Arzneimittelexanthem – Anamnese

Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik des Arzneimittelexanthems dar.

Familienanamnese

  • Gibt es in Ihrer Familie bekannte Allergien oder Unverträglichkeiten gegenüber Medikamenten?
  • Gibt es in Ihrer Familie Hauterkrankungen oder Autoimmunerkrankungen?

Sozialeanamnese

  • Beruf:
    • Welchen Beruf üben Sie aus?
    • Besteht Kontakt zu potenziell sensibilisierenden Stoffen?
  • Gibt es eine bestehende Exposition gegenüber Chemikalien, Duftstoffen oder anderen potenziellen Allergenen in Ihrer Umgebung?
  • Gibt es Hinweise auf berufliche oder private Belastungen, die das Immunsystem beeinflussen könnten?
  • Haben Sie in letzter Zeit eine erhebliche körperliche oder psychische Belastung erlebt?

Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)

  • Welche Hautveränderungen haben Sie bei sich festgestellt (Rötung, Juckreiz, Bläschen, Schwellungen, Schuppenbildung)?
  • Seit wann bestehen diese Veränderungen?
  • Sind die Hautveränderungen plötzlich oder schleichend aufgetreten?
  • Haben sich die Symptome nach Absetzen eines Medikaments gebessert?
  • Sind andere Organe betroffen (z. B. Schleimhäute, Atemwege)?
  • Gibt es begleitende Beschwerden wie Fieber, Gelenkschmerzen oder Unwohlsein?*
  • Gibt es andere mögliche auslösende Faktoren wie Nahrungsmittel, Nahrungsergänzungsmittel oder pflanzliche Präparate?
  • Sind bereits früher Hautreaktionen auf Medikamente oder andere Stoffe aufgetreten?
  • Bestehen Verdauungsprobleme oder Unverträglichkeiten?

Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese

  • Gab es in letzter Zeit eine ungewöhnliche Ernährungsumstellung?
  • Haben Sie kürzlich neue Kosmetikprodukte oder Pflegeprodukte verwendet?
  • Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen pro Tag?
  • Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welches Getränk bzw. welche Getränke und wie viele Gläser pro Tag?
  • Nehmen Sie Drogen? Wenn ja, welche Drogen und wie häufig pro Tag bzw. pro Woche?

Eigenanamnese

  • Haben Sie bekannte Vorerkrankungen (z. B. Autoimmunerkrankungen, chronische Hauterkrankungen, virale Infekte)?
  • Wurden Sie in der Vergangenheit bereits wegen Hautreaktionen behandelt?
  • Haben Sie wiederkehrende Infekte oder eine Immunsuppression?
  • Wurden in der Vergangenheit Operationen durchgeführt?
  • Wurden Röntgenkontrastmittel oder andere injizierbare Substanzen verwendet?
  • Haben Sie in letzter Zeit Impfungen erhalten?
  • Bestehen bekannte Allergien oder Unverträglichkeiten gegenüber Medikamenten?

Medikamentenanamnese

  • Nehmen Sie regelmäßig Medikamente ein? Wenn ja, welche und seit wann?
  • Haben Sie in letzter Zeit eine Antibiotikatherapie oder andere medikamentöse Behandlungen erhalten?
  • Wurde bei Ihnen in der Vergangenheit eine Medikamentenallergie diagnostiziert?

Nachfolgende Medikamente können zu einem Arzneimittelexanthem führen:

  • ACE-Hemmer4
  • Allopurinol
  • Analgetika
    • Nichtsaure Analgetika (Metamizol, Paracetamol)
    • Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) – Ibuprofen, Diclofenac, Naproxen, Salicylate (Acetylsalicylsäure, ASS)
    • Opioidrezeptorantagonist (Naltrexon)
    • Phenazonderivate6
    • Pyrazolone6
  • Antibiotika
    • Aminoglykoside1
    • Betalactam-Antibiotika1 (β-Lactam-Antibiotika) (ca. 50 % aller Arzneimittelunverträglichkeiten; ca. 07-8 % aller Patienten mit β-Lactam-Antibiotika reagieren allergisch)
      • Aminopenicilline (Amoxicillin)
      • Cephalosporine
    • Chinolone (Ciprofloxacin, Moxifloxacin)
    • Chloramphenicol3
    • Epoxid-Antibiotika (Fosfomycin-Trometamol)
    • Polypeptid-Antibiotikum (Bacitracin3)
    • Makrolidantibiotika/Makrolide (Erythromycin)
    • Neomycin3
    • Nitrofurane (Nitrofurantoin)
    • Penicilline3
    • Sulfonamide1, 3, 6 (Sulfamethoxazol)
    • Sulfone (Dapson)
    • Staphylokokkenpenicilline (Flucloxacillin)
    • Tetracycline4, 6
    • Trimethoprim
  • Antiepileptika (Carbamazepin)
  • Antihistaminika3
  • Antihypertonika
    • ACE-Hemmer (Enalapril)
    • Betablocker4
    • Methyldopa
  • Antimykotika
    • Allylamine (Terbinafin)
    • Griseofulvin
  • Antiprotozoika
    • Analogon des Azofarbstoffs Trypanblau (Suramin)
    • Pentamidin
  • Anthelminthika (Diethylcarbamazin, Mebendazol, Niclosamid)
  • Antitussiva
    • Opioide (Codein, Dihydrocodein, Hydrocodon)
    • nicht-opioide Antitussiva (Levodropropizin, Noscapin, Pentoxyverin)
  • Antihistaminika (Cimetidin)
  • Antipsychotika (Neuroleptika) – Chlorpromazin, Phenothiazin
  • Arsentrioxid
  • Chelatbildner
    • D-Penicillamin
    • Trieethylentetramin-Dihydrochlorid (Trien)
  • Chinidin4
  • Chloroquin4
  • Cinnarizin5
  • Diuretika (Furosemid, Hydrochlorothiazol, Thiazide4)
  • Folsäureantagonist (Methotrexat)
  • Fusionsinhibitoren (Enfuvirtid)
  • Gold4 (Goldsalze)
  • Heparin2
  • Hormone
    • Insuline2
    • Schilddrüsenmedikamente, nicht näher bezeichnet
  • Hydantoine1
  • Insektizide und Akarizide (Kontaktinsektizide)
    • Pyrethroide (Allethrin, Permethrin)
    • Pyrethrine (Pyrethrum)
  • Lithium4
  • Lokalanästhetika (Benzocain3, Lidocain3)
  • Perchlorate (Perchlorat)
  • Parasympatholytika (auch Anticholinergika genannt) – Atropin
  • Penicillamin5
  • Phytotherapeutika (Johanniskraut)
  • Röntgenkontrastmittel +  makulopapulöses Arzneimittelexanthem
  • Sedativa
    • Barbiturate1
    • Benzodiazepine
  • Tuberkulostatika (Isoniazid
  • Tyrosinkinaseinhibitoren (TKi) – Imatinab
  • Vasodilatatoren (Hydralazin1)
  • Virostatika
    • Nukleosidanaloga (Aciclovir, Cidofovir, Famciclovir, Foscarnet, Ganciclovir, Valaciclovir)
  • Zytokine2 (Interferon ß-1a, Interferon ß-1b, Glatirameracetat)
  • Zytostatika 
    • Alkylanzien (Adriamycin, Doxorubicin)
    • Platinderivate (Carboplatin)
    • Taxane (Paclitaxel)

1 Allergie vom Typ I (Soforttyp)
2 Allergie vom Typ III (Arthus-Phänomen)
3 Allergie vom Typ IV (Allergische Spättyp-Reaktion)/Allergische Kontaktdermatitis
4 Allergie vom Typ IV (Allergische Spättyp-Reaktion)/Lichen ruber artige oder psoriasiforme AME
5
Allergie vom Typ IV (Allergische Spättyp-Reaktion)/Blasenbildende AME
6 Fixes Arzneimittelexanthem

Die Liste der Medikamente stellt nur die häufigsten Auslöser dar. Ein Anspruch auf Vollständigkeit besteht nicht.

Penicillinallergie – ein Schnelltest (PEN-Fast)

PEN-Fast ist ein Akronym, das als Gedächtnisstütze dient:

Abkürzung Definition Punkte
PEN Patient berichtet über Penicillinallergie  0
F Allergische Reaktion auf Penicillin nicht länger als fünf Jahre her  2
A Anaphylaxie oder Angioödem  2
S Schwere allergische Hauptreaktion (z. B. Stevens Johnson Syndrom (SJS), toxisch epidermale Nekrolyse, Eosinophilie + systemische Symptome)
T Therapie der allergischen Reaktion erforderlich  1


Interpretation

  • PEN-FAST < 3: geringes Allergierisiko (negative Vorhersagewert (NPV) eines solchen Ergebnisses lag bei ca. 96 %) [1]

* Falls diese Frage mit "Ja" beantwortet worden ist, ist ein sofortiger Arztbesuch erforderlich! (Angaben ohne Gewähr)

Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.

Literatur

  1. Trubiano JA et al.: Development and Validation of a Penicillin Allergy Clinical Decision Rule. JAMA Intern Med. 2020;180(5):745-752. doi:10.1001/jamainternmed.2020.0403