Altersjuckreiz (Pruritus senilis) – Einleitung

Beim Pruritus senilis – umgangssprachlich Altersjuckreiz genannt – handelt es sich um einen Juckreiz beim älteren Menschen, der häufig aufgrund einer verminderten Talgabsonderung der Haut (Sebostase) auftritt.

Synonyme und ICD-10: Hautjucken im Alter; ICD-10-GM L29.9: Pruritus, nicht näher bezeichnet; ICD-10-GM L29.8 – Sonstiger Pruritus

Der Pruritus senilis kann lokal oder generalisiert auftreten; er kann frei oder begleitet von sichtbaren Hautveränderungen auftreten. Er löst in der Regel einen Kratzeffekt aus.

Formen des Pruritus senilis

Nach dem Hautbefund unterscheidet man:

  • Pruritus sine materia – Juckreiz ohne sichtbare Hautveränderungen (Hautrötungen, Blasen, Pusteln), der auf eine endogene Erkrankung (internistische, neurologische oder psychiatrische Erkrankungen) hinweisen kann 
  • Pruritus cum materia – Juckreiz mit sichtbaren Hautveränderungen; Begleiterscheinung von Dermatosen (Hauterkrankungen) 
  • Pruritus bei chronischen Kratzläsionen – Juckreiz auf dem Boden dermatologischer oder nicht dermatologischer Erkrankungen

Differentialdiagnosen

Die wichtigsten Differentialdiagnosen des Pruritus senilis umfassen:

  • Chronische Niereninsuffizienz: Urämie-bedingter Juckreiz (urämischer Pruritus), der bei fortgeschrittener Nierenerkrankung häufig vorkommt.
  • Lebererkrankungen: Juckreiz kann bei cholestatischen Erkrankungen (Erkrankungen, die mit Gallestau einhergehen; z. B. primär biliäre Zirrhose, primär sklerosierende Cholangitis) auftreten.
  • Diabetes mellitus: Neuropathischer Pruritus, häufig in Verbindung mit diabetischen Hautveränderungen.
  • Maligne Erkrankungen: Pruritus kann ein paraneoplastisches Symptom bei Lymphomen (insbesondere Hodgkin-Lymphom) oder anderen Krebserkrankungen sein.
  • Dermatologische Erkrankungen: Ekzeme, Neurodermitis (atopisches Ekzem), Psoriasis (Schuppenflechte) und andere dermatologische Bedingungen, die Juckreiz verursachen können.
  • Medikamenteninduzierter Pruritus: Nebenwirkungen von Arzneimitteln, einschließlich opioider Analgetika (Schmerzmittel), ACE-Hemmer und Antimalariamittel.
  • Psychogener Pruritus: Juckreiz ohne organische Ursache, oft im Zusammenhang mit psychischen Störungen wie Depressionen oder Angststörungen.
  • Hypothyreose: Kann trockene Haut und Juckreiz verursachen.

Ein Pruritus kann Symptom vieler Erkrankungen sein (siehe unter "Differentialdiagnosen").

Epidemiologie

Saisonale Häufung: Die häufigste Ursache eines generalisierten Pruritus senilis ist die Austrocknung der Haut, besonders ausgeprägt in den Wintermonaten (Pruritus hiemalis, auch Winterjucken genannt).

Geschlechterverhältnis: Beim erstmaligen Auftreten des chronischen Pruritus sind Männer älter als Frauen.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit)

  • Bei unter 30-Jährigen: 12,3 %
  • Bei 60- bis 70-Jährigen: 20,3 % (in Deutschland) [1]
  • Ca. ein Drittel der 80-Jährigen klagt über Pruritus senilis [2]

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): Der chronische Pruritus liegt bei 7 %.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Chronischer Verlauf: Pruritus senilis tritt im Regelfall chronisch auf und kann im Extremfall so stark ausgeprägt sein, dass die Lebensqualität deutlich gemindert wird. Die Intensität des Juckreizes kann variieren und führt häufig zu erheblichen Kratzläsionen. Diese Kratzläsionen können sekundär infiziert werden und weiter zur Verschlechterung des Hautzustandes beitragen.
  • Lebensqualität: Der Juckreiz kann besonders nachts oder in Ruhephasen intensiv werden, was zu Schlafstörungen und erheblichem Stress führen kann. Dies beeinträchtigt die allgemeine Lebensqualität und kann auch psychische Belastungen wie Angstzustände oder Depressionen zur Folge haben.

Prognose

  • Abhängig von der Behandlung: Die Prognose des Pruritus senilis hängt stark von der Behandlung und der zugrunde liegenden Ursache ab. Eine adäquate Hautpflege, einschließlich der regelmäßigen Anwendung feuchtigkeitsspendender und rückfettender Pflegeprodukte, kann die Symptome erheblich lindern.
  • Behandlung zugrunde liegender Erkrankungen: Die Behandlung eventuell zugrunde liegender internistischer, neurologischer oder psychiatrischer Erkrankungen ist entscheidend für die Linderung des Juckreizes. Dies kann den Einsatz von Antihistaminika, topischen Steroiden oder spezifischen systemischen Therapien umfassen.
  • Unbehandelte Fälle: Unbehandelt kann der chronische Juckreiz zu sekundären Hautinfektionen führen, da die Kratzläsionen Eintrittspforten für Bakterien darstellen. Zudem kann der ständige Juckreiz psychische Belastungen verursachen, die die Lebensqualität weiter einschränken.
  • Langfristige Perspektive: Mit konsequenter Pflege und Behandlung kann der Pruritus senilis gut kontrolliert werden, auch wenn er nicht immer vollständig heilbar ist. Eine multidisziplinäre Herangehensweise, die Dermatologen, Internisten und ggf. Psychiater einbezieht, kann dazu beitragen, die besten Ergebnisse für die Patienten zu erzielen.

Literatur

  1. Ständer S, Schäfer I, Phan NQ et al.: Prevalence of chronic pruritus in Germany: results of a cross-sectional study in a sample working population of 11,730. Dermatology (Basel) 2010;221(3):229-35. doi: 10.1159/000319862. Epub 2010 Oct 1
  2. Beauregard S, Gilchrest BA: A survey of skin problems and skin care regimens in the elderly. Arch Dermatol 1987; 123: 1638-43

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Diagnostik und Therapie des chronischen Pruritus. (AWMF-Registernummer: 013-048), März 2022 Langfassung