Rachenmandelvergrößerung (adenoide Hyperplasie) – Operative Therapie
Die adenoide Hyperplasie (Vergrößerung der Rachenmandeln) beschreibt eine Vergrößerung der Rachenmandeln (Adenoide), die zu einer Behinderung der Nasenatmung (Atmung durch die Nase) und verschiedenen Begleitsymptomen führen kann. Die Therapieoptionen umfassen zwei Strategien:
- Beobachtendes Abwarten („watchful waiting“) – Indiziert bei milden Beschwerden und fehlenden Komplikationen, insbesondere im Kleinkindalter (frühe Kindheit), da eine spontane Rückbildung der Hyperplasie (Gewebevergrößerung) möglich ist.
- Adenotomie (operative Entfernung der Rachenmandeln) – Indiziert bei ausgeprägter Symptomatik, rezidivierenden Infekten und frustranen konservativen Therapieversuchen. Bei gleichzeitiger Seromukotympanie (Ansammlung von Schleim im Mittelohr) kann eine Parazentese (Einschnitt ins Trommelfell) und/oder die Einlage eines Paukenröhrchens (kleines Belüftungsröhrchen im Trommelfell) erforderlich sein [1].
Nachfolgend werden die Indikationen für eine Adenotomie (operative Entfernung der Rachenmandeln) aufgeführt.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Wiederkehrende eitrige Rhinorrhö (immer wiederkehrender eitriger Nasenausfluss) – ≥ 4 Episoden innerhalb von 12 Monaten bei Kindern < 12 Jahren.
- Bestehende Symptome einer Adenoiditis (Entzündung der Rachenmandeln) nach zwei antibiotischen Behandlungen.
- Facies adenoidea (typischer Gesichtsausdruck bei vergrößerten Rachenmandeln) – Typischer Gesichtsausdruck mit offenem Mund, Mundatmung, Zunge zwischen den Zähnen.
- Hyponasalität (dumpfe, näselnde Sprache) – geschlossenes Näseln (behinderte Nasenatmung).
- Paukenerguss (Flüssigkeitsansammlung im Mittelohr) seit über drei Monaten oder bei bereits bestehender Paukendrainage (Belüftungsröhrchen im Mittelohr).
- Chronisch behinderte Nasenatmung (langfristig erschwerte Atmung durch die Nase) durch Hyperplasie der Rachenmandeln (vergrößerte Rachenmandeln).
- Chronisch-rezidivierende Rachenmandelentzündungen (immer wiederkehrende Entzündungen der Rachenmandeln).
- Chronische oder rezidivierende Otitis media (Mittelohrentzündung) – insbesondere bei Kindern ≥ 4 Jahre oder mit begleitendem Paukenerguss (Flüssigkeitsansammlung im Mittelohr).
- Chronische Bronchitis (lang anhaltende Entzündung der Bronchien) bei Hyperplasie der Rachenmandeln (vergrößerten Rachenmandeln).
- Chronische Rhinitis oder Sinusitis (anhaltende oder wiederkehrende Nasenschleimhautentzündung oder Nasennebenhöhlenentzündung).
- Schlafbezogene Atemstörungen (SBAS), insbesondere obstruktive Schlafapnoe (OSA) (Atemaussetzer während des Schlafs) – nachweisbare Atemaussetzer mit einer Mindestdauer der Nasenatmungsbehinderung (erschwerte Atmung durch die Nase) von drei Monaten.
- Chronische Mastoidbelüftungsstörung (Belüftungsstörung des Warzenfortsatzes) – Akute und/oder chronische Mastoiditis (Entzündung des Warzenfortsatzes) oder rezidivierende Mittelohrentzündungen (immer wiederkehrende Entzündungen des Mittelohrs).
Operationsverfahren
Die Adenotomie (AT) (operative Entfernung der Rachenmandeln) ist das standardisierte operative Verfahren zur Entfernung hyperplastischer Rachenmandeln (vergrößerter Rachenmandeln). Sie wird in der Regel in Vollnarkose (tiefer Schlafzustand während der Operation) durchgeführt und erfolgt über einen transoralen Zugang (Zugang über den Mund).
1. Präoperative Vorbereitung
- Anamnese und klinische Untersuchung (Erhebung der Krankengeschichte und körperliche Untersuchung) – Erfassung der Symptomatik (Beschwerden), insbesondere Nasenatmungsbehinderung (erschwerte Atmung durch die Nase), rezidivierende Infekte (immer wiederkehrende Infektionen), obstruktive Schlafapnoe (Atemaussetzer während des Schlafs).
- Endoskopische Diagnostik (Spiegelung der Nase und des Rachens) – Rhinoskopie oder Nasopharyngoskopie (Untersuchung der Nase und des Nasenrachens) zur Beurteilung der Rachenmandeln (Adenoide) und möglicher Begleitpathologien.
- Audiologische Untersuchungen (Hörtests) – Bei Verdacht auf Paukenerguss (Flüssigkeitsansammlung im Mittelohr) oder Mittelohrbeteiligung (Erkrankung des Mittelohrs), z. B. Tympanometrie (Messung des Mittelohrdrucks).
- Labordiagnostik (Blutuntersuchungen) – Routinemäßige präoperative Blutuntersuchungen (Blutbild, Gerinnungsparameter, CRP [Entzündungswert] bei Infektverdacht [Verdacht auf Infektion]).
- Anästhesiologische Abklärung (Voruntersuchung zur Narkose) – Evaluation der Narkosefähigkeit (Eignung für eine Narkose), ggf. Anpassung der Medikation bei Risikopatienten (Patienten mit erhöhtem Risiko).
2. Operativer Ablauf
a) Lagerung und Anästhesie:
- Der Patient (Betroffener) wird in Rückenlage mit leicht überstrecktem Kopf (sog. „Schnüffelstellung“) gelagert.
- Die Operation erfolgt unter Vollnarkose (tiefer Schlaf während des Eingriffs) mit oraler Intubation (Einführen eines Beatmungsschlauchs über den Mund), um eine sichere Atemwegskontrolle zu gewährleisten.
b) Zugang und Exzision der Adenoide:
- Einbringen eines Mundsperrers (Gerät zum Offenhalten des Mundes) zur besseren Sicht auf den Epipharynx (Nasopharynx, oberster Rachenraum).
- Spiegelkontrolle oder Verwendung eines flexiblen Endoskops (Beurteilung mit einem Spiegel oder einer Kamera) zur Beurteilung der Adenoidgröße (Größe der vergrößerten Rachenmandeln).
- Adenotomie mittels Kürette oder Shaver (Mikrodebrider-Technik):
- Die klassische Methode erfolgt mit einer ringförmigen Adenotom-Kürette (chirurgisches Instrument zur Entfernung der Adenoide).
- Alternativ kann die Mikrodebrider-Technik (Shaver-Technik) (schonende Abtragung mit rotierendem Messer) genutzt werden, die eine präzisere Abtragung mit geringerer Blutungsneigung ermöglicht.
- Elektrokauterisation oder bipolare Koagulation (Verödung von Blutgefäßen) – Zur Blutstillung (Stoppen der Blutung) nach der Entfernung.
3. Postoperative Versorgung und Nachsorge
- Überwachung in der Aufwachphase (Beobachtung nach der Narkose) – Kontrolle von Atmung, Kreislauf und Blutung.
- Schmerztherapie (Behandlung von Schmerzen) – Gabe von Paracetamol oder Ibuprofen (Schmerzmittel), keine Acetylsalicylsäure (ASS) (Aspirin) wegen Blutungsrisiko.
- Postoperative Nachkontrolle nach 7–10 Tagen (ärztliche Kontrolle eine Woche nach OP) – Inspektion des Rachenraums (Untersuchung des Rachens), ggf. Kontrolle der Paukenröhrchen (Belüftungsröhrchen im Trommelfell).
Die Adenotomie hat eine hohe Erfolgsrate mit einer signifikanten Verbesserung der Nasenatmung und einer Reduktion rezidivierender Infektionen. In etwa 10 % der Fälle kann es jedoch zu einer Rezidivbildung der Adenoide (erneute Vergrößerung der Rachenmandeln) kommen, insbesondere bei sehr jungen Patienten (< 3 Jahre).
Vergleich der Operationsmethoden für die Adenotomie
Methode | Technik | Vorteile | Nachteile |
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Küretten-Technik (klassische Adenotomie) | Manuelle Entfernung der Adenoide mit einer ringförmigen Adenotom-Kürette |
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Mikrodebrider-Technik (Shaver-Technik) | Präzise Abtragung mit rotierendem Mikrodebrider (Shaver) |
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Elektrokauterisation | Entfernung der Adenoide durch Hochfrequenzstrom |
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Radiofrequenzablation (Koblations-Technik) | Entfernung mittels kalter Plasmalichttechnik |
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Laser-Adenotomie | Verdampfung der Adenoide durch einen Laser |
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Leitlinien
- S2k-Leitlinie: Adenoide Vegetationen. (AWMF-Registernummer:017 - 021). November 2022 Langfassung