Dekubitus – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Ein Dekubitus (Druckgeschwür) entsteht durch eine lang anhaltende Druckeinwirkung auf die Haut und das darunterliegende Gewebe, die zur Mangeldurchblutung (Ischämie) führt. Häufig sind die Körperstellen betroffen, an denen sich Knochen direkt unter der Haut befinden (z. B. Steißbein, Fersen, Hüfte, Knöchel). Der Dekubitus kann durch eine Kombination folgender Faktoren verursacht werden:

  • Druck: Anhaltender Druck (> 2 Stunden) übersteigt den Kapillardruck (ca. 32 mmHg), wodurch der Blutfluss behindert wird. Diese Minderdurchblutung (Ischämie) führt dazu, dass das Gewebe nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird, was zum Absterben von Zellen führt.
  • Reibung (Friktion): Durch Bewegung auf rauen oder unebenen Oberflächen kann es zur Schädigung der oberflächlichen Hautschichten kommen. Diese Scherwirkung schwächt die Hautbarriere und macht sie anfälliger für mechanische Belastungen.
  • Scherkräfte: Scherkräfte entstehen, wenn die Hautschicht gegenüber der darunterliegenden Faszie und Muskulatur verschoben wird. Dies führt zu einer Verdrillung und Verengung der Blutgefäße, was die lokale Durchblutung weiter stört und eine Gewebszerstörung fördert.

Pathophysiologischer Verlauf

Die Entstehung eines Dekubitus verläuft in mehreren Phasen:

  1. Ischämie (Minderdurchblutung): Längerer Druck auf die Haut reduziert den Blutfluss und führt zu einer Hypoxie (Sauerstoffmangel) im Gewebe. Diese Schädigung beginnt auf der subkutanen (Unterhautfett-) Ebene und kann sich bis in die Muskulatur und Knochen ausdehnen.

  2. Reperfusionsschaden: Bei Druckentlastung kommt es zu einer Wiederherstellung der Blutzufuhr (Reperfusion), die jedoch zu einer zusätzlichen Zellschädigung führt. Dies geschieht durch die vermehrte Freisetzung von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) und entzündungsfördernden Substanzen, die den Gewebeschaden weiter verstärken.

  3. Störung des Lymphabflusses: Druck und Scherkräfte behindern auch den Lymphfluss, was zur Ansammlung von Flüssigkeit (Ödeme) und zur Verzögerung der Beseitigung von Zelltrümmern und Abbauprodukten führt. Dies begünstigt die Entzündung und das Absterben des Gewebes.

  4. Entstehung von Nekrosen: Die anhaltende Minderdurchblutung und der gestörte Lymphfluss führen schließlich zur Nekrose (lokaler Gewebetod). Diese zeigt sich zunächst als nicht wegdrückbare Rötung (Stadium I) und entwickelt sich weiter zu Blasenbildung, offenen Wunden (Stadium II) bis zu tiefen Gewebeschäden (Stadium III und IV), die auch Muskeln und Knochen betreffen können.

  5. Ulzeration (Geschwürbildung): Durch den Gewebszerfall entstehen Ulzera (Geschwüre), die das Gewebe weiter destabilisieren und einen idealen Nährboden für sekundäre Infektionen (z. B. durch Staphylokokken oder Enterokokken) bieten.

Prädisponierende Faktoren

Zusätzlich zu den mechanischen Faktoren wie Druck, Reibung und Scherkräften gibt es mehrere prädisponierende Faktoren, die das Risiko für die Entwicklung eines Dekubitus erhöhen:

  • Beeinträchtigte Mobilität: Patienten, die nicht in der Lage sind, ihre Position häufig zu ändern (z. B. durch Lähmungen, Koma, Sedierung).
  • Sensorische Störungen: Verminderte Schmerz- oder Druckempfindung (z. B. bei diabetischer Neuropathie, Rückenmarksläsionen).
  • Feuchtigkeit: Schweiß, Urin oder Stuhl in Kontakt mit der Haut (führt zu Mazeration und Schwächung der Hautbarriere).
  • Mangelernährung: Niedriges Albumin und Proteinmangel verschlechtern die Wundheilung und reduzieren die Hautresistenz.
  • Alter: Ältere Menschen haben eine dünnere Haut und eine reduzierte Elastizität, was die Haut anfälliger für mechanische Belastungen macht.
  • Begleiterkrankungen: Diabetes mellitus, vaskuläre Erkrankungen oder eine eingeschränkte Herzfunktion können die Gewebedurchblutung verschlechtern.

Zusammenfassung

Ein Dekubitus entsteht durch länger andauernde mechanische Belastung, die zu einer Minderdurchblutung und Ischämie des Gewebes führt. Durch den zusätzlichen Einfluss von Reibung, Scherkräften und Feuchtigkeit kommt es zu einer Schädigung der Haut- und darunterliegenden Gewebeschichten, was letztlich zu Gewebetod (Nekrosen) und Geschwürbildung (Ulzerationen) führt.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Lebensalter – mit zunehmendem Alter ist das Risiko durch Krankheiten, Bewegungsmangel etc. erhöht

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – siehe Prävention mit Mikronährstoffen
  • Immobilisation/Bewegungsmangel
  • Untergewicht (BMI < 18,5)

Krankheitsbedingte begünstigende Faktoren

Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)

  • Anämie (Blutarmut)

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Exsikkose (Austrocknung)
  • Diabetes mellitus
  • Fehlernährung
  • Kachexie (Auszehrung)

Haut und Unterhaut (L00-L99)

  • Bestehende Hautdefekte
  • Keratolyse (Hornhautauflösung)

Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)

  • Stuhlinkontinenz

Muskel-Skelett-System und Bindegewebe (M00-M99)

  • Eingeschränkte Beweglichkeit, nicht näher bezeichnet

Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • Bewusstseinseintrübung, nicht näher bezeichnet
  • Multiple Sklerose (MS)
  • Sensibilitätsstörungen, nicht näher bezeichnet
  • Wahrnehmungsstörungen

Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)

  • Fieber

Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)

  • Harninkontinenz

Weitere Ursachen

  • Akute Erkrankungen, nicht näher bezeichnet
  • Allgemeine Dystrophie
  • Chronische Erkrankungen, nicht näher bezeichnet
  • Schlecht sitzende Hilfsmittel wie Prothesen

Medikamente

  • Medikamentennebenwirkungen von:
    • Analgetika (Schmerzmittel)
    • Nichtsteroidale Antirheumatika wie Diclofenac
    • Sedativa/Hypnotika (Beruhigungs-/Schlafmittel)
    • Sympathomimetika wie Adrenalin, Noradrenalin

Operationen

  • Eingriffe am offenen Herzen  nach einem Eingriff hat fast ein Viertel der operierten eine Druckverletzung der Haut; Hauptrisikofaktor ist niedriges Serumalbumin; besonders gefährdet sind Frauen und Diabetes mellitus-Patienten [1].

Literatur

  1. Taghiloo H et al.: Prevalence and factors associated with pressure injury in patients undergoing open heart surgery: A systematic review and meta-analysis. Int Wound J 2022; https://doi.org/10.1111/iwj.14040