Mandelentzündung (Tonsillitis) – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Bei der Tonsillitis handelt es sich um eine Entzündung der Gaumenmandeln (Tonsilla palatina). Auch die Rachenmandeln (Tonsilla pharyngealis) und die Zungenmandel (Tonsilla lingualis) des lymphatischen Rachenrings (Waldeyerscher Rachenring) können betroffen sein. Virale Tonsillitiden führen typischerweise zu einer lymphozytären Entzündungsreaktion, während bakterielle Tonsillitiden eine granulozytäre Inflammation (Entzündung durch Granulozyten/weiße Blutkörperchen) bedingen.
Die akute Tonsillitis wird überwiegend durch virale Erreger (70-95 % der Fälle) und seltener durch bakterielle Erreger ausgelöst.
Eine akute Tonsillitis bzw. Pharyngotonsillitis wird durch folgende Viren ausgelöst [1]:
Virale Tonsillitiden
Doppelstrang-DNA-Viren
- Humane Adenoviren
- Epstein-Barr-Virus (HHV-4)
Einzelstrang-DNA-Viren
- Humanes Bocavirus
Einzelstrang-RNA-Viren
- Influenza- und Parainfluenzaviren
- Rhinoviren
- Enteroviren; einschließlich Coxsackie-Viren (s. u. Herpangina Zahorsky)
- Coronaviren
- Respiratory Syncytial Virus (RSV), humanes Metapneumovirus
Retroviren
- Humane Immundefizienz-Viren (HIV; akute HIV-Erkrankung mit generalisierter Lymphadenopathie und Tonsillitis)
Coxsackie-A-Viren, die zu den Enteroviren gezählt werden, lösen ein als "Herpangina Zahorsky" bekanntes Krankheitsbild aus, das mit einer akuten bakteriellen Tonsillitis verwechselt werden kann.
Bakterielle Tonsillitiden
Eine akute bakterielle Tonsillitis wird durch folgende Bakterien ausgelöst [1]:
- GABHS (= Gruppe A Beta-hämolytische Streptokokken):
- Streptococcus pyogenes (ß-hämolysierende Streptokokken der Lancefield-Gruppe A)
- 15-30 % der akuten Tonsillitiden im Kindesalter, 5-10 % im Erwachsenenalter
- Weitere Erreger
- Streptokokken der Gruppen C und G
- Haemophilus influenzae
- Nokardien
- Corynebakterien
- Neisseria gonorrhoeae
Die bakterielle Symbiose aus Fusobacterium nucleatum und Borrelia vincentii verursacht ein als Angina Plaut-Vincentii bekanntes Krankheitsbild, dessen Charakteristikum eine meist einseitige, ulzeröse Tonsillitis (Tonsillitis, die mit Geschwüren einhergeht) mit einem ausgeprägten fauligen Foetor ex ore (Mundgeruch) darstellt [1].
Rezidivierende Tonsillitis
Eine rezidivierende (wiederkehrende) akute Tonsillitis entsteht häufig durch Mischinfektionen mit aeroben und anaeroben Erregern, häufig in Kombination mit betahämolysierenden Streptokokken der Gruppe A. Diese Form verläuft oft mit geringer Entzündungsreaktion.
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
- Lebensalter – Kinder sind häufiger betroffen, da sie sich leichter anstecken können, z. B. in Schule und Kindergarten
Verhaltensbedingte Ursachen
- Ernährung
- Fehl- und Mangelernährung – schwächt das Immunsystem
- Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – siehe Prävention mit Mikronährstoffen
- Genussmittelkonsum
- Tabak (Rauchen) – begünstigt Infekte der oberen Atemwege
- Psycho-soziale Situation
- Stress (wg. Schwächung des Immunsystems)
- Mangelnde Hygiene – einfaches Händewaschen mit Seife kann bereits dazu beitragen, die Infektionsrate zu senken
Krankheitsbedingte Ursachen
- Immundefekte
- Lokale Immunschwäche – in den Keimzentren der Tonsillen befinden sich weniger T-Helferzellen und weniger B-Zellen; Immunantwort auf SpeA (pyrogenes Streptokokken-Exotoxin) war bei den Kindern mit rezidivierenden Tonsillitiden geschwächt (→ rezidivierende Tonsillitiden) [2]
Medikamente
- Zytostatika (Substanzen, die das Zellwachstum bzw. die Zellteilung hemmen)
Röntgenstrahlen
- Radiatio (Strahlentherapie)
Weitere Ursachen
- Operationen
Literatur
- S2k-Leitlinie: Entzündliche Erkrankungen der Gaumenmandeln / Tonsillitis, Therapie. (AWMF-Register Nr. 017 - 024), August 2015. Langfassung
- Dan JM et al.: Recurrent group A Streptococcus tonsillitis is an immunosusceptibility disease involving antibody deficiency and aberrant TFH cells. Science Translational Medicine 06 Feb 2019: Vol. 11, Issue 478, eaau3776 doi: 10.1126/scitranslmed.aau3776
Leitlinien
- S2k-Leitlinie: Entzündliche Erkrankungen der Gaumenmandeln / Tonsillitis, Therapie. (AWMF-Register Nr. 017 - 024), August 2015. Langfassung