Knochentumoren – Einleitung

Unter Knochentumoren versteht man sowohl benigne (gutartige) als auch maligne (bösartige) Neoplasien (Neubildungen) des Knochens.

Synonyme und ICD-10: Knochenkrebs; Skeletttumoren; gutartiger Knochentumor; primärer Knochentumor; sekundärer Knochentumor; benignes fibröses Histiozytom; Chondroblastom; Codman-Tumor; desmoplastisches Knochenfibrom; Enchondrom; fibröse Knochendysplasie; Jaffe-Lichtenstein; Knochenhämangiom; nichtossifizierendes Fibrom; NOF; ossifizierendes Knochenfibrom; Osteofibrom; Osteoblastom; Osteochondrom; kartilaginöse Exostose; Osteoidosteom; Osteoklastom; Riesenzelltumor; Osteom; Chondrosarkom; Ewing-Sarkom; malignes fibröses Histiozytom (MFH); ossäres Fibrosarkom; Osteosarkom; Plasmozytom; medulläres Plasmozytom; multiples Myelom; Morbus Kahler; ICD-10-GM D16.9: Gutartige Neubildung des Knochens und des Gelenkknorpels; ICD-10-GM C41.-: Bösartige Neubildung des Knochens und des Gelenkknorpels sonstiger und nicht näher bezeichneter Lokalisationen.

Formen der Knochentumoren

Knochentumoren können sich aus allen Geweben entwickeln, aus denen ein Knochen besteht, das heißt aus Osteozyten (Knochenzellen) und Chondrozyten (Knorpelzellen) bzw. deren Vorläufern Osteoblasten und Chondroblasten, aus Zellen des Knochenmarks und des Bindegewebes und aus Gefäßen und Nerven.

Knochentumoren lassen sich in primäre und sekundäre Tumoren einteilen. Typisch für primäre Tumoren ist ihr jeweiliger Verlauf und dass sie sich einem bestimmten Altersbereich (siehe "Häufigkeitsgipfel") sowie einer charakteristischen Lokalisation (siehe unter "Symptome – Beschwerden") zuordnen lassen. Sie entstehen gehäuft an den Orten des intensivsten Längenwachstums (metaepiphysärer/gelenknaher Bereich). Das erklärt, warum Knochentumoren vermehrt in der Pubertät auftreten. Sie wachsen infiltrativ (eindringend/verdrängend) und überschreiten dabei anatomische Grenzschichten. Sekundäre Knochentumoren wachsen ebenfalls infiltrativ, aber in der Regel nicht grenzüberschreitend.
Sekundäre maligne Tumoren sind Metastasen anderer Tumoren (Primärtumoren) wie zum Beispiel Bronchial (Lungen)-, Mamma (Brust)-, Prostata- und Schilddrüsenkarzinom und kommen häufiger vor als primäre Knochentumoren.

Üblicherweise werden Knochentumoren nach ihrer Dignität (biologisches Verhalten von Tumoren; also ob sie benigne (gutartig) oder maligne (bösartig) sind) eingeteilt. 

Benigne (gutartige) Knochentumoren kommen häufiger vor als maligne (bösartige). Die Endungen der Bezeichnungen der Knochentumoren lassen bereits erkennen, ob es sich um einen benignen oder malignen Tumor handelt. Dabei stehen -om bzw. -chondrom, -osteom und -blastom für benigne Neubildungen, während maligne Knochentumoren auf -sarkom enden. Des Weiteren gibt es semimaligne Knochentumoren. Diese verhalten sich für lange Zeit benigne, können aber ein malignes Verhalten annehmen oder lokal aggressiv und infiltrativ wachsen.

  • Benigne (gutartige) Knochentumoren
    • Benignes fibröses Histiozytom – ICD-10-GM D21.9: Sonstige gutartige Neubildungen des Bindegewebes und anderer Weichteilgewebe, nicht näher bezeichnet
    • Chondroblastom (Codman-Tumor) – ICD-10-GM D16.9: Gutartige Neubildung des Knochens und des Gelenkknorpels, nicht näher bezeichnet
    • Desmoplastisches Knochenfibrom – ICD-10-GM D21.9: Sonstige gutartige Neubildungen des Bindegewebes und anderer Weichteilgewebe, nicht näher bezeichnet
    • Enchondrom – ICD-10-GM D16.9: Gutartige Neubildung des Knochens und des Gelenkknorpels, nicht näher bezeichnet
    • Fibröse Knochendysplasie (Jaffe-Lichtenstein) – ICD-10-GM M85.0: Sonstige Veränderungen der Knochendichte und -struktur: Fibröse Dysplasie (monostotisch)
    • Knochenhämangiom – ICD-10-GM D18.00: Hämangiom, nicht näher bezeichnete Lokalisation
    • Nichtossifizierendes Fibrom (NOF; "tumor-like lesions"; tumorähnliche Raumforderung) – ICD-10-GM D16.9: Gutartige Neubildung des Knochens und des Gelenkknorpels, nicht näher bezeichnet
    • Ossifizierendes Knochenfibrom (Synonym: Osteofibrom) (semimaligne) – ICD-10-GM D16.9: Gutartige Neubildung des Knochens und des Gelenkknorpels, nicht näher bezeichnet
    • Osteoblastom (Synonym: Riesenosteoidosteom) – ICD-10-GM D16.9: Gutartige Neubildung des Knochens und des Gelenkknorpels, nicht näher bezeichnet
    • Osteochondrom (Synonyme: kartilaginäre Exostose; Ekchondrom) – ICD-10-GM D16.9: Gutartige Neubildung des Knochens und des Gelenkknorpels, nicht näher bezeichnet
    • Osteoidosteom – ICD-10-GM D16.9: Gutartige Neubildung des Knochens und des Gelenkknorpels, nicht näher bezeichnet
    • Osteom – ICD-10-GM D16.-: Gutartige Neubildung des Knochens und des Gelenkknorpels
    • Riesenzelltumor (Osteoklastom) (benigne) – ICD-10-GM D48.0: Neubildung unsicheren oder unbekannten Verhaltens an sonstigen und nicht näher bezeichneten Lokalisationen: Knochen und Gelenkknorpel
  • Maligne (bösartige) Knochentumoren
    • Chondrosarkom (primär, sekundär) – ICD-10-GM C41.9: Bösartige Neubildung des Knochens und des Gelenkknorpels, nicht näher bezeichnet
    • Ewing-Sarkom – ICD-10-GM C41.9: Bösartige Neubildung des Knochens und des Gelenkknorpels, nicht näher bezeichnet
    • Malignes fibröses Histiozytom (MFH) – ICD-10-GM C49.9: Bösartige Neubildung sonstigen Bindegewebes und anderer Weichteilgewebe, nicht näher bezeichnet
    • Ossäres Fibrosarkom – ICD-10-GM C49.9: Bösartige Neubildung sonstigen Bindegewebes und anderer Weichteilgewebe, nicht näher bezeichnet
    • Osteosarkom – ICD-10-GM C41.9: Bösartige Neubildung des Knochens und des Gelenkknorpels, nicht näher bezeichnet
    • Plasmozytom (Synonyme: Medulläres Plasmozytom; Multiples Myeolom, Morbus Kahler) – ICD-10-GM C90.0: Bösartige Neubildung des Knochens und des Gelenkknorpels, nicht näher bezeichnet

Epidemiologie

Knochentumoren sind seltene Tumorerkrankungen, gehören bei Kindern und Jugendlichen aber zu den häufigsten Tumorerkrankungen.

Geschlechterverhältnis

  • Chondroblastom: Jungen/Männer sind mehr als doppelt so häufig betroffen wie Mädchen/Frauen.
  • Chondrosarkom: Männer sind häufiger betroffen als Frauen.
  • Enchondrom: Männliche Jugendliche/Männer und weibliche Jugendliche/Frauen sind gleichermaßen betroffen.
  • Ewing-Sarkom: Jungen/Männer zu Mädchen/Frauen beträgt 1,2-1,5 : 1.
  • Hämangiom: Männer zu Frauen beträgt 2 : 1.
  • Malignes fibröses Histiozytom (MFH): Männer sind in etwa doppelt so häufig betroffen wie Frauen.
  • Nichtossifizierendes Fibrom (NOF): Jungen/Männer zu Mädchen/Frauen beträgt 2 : 1.
  • Osteoblastom: Jungen/Männer zu Mädchen/Frauen beträgt 2 : 1.
  • Osteochondrom: Jungen/Männer zu Mädchen/Frauen beträgt 1,8 : 1.
  • Osteoidosteom: Jungen/Männer sind häufiger betroffen als Mädchen/Frauen.
  • Osteom: Männer zu Frauen beträgt 2 : 1.
  • Osteosarkom: Jungen/Männer sind häufiger betroffen als Mädchen/Frauen.
  • Plasmozytom: Männer sind häufiger betroffen als Frauen.
  • Riesenzelltumor (Osteoklastom): Frauen sind geringfügig häufiger betroffen als Männer.
  • Sekundäre maligne Knochentumoren (Metastasen): Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.

Häufigkeitsgipfel

  • Chondroblastom: Tritt vorwiegend zwischen dem 10. und 20. Lebensjahr auf (zu ca. 80 % im 2. Lebensjahrzehnt).
  • Chondrosarkom: Tritt vorwiegend zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr auf.
  • Enchondrom: Tritt vorwiegend zwischen dem 15. und 40. Lebensjahr auf.
  • Ewing-Sarkom: Tritt vorwiegend zwischen dem 5. und 25. Lebensjahr auf.
  • Hämangiom: Tritt vorwiegend zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr auf.
  • Malignes fibröses Histiozytom (MFH): Tritt vorwiegend zwischen dem 20. und 70. Lebensjahr auf, wobei Männer häufig im Alter zwischen 40 und 60 Jahren erkranken und Frauen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren.
  • Nichtossifizierendes Fibrom (NOF): Tritt vorwiegend zwischen dem 10. und 20. Lebensjahr auf.
  • Osteoblastom: Tritt vorwiegend zwischen dem 10. und 35. Lebensjahr auf.
  • Osteochondrom: Tritt vorwiegend zwischen dem 10. und 35. Lebensjahr auf.
  • Osteoidosteom: Tritt vorwiegend zwischen dem 10. und 20. Lebensjahr auf, selten nach dem 30. Lebensjahr.
  • Osteom: Tritt vorwiegend zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr auf.
  • Osteosarkom: Tritt vorwiegend zwischen dem 10. und 20. Lebensjahr auf. Ein zweiter Häufigkeitsgipfel findet sich zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr.
  • Plasmozytom: Tritt vorwiegend ab dem 50. Lebensjahr auf.
  • Riesenzelltumor (Osteoklastom): Tritt vorwiegend zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auf.
  • Sekundäre maligne Knochentumoren (Metastasen): Treten vorwiegend ab dem 40. Lebensjahr auf.

Häufigkeit und Inzidenz

  • Osteochondrom: Häufigster benigner Knochentumor (ca. 50 % der benignen und 12 % aller Knochentumoren).
  • Enchondrom: Zweithäufigster benigner Knochentumor (ca. 10 % der benignen Knochentumoren).
  • Riesenzelltumor: Macht 5 % aller Knochentumoren aus.
  • Osteoidosteom: Macht 4 % aller Knochentumoren aus und tritt damit relativ häufig auf.
  • Osteoblastom: Macht 1 % aller Knochentumoren aus.
  • Osteom: Seltener Knochentumor (0,4 % aller Knochentumoren).

Maligne Knochentumoren

  • Maligne Knochentumoren machen bei Erwachsenen 1 % aller Tumorerkrankungen aus.
  • Osteosarkom: Häufigster primärer maligner Knochentumor (40 %), gefolgt vom Chondrosarkom (20 %) und dem Ewing-Sarkom (8 %).

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen)

  • Osteosarkom: 2-3 Erkrankungen pro 1.000.000 Einwohner pro Jahr (in Deutschland).
  • Ewing-Sarkom: Bei Kindern 3 Erkrankungen pro 1.000.000 Einwohner pro Jahr und bei Heranwachsenden (15-25 Jahre) 2,4 pro 1.000.000 Einwohner pro Jahr (in Deutschland).
  • Osteoklastom (Riesenzelltumor des Knochens): Ca. 9 Erkrankungen pro 1.000.000 Einwohner pro Jahr (in Deutschland).
  • Malignes fibröses Histiozytom der Extremitäten und retroperitonealer Typ: 8,8 Erkrankungen pro 1.000.000 Einwohner pro Jahr, dermales/kutanes MFH < 0,5 pro 1.000.000 Einwohner pro Jahr (in Deutschland).

Verlauf und Prognose

Verlauf

Benigne (gutartige) Knochentumoren

  • Osteoidosteom: In 30 % der Fälle verschwinden Osteoidosteome spontan ohne Therapie.
  • Enchondrom: Kann in seltenen Fällen, insbesondere wenn stammnah lokalisiert, maligne entarten.
  • Allgemeiner Verlauf: Bei gutartigen Tumoren wird häufig eine "Watch and Wait"-Strategie angewendet, bei der der Tumor regelmäßig überwacht wird, ohne sofortige Therapie.

Maligne (bösartige) Knochentumoren

  • Osteosarkom: Breitet sich meist schnell auf andere Bereiche des Skeletts aus und bildet früh Metastasen, vor allem in der Lunge.
  • Chondrosarkom: Wird in drei Differenzierungsgrade eingeteilt:
    • Grad 1: Langsam wachsend, keine Metastasenbildung.
    • Grad 2: Deutlich bösartiger, mit schlechteren Überlebenschancen bei Metastasenbildung.
    • Grad 3: Schnelles Wachstum und schnelle Ausbreitung.
  • Ewing-Sarkom: Metastasiert häufig in die Lunge, das übrige Skelett, das Knochenmark und selten in die regionären Lymphknoten.

Therapie

  • Operative Entfernung: Notwendig bei malignen Tumoren.
  • Neoadjuvante Chemotherapie (NACT): Vor der Operation zur Verkleinerung des Tumors und Abtötung von Metastasen.
  • Strahlentherapie (Radiatio): Ergänzend oder alternativ zur Chemotherapie.
  • Adjuvante Chemotherapie: Nach der Entfernung des Tumors, um verbleibende Krebszellen zu zerstören und das Rückfallrisiko zu senken.

Prognose

Benigne Knochentumoren

  • Allgemeine Prognose: Sehr gut, besonders bei frühzeitiger Diagnose und Überwachung.

Maligne Knochentumoren

  • Osteosarkom und Ewing-Sarkom:
    • 5-Jahres-Überlebensrate: 50-70 %, reduziert sich auf ca. 40 % bei bereits gestreuten Tumoren zum Zeitpunkt der Diagnosestellung.
  • Chondrosarkom:
    • Grad 1: 5-Jahres-Überlebensrate bei 90 %. Nach 10 Jahren leben noch 50-66 % der Patienten.
    • Grad 2: 10-Jahres-Überlebensrate zwischen 40-60 %.
    • Grad 3: 10-Jahres-Überlebensrate bei 15-35 %.
  • Malignes fibröses Histiozytom:
    • 5-Jahres-Überlebensrate: 58-77 %. Retroperitoneale Tumoren haben eine 5-Jahres-Überlebensrate von 15-20 %.
    • 10-Jahres-Überlebensrate: 90 % bei geringgradig malignen, 60 % bei mittelgradig malignen und 20 % bei hochgradig malignen Tumoren.
  • Allgemeine Prognose: Die 5-Jahres-Überlebensrate für alle malignen Knochentumoren liegt bei rund 60 %.

Rezidive (Wiederauftreten der Erkrankung)

  • Stammnahe Enchondrome: Neigen zu Rezidiven.
  • Riesenzelltumor (Osteoklastom): Hohe Rezidivrate von 15-50 % auch nach vollständiger Resektion.
  • Chondrosarkom: Kann auch nach 10 Jahren noch Rezidive bilden.
  • Malignes fibröses Histiozytom: Lokalrezidivrate liegt zwischen 19 und 31 % [1].

Ossäre Metastasen (Knochenmetastasen):

  • Prognose: In der Regel schlecht, durchschnittliche Überlebenszeit nach Diagnosestellung beträgt 3-20 Monate. Die Prognose variiert je nach Primärtumor, mit der schlechtesten Prognose bei Bronchialkarzinom (Lungenkrebs) und der besten bei Mammakarzinom (Brustkrebs).

Literatur

  1. Weiss SW, Goldblum JR (2008): Enzinger and Weiss’s soft tissue tumors, 5. Aufl. Elsevier Mosby, St. Louis, S 403-427

Leitlinien

  1. Onkopedia Leitlinie: Maligne Knochentumore des Erwachsenen. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO). Mai 2011
  2. S1-Leitlinie: Ewing-Sarkome des Kindes- und Jugendalters. (AWMF-Registernummer: 025-006), Juni 2014 Langfassung
  3. S1-Leitlinie: Osteosarkome. (AWMF-Registernummer: 025-005), Dezember 2015, Langfassung