Analekzem – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Das Analekzem ist eine entzündliche Hauterkrankung, die durch verschiedene endogene (innerliche) und exogene (äußerliche) Faktoren verursacht wird. Es können mehrere Pathomechanismen beteiligt sein, die zu den unterschiedlichen klinischen Erscheinungsbildern führen.
Anatomische und physiologische Prädispositionen
- Die Analregion ist durch die Anatomie und Physiologie der Pofalte besonders anfällig für Hautirritationen:
- Haut-auf-Haut-Kontakt durch die anliegenden Pobacken führt zu einer Reibung der Haut.
- Das in der Analregion herrschende feuchte Mikroklima wird durch Schweißbildung (ekkrine und apokrine Schweißdrüsen) und das Absondern von Feuchtigkeit und Sekreten weiter verstärkt.
- Ekkrine Schweißdrüsen (reguläre Schweißdrüsen) sind in großer Zahl vorhanden und verteilen sich annähernd überall in der Haut, während apokrine Schweißdrüsen (Duftdrüsen) sich vor allem im Genital- und Analbereich befinden.
- Die Anatomie der Analspalte bedingt daher eine gestörte Hautbarriere mit Tendenz zur Mazeration (Aufweichen der Haut), was entzündlichen Prozessen den Weg ebnet.
Primär Irritativ-toxisches Analekzem
- Diese Form des Analekzems ist die häufigste und entsteht durch externe irritative Noxen wie Stuhlbestandteile, Urin, Ammoniak und Schweiß.
- Pathomechanismus:
- Die Schädigung der Barrierefunktion der Epidermis durch externe Irritanzien (Reizstoffe) führt zu entzündlichen Reaktionen der Haut.
- Vor allem ammoniakalisch-fäkulente Feuchtigkeitsabsonderungen greifen die Haut an und führen zu einem Entzündungskomplex mit Hautrötung, Schuppung und nässenden Stellen [1-5].
- Risikofaktoren:
- Inkontinenz: Eine Minderung der sensorischen Feinkontinenz oder der muskulären Grobkontinenz (degenerativ oder traumatisch bedingt) führt zur Exposition der Haut mit irritativen Substanzen.
- Stuhlkonsistenzveränderungen: Erhöhte Stuhlfrequenz und Diarrhoe (Durchfall) verstärken die Reizung der Analhaut durch den vermehrten Kontakt mit breiigem oder flüssigem Stuhl [2, 6].
- Feuchtes Milieu: Feuchte Wundauflagen, Schweißansammlung und mangelnde Belüftung der Analregion begünstigen die Entstehung des irritativen Analekzems.
Allergisches Kontaktekzem
- Eine Typ-IV-Reaktion (verzögerte Hypersensitivität) führt zu einem kontaktallergischen Analekzem:
- Ausgelöst durch Sensibilisierung gegenüber bestimmten externen Substanzen wie Pflegeprodukten, Seifen, Toilettenpapier oder Medikamenten.
- Nach erneutem Kontakt mit dem Allergen kommt es innerhalb von 24-72 Stunden zur Ekzemreaktion durch T-Zell-vermittelte Immunmechanismen (allergische Spättyp-Reaktion).
- Pathomechanismus:
- Die Kontaktallergie entwickelt sich in zwei Phasen:
- Sensibilisierungsphase: Initialer Kontakt mit dem Allergen führt zur Sensibilisierung der Haut-T-Zellen.
- Effektorphase: Ein erneuter Kontakt aktiviert die T-Zell-vermittelte Entzündung, die als Ekzemreaktion in Erscheinung tritt.
- Die Kontaktallergie entwickelt sich in zwei Phasen:
Atopisches Analekzem
- Die genetisch determinierte Überempfindlichkeit der Haut führt zu einem atopischen Ekzem (Typ-I-Allergie).
- Pathomechanismus:
- Das Immunsystem reagiert hypererg auf bestimmte Umweltstoffe, z. B. Hausstaubmilben, Pollen oder Tierhaare.
- Es kommt zur verstärkten IgE-Bildung (Immunglobulin E) und zur Freisetzung von Entzündungsmediatoren, was zur entzündlichen Veränderung der Haut führt.
- Besondere Lokalisationen:
- Das atopische Analekzem tritt häufig auch extraanal auf, z. B. an den Kniekehlen oder Ellenbeugen.
Sekundärinfektion
- Aufgrund der geschädigten Hautbarriere besteht eine erhöhte Anfälligkeit für sekundäre Infektionen.
- Häufige Erreger sind Bakterien (z. B. Staphylococcus aureus) und Pilze (z. B. Candida albicans).
Zusammenfassung
Das Analekzem ist eine multifaktorielle entzündliche Hauterkrankung, die durch irritative, allergische und atopische Mechanismen bedingt sein kann. Anatomische Gegebenheiten, externe Irritationen, Sensibilisierungen gegenüber Allergenen sowie eine gestörte Hautbarriere führen zu den typischen entzündlichen Veränderungen und Symptomen in der Analregion. Eine chronische Entzündung begünstigt das Entstehen eines Circulus vitiosus aus Schädigung der Haut, Entzündung und weiterer Irritation.
Ätiologie (Ursachen)
Irritativ-toxisches Analekzem
Verhaltensbedingte Ursachen
- Mangelnde bzw. übertriebene Analhygiene [7]
- Mechanische Reize (zu viel Druck bei der Reinigung der Analregion oder sehr raues Toilettenpapier)
- Chemische Reizung durch Detergenzien (waschaktive Substanzen aus chemisch hergestellten Rohstoffen), Kosmetika, Gleitmittel
- Feuchtes Toilettenpapier
- Sexuelle Gewohnheiten (Analverkehr/Analsex)
Krankheitsbedingte Ursachen
Haut (L00-L99)
- Acne inversa (auch Akne inversa geschrieben; Synonyme: Aknetetrade; Erkrankung geht von den Talgdrüsen und den Terminalhaarfollikeln aus)
- Anodermale (die Analhaut betreffende) Narben
Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)
- Analfistel
- Analprolaps der distalen Rektummukosa (Vorfall der Mastdarmschleimhaut)
- Hämorrhoiden
Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)
- Intraanale bzw. rektale Tumoren
- Perianaltumoren
Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)
- Hyperhidrosis (übermäßiges Schwitzen)
Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)
- Kleinere Wunden
Kontaktallergisches Analekzem
Medikamente
- Inhaltsstoffe topischer (örtllich angewendeter) Therapeutika, z. B. Hämorrhoidenmittel – Lokalanästhetika [8-11]
Weiteres
- Feuchtes [8-11], recyceltes oder gefärbtes Toilettenpapier ist allergener als weißes
- Inhaltsstoffe von Hautpflegemitteln, Intimsprays – Duftstoffe, Konservierungsmittel [8-11]
Literatur
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- Kugler K, Brinkmeier T, Frosch PJ, Uter W: Anogenital dermatoses – allergic and irritative causative factors. Analysis of IVDK data and review of the literature. J Dtsch Dermatol Ges. 2005 Dec; 3 (12): 979-86. doi: 10.1111/j.1610-0387.2005.05763.x.
Leitlinien
- S1-Leitlinie: Diagnostik und Therapie des Analekzems. (AWMF-Registernummer: 113-007), 02.09.2019 Langfassung