienten erleben eine Spontanremission innerhalb von sechs Monaten, 50 % innerhalb eines Jahres und 75 % innerhalb von fünf Jahren.
  • Langfristige Therapie: Immunsuppressive und entzündungshemmende Therapien können helfen, Schübe zu kontrollieren und das Haarwachstum zu fördern.

Alopecia totalis und Alopecia universalis

  • Schlechtere Prognose: Diese schweren Formen haben eine schlechtere Prognose hinsichtlich der Haarregeneration. Eine vollständige Wiederherstellung des Haarwuchses ist selten.

Fazit

Die Prognose der verschiedenen Formen der Alopecia variiert stark. Während die Alopecia androgenetica kontinuierlich fortschreitet und schwer zu stoppen ist, können andere Formen wie die Alopecia areata phasenweise auftreten und sich teilweise spontan zurückbilden. Eine frühzeitige und gezielte Therapie kann in vielen Fällen das Fortschreiten verlangsamen und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich verbessern.

Komorbiditäten

Auf Grundlage epidemiologischer Studien konnte nachgewiesen werden, dass der früh einsetzende Haarausfall vom männlichen Typ (Alopecia androgenetica) mit einigen schweren somatischen Erkrankungen wie z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen (CVD) [1], benigne Prostatahyperplasie (sogenannte benigne (gutartige) Prostatavergrößerung) und Prostatakarzinom (Prostatakrebs) [2-4], Morbus Parkinson [5] und amyotrophischer Lateralsklerose (ALS) [6] assoziiert ist.

Literatur

  1. Trieu N, Eslick GD: Alopecia and its association with coronary heart disease and cardiovascular risk factors: a meta-analysis. Int. J. Cardiol. 2014 Oct 20;176(3):687-95. doi: 10.1016/j.ijcard.2014.07.079. Epub 2014 Aug 1.
  2. Arias-Santiago S et al.: Androgenetic alopecia as an early marker of benign prostatic hyperplasia. J. Am. Acad. Dermatol. 2012 Mar;66(3):401-8. doi: 10.1016/j.jaad.2010.12.023. Epub 2011 Aug 11.
  3. Hawk E, Breslow RA, Graubard BI: Male pattern baldness and clinical prostate cancer in the epidemiologic follow-up of the first National Health and Nutrition Examination Survey. Cancer Epidemiol. Biomarkers Prev. 2000 May;9(5):523-7.
  4. Amoretti A, Laydner H, Bergfeld W: Androgenetic alopecia and risk of prostate cancer: A systematic review and meta-analysis. J. Am. Acad. Dermatol. 2013 Jun;68(6):937-43. doi: 10.1016/j.jaad.2012.11.034. Epub 2013 Feb 8.
  5. Li R et al.: Six novel susceptibility loci for early-onset androgenetic alopecia and their unexpected association with common diseases. PLoS Genet. 2012 May;8(5):e1002746. doi: 10.1371/journal.pgen.1002746. Epub 2012 May 31.
  6. Fondell E et al.: Early-onset alopecia and amyotrophic lateral sclerosis: a cohort study. Am. J. Epidemiol. 2013 Oct 1;178(7):1146-9. doi: 10.1093/aje/kwt096. Epub 2013 Aug 13.

Leitlinien

  1. Kanti V et al.: Evidence‐based (S3) guideline for the treatment of androgenetic alopecia in women and in men – short version JEADV First published: 27 November 2017 https://doi.org/10.1111/jdv.14624