Erfrierungen – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Erfrierungen entstehen durch Einwirkung extremer Kälte, die zu einer lokalen Gewebeschädigung führt. Der Schweregrad der Erfrierung ist abhängig von der Temperatur, der Dauer der Kälteeinwirkung und den individuellen Risikofaktoren (z. B. Durchblutungsstörungen, Dehydratation/Austrocknung). Dabei sind die peripheren Körperteile wie Finger, Zehen, Ohren und Nase am häufigsten betroffen.
Pathophysiologie der Erfrierungen
- Vasokonstriktion (Gefäßverengung): Durch die Kälteeinwirkung kommt es zunächst zu einer peripheren Vasokonstriktion (Zusammenziehen der Blutgefäße), um den Wärmeverlust zu minimieren und die Wärme im Körperkern zu halten. Diese Reaktion führt jedoch zu einer Minderdurchblutung (Ischämie) des betroffenen Gewebes.
- Blutflussstörungen und Eisbildung Bei anhaltender Kälteeinwirkung verlangsamt sich der Blutfluss weiter, und es bilden sich Mikrothromben (kleine Blutgerinnsel) in den Kapillaren. Ab Temperaturen von unter -2 °C kann es zu einer intrazellulären Eiskristallbildung kommen, was die Zellstrukturen mechanisch schädigt und den Zelltod verursacht. Auch die extrazelluläre Eiskristallbildung führt durch osmotische Verschiebungen zur Dehydratation (Austrocknung) der Zellen.
- Entzündungsreaktion und Gewebeschädigung: Die Ischämie und der Kälteschaden aktivieren entzündliche Prozesse, die zur Freisetzung von Zytokinen und Entzündungsmediatoren führen. Diese bewirken eine erhöhte Gefäßpermeabilität, wodurch Flüssigkeit aus den Blutgefäßen ins Gewebe austritt und Ödeme entstehen.
- Reperfusionsschäden: Bei Wiedererwärmung des Gewebes kommt es zur Reperfusion (Wiederherstellung der Blutzirkulation), die zusätzliche Gewebeschäden verursacht. Die Reperfusion führt zu einer vermehrten Freisetzung von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) und weiteren Entzündungsmediatoren, die den Gewebetod (Nekrose) begünstigen.
Klassifikation und Pathogenese nach Schweregrad
Erfrierungsgrad | Beschreibung |
Grad 1 |
|
Grad 2 |
|
Grad 3 |
|
Grad 4 |
|
Risikofaktoren
Verschiedene Faktoren können das Risiko für die Entstehung von Erfrierungen erhöhen:
- Individuelle Faktoren:
- Alter: Kinder und ältere Menschen sind durch eine verminderte Thermoregulation und eine dünnere Haut stärker gefährdet.
- Vorerkrankungen: Gefäßerkrankungen, Diabetes mellitus und periphere Neuropathien erhöhen das Risiko.
- Medikamente: Substanzen wie Betablocker, Vasokonstriktoren oder Alkohol können die Thermoregulation beeinträchtigen.
- Exogene Faktoren:
- Wind: Wind erhöht den Wärmeverlust (Wind-Chill-Effekt) und beschleunigt die Kältewirkung.
- Feuchtigkeit: Nasse Kleidung verstärkt die Wärmeabgabe.
- Unangemessene Kleidung: Fehlende Isolierung oder zu enge Schuhe führen zu einer schnelleren Auskühlung.
Unterschied zur Hypothermie
- Während Erfrierungen lokal begrenzt sind, handelt es sich bei der Hypothermie um eine systemische Unterkühlung des gesamten Körpers.
- Bei einer Hypothermie fällt die Körperkerntemperatur unter 35 °C, was zu einer Abnahme der Organfunktionen führt und im schlimmsten Fall tödlich enden kann.
Zusammenfassung
Erfrierungen sind lokale Kälteschäden, die durch eine lange Exposition gegenüber niedrigen Temperaturen entstehen und durch Vasokonstriktion, Ischämie und Gewebenekrose gekennzeichnet sind. Der Schweregrad reicht von oberflächlicher Rötung (Grad 1) bis zu tiefgreifendem Gewebetod (Grad 4), wobei auch Reperfusionsschäden eine bedeutende Rolle in der Pathogenese spielen.
Ätiologie (Ursachen)
Folgende Faktoren wirken prädisponierend für Erfrierungen:
Verhaltensbedingte Ursachen
- Eng anliegende Kleidung/Schuhe
- Immobilität
Krankheitsbedingte Ursachen
Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)
- Immobilität
Medikamente
- Therapie mit vasokontriktorischen Medikamenten, nicht näher bezeichnet
Folgende Faktoren wirken prädisponierend für Hpothermie:
Biographische Ursachen
- Lebensalter – alte Menschen, Neugeborene, Kinder
Verhaltensbedingte Ursachen
- Alkoholmissbrauch
- Drogenmissbrauch
Krankheitsbedingte Ursachen
Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)
- Alkoholmissbrauch
- Drogenmissbrauch
Weitere Ursachen
- Bergunfall
- Polytrauma ‒ Kombination von mehreren Verletzungen, von denen mindestens eine oder die Kombination von Verletzungen lebensbedrohend ist
- Schneeunfall
- Verschüttung
- Verwahrlosung
- Wasserunfall