Arzneimittelexanthem – Einleitung

Ein Arzneimittelexanthem ist ein akut auftretender Hautausschlag (Exanthem), der infolge der Einnahme oder Verabreichung eines Medikaments entsteht. Es handelt sich um eine Hypersensitivitätsreaktion, die toxischer, allergischer oder pseudoallergischer Natur sein kann. Die Reaktion manifestiert sich typischerweise in Form von Rötungen, Bläschen, Quaddeln oder anderen Hautveränderungen.

Synonyme und ICD-10: Arzneimittelbedingter Ausschlag; Arzneimitteldermatitis durch eingenommenes Arzneimittel; Arzneimittelexanthem; Dermatitis durch Arzneimittel; Dermatitis durch Impfung; Dermatitis durch Medikamente; Dermatitis durch Vakzine; Dermatitis durch aufgenommene Chemikalie; Dermatitis durch eingenommenes Arzneimittel; Dermatitis durch verschluckte Substanz; Ekzem durch Arzneimittel; Erythem durch Arzneimittel; generalisierte Arzneimitteldermatitis durch eingenommenes Arzneimittel; generalisiertes Arzneimittelexanthem; Hautallergie durch Arzneimittel; lokalisierte Arzneimitteldermatitis durch eingenommenes Arzneimittel; lokalisierter Ausschlag durch Arzneimittel; lokalisierter Ausschlag durch Impfung; lokalisiertes Erythem durch Arzneimittel; Medikamentenexanthem; toxisches Exanthem durch Arzneimittel; ICD-10-GM L27.-: Dermatitis durch oral, enteral oder parenteral aufgenommene Substanzen

Pathophysiologie und Mechanismen

Bei allergischen Reaktionen auf ein Arzneimittel (= Arzneimittelallergie) bzw. auf deren Additiva spielen die Allergien von Typ I, IIa, III und IV eine Rolle. Neben den allergischen Reaktionen können des Weiteren pseudoallergische Reaktionen (krankhafte Reaktion auf eine auf den Körper einwirkende Noxe (Schadstoff), die zwar einer Allergie gleicht, aber nicht auf einer Antigen-Antikörper-Reaktion beruht) auftreten. Dabei handelt es sich um eine direkte IgE-unabhängige Freisetzung von Histamin aus den Mastzellen bei beispielsweise Antibiotika, Muskelrelaxantien (Muskelentspannungsmitteln) und Opioiden.

Arzneimittelexantheme gehören zu den häufigsten Unverträglichkeitsreaktionen auf Arzneimittel. Bei unerwünschten Arzneimittelreaktionen ist in bis zu 80 % der Fälle die Haut betroffen.

Charakteristische Laborbefunde

  • Eosinophilie: Erhöhung der Eosinophilen im Blutbild, typisch bei allergischen Reaktionen.
  • Erhöhte Serum-Tryptase: Kann auf eine Mastzellaktivierung hinweisen, insbesondere bei anaphylaktischen Reaktionen.
  • Positiver Hauttest: Kann bei spezifischen Allergien gegenüber dem auslösenden Medikament positiv sein, jedoch nur bei IgE-vermittelten Reaktionen.
  • Serum-IgE: Erhöhte Werte bei IgE-vermittelten allergischen Reaktionen.

Formen des Arzneimittelexanthems 

  • Lokalisierte Form
    • Hautausschlag beschränkt sich auf eine oder mehrere Stellen des Körpers, oft symmetrisch. Kann als Urtikaria (Nesselsucht) oder festes Arzneimittelexanthem auftreten.
  • Generalisierte Form
    • Verbreitung des Hautausschlags über den gesamten Körper. In schweren Fällen können Erythrodermie (Rötung und Abschuppung der gesamten Haut), Stevens-Johnson-Syndrom oder toxische epidermale Nekrolyse (TEN) auftreten.
  • Weitere spezifische Formen
    • Feste Arzneimittelreaktion: Wiederkehrender Ausschlag an derselben Stelle bei erneuter Einnahme des Medikaments.
    • Exanthematische Arzneimittelreaktion: Häufigste Form, gekennzeichnet durch symmetrische, rötliche Flecken, die sich auf dem Körper ausbreiten können.
    • Akute generalisierte exanthematische Pustulose (AGEP): Schwerwiegende, pustulöse Hautreaktion mit Fieber, typischerweise ausgelöst durch Antibiotika.

Ursachen

  • Medikamente
    • Häufige Auslöser sind Antibiotika (z. B. Penicilline), NSAR (nicht-steroidale Antirheumatika), Antikonvulsiva (Krampfmittel), Sulfonamide und Allopurinol.
  • Pseudoallergische Reaktionen
    • Direkte Freisetzung von Histamin aus Mastzellen durch Medikamente wie Opioide, Muskelrelaxantien und bestimmte Antibiotika, ohne dass eine IgE-vermittelte Allergie vorliegt.
  • Immunologische Mechanismen
    • Reaktionen vom Typ I (Soforttyp), Typ IIa (zytotoxisch), Typ III (Immunkomplex-vermittelt) und Typ IV (Spättyp) können beteiligt sein.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Kein signifikantes Geschlechtergefälle; sowohl Männer als auch Frauen sind betroffen.

Häufigkeitsgipfel
: Betroffen sind vor allem Erwachsene, wobei ältere Menschen aufgrund der häufigeren Einnahme von Medikamenten ein höheres Risiko haben.

Prävalenz
(Krankheitshäufigkeit): Prävalenz in Notaufnahmen liegt bei etwa 1,4-3,0 % aller arzneimittelbedingten Unverträglichkeitsreaktionen. Bei stationären Patienten liegt die Prävalenz bei ca. 15-30 %.

Inzidenz
(Häufigkeit von Neuerkrankungen): Genaue Zahlen zur Inzidenz variieren, sie ist jedoch hoch, insbesondere bei Patienten mit Polypharmazie (Einnahme mehrerer Medikamente).

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Erstkontakt: Die Hauterscheinungen treten meist zwischen dem 7. und 12. Tag nach der ersten Einnahme des Medikaments auf. Typische Symptome sind Rötung, Juckreiz und Bläschenbildung.
  • Wiederholter Kontakt: Bei erneuter Einnahme des auslösenden Medikaments kann das Exanthem bereits innerhalb von 48 Stunden auftreten. Der Verlauf kann schwerer sein als beim Erstkontakt.
  • Abheilung: Nach Absetzen des Medikaments heilt das Exanthem in der Regel innerhalb weniger Tage (maximal eine Woche) ab. In schwereren Fällen, insbesondere bei generalisierten Formen, kann die Heilung bis zu 6 Wochen dauern.
  • Immunologische Reaktionen: Neben Hauterscheinungen können Sofortreaktionen (innerhalb von 1 bis 6 Stunden) mit Symptomen der Anaphylaxie (z. B. Atemnot, Kreislaufversagen) auftreten. Spätreaktionen (mehrere Stunden bis Tage nach Exposition) manifestieren sich häufig als Exantheme.

Prognose

  • Günstig bei rechtzeitigem Absetzen: In den meisten Fällen ist die Prognose gut, wenn das auslösende Medikament rechtzeitig abgesetzt wird. Die Haut heilt meistens vollständig ab.
  • Langfristige Überempfindlichkeit: In einigen Fällen kann die Sensibilisierung über Jahre bestehen bleiben. Bei IgE-vermittelten Reaktionen kann die Empfindlichkeit gegenüber dem Allergen nach etwa zehn Jahren nachlassen, was durch negative Hauttests bestätigt werden kann.
  • Komplikationen: In seltenen Fällen können schwerwiegende Reaktionen wie das Stevens-Johnson-Syndrom oder toxische epidermale Nekrolyse auftreten, die eine intensivmedizinische Behandlung erfordern und eine hohe Mortalität aufweisen.

Beachte: IgE-vermittelte Reaktionen können nach etwa zehn Jahren verschwinden, der Hauttest wird dann negativ. So hatten Patienten mit einer angeblichen Penicillinallergie in der Anamnese in der Allergiediagnostik nur in 1,7 % der Fälle eine Allergie [1].

Literatur

  1. Trubiano JA et al.: Penicillin Allergy Is Not Necessarily Forever. JAMA. 2017;318(1):82-83. doi:10.1001/jama.2017.6510

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Allergologische Diagnostik von Überempfindlichkeitsreaktionen auf Arzneimittel. (AWMF-Registernummer: 061-021), Dezember 2014 Langfassung
  2. Brockow K et al.: Guideline for the diagnosis of drug hypersensitivity reactions. S2K-Guideline of the German Society for Allergology and Clinical Immunology (DGAKI) and the German Dermatological Society (DDG) in collaboration with the Association of German Allergologists (AeDA), the German Society for Pediatric Allergology and Environmental Medicine (GPA), the German Contact Dermatitis Research Group, the Swiss Society for Allergy and Immunology (SGAI), the Austrian Society for Allergology and Immunology (ÖGAI), the German Academy of Allergology and Environmental Medicine (DAAU), the German Center for Documentation of Severe Skin Reactions and the German Federal Institute for Drugs and Medical Products (BfArM). Allergo J Int 2015;24:94-105
  3. Renz H: In-vitro-Allergiediagnostik. Rezensierte Publikation. JLM Band 39: Heft 4. Juli 2015 doi.org/10.1515/labmed-2015-0062
  4. S3-Leitlinie: Allergieprävention. (AWMF-Registernummer: 061-016), November 2022 Langfassung