Hyperprolaktinämie – Prolaktinom – Ursachen
Hyperprolaktinämie
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Das Prolaktin (PRL, Synonyme: Laktotropes Hormon (LTH); Laktotropin) ist ein Hormon, das im Hypophysenvorderlappen (Vorderlappen der Hirnanhangsdrüse) gebildet wird und hauptsächlich die Brustdrüse (Mamille) zur Milchproduktion anregt. Bei Frauen wird es nach der Geburt verstärkt freigesetzt, um die Milchbildung zu steuern. Die Prolaktinsekretion wird hauptsächlich durch den Prolactin Inhibiting Factor (PIF), der im Hypothalamus (Teil des Zwischenhirns), gebildet und als Dopamin identifiziert wird, gehemmt.
Hyperprolaktinämie entsteht, wenn die Prolaktinkonzentration im Blut erhöht ist. Dies kann auf folgende Mechanismen zurückgeführt werden:
- Autonome Prolaktinsekretion durch die Hypophyse: Dies geschieht meist bei einem Prolaktinom, einem gutartigen Tumor der Hypophyse, der eine Überproduktion von Prolaktin verursacht. Dieser Tumor führt zu einer autonomen (unabhängigen) und überschießenden Sekretion von Prolaktin.
- Gestörte Dopaminfreisetzung im Hypothalamus oder gestörter Transport zu den Hypophysenzellen: Da Dopamin die Prolaktinproduktion hemmt, führt ein Ausfall dieser Hemmung durch fehlendes oder vermindertes Dopamin zur Überproduktion von Prolaktin.
- Vermehrte hypothalamische Stimulation der Prolaktinzellen: Ein Beispiel hierfür ist die Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion), bei der es durch den Mangel an T3 (Trijodthyronin) zu einer erhöhten Sekretion von TRH (Thyreotropin-releasing Hormon) kommt, das die Prolaktinfreisetzung stimuliert. Dies führt zur Hyperplasie (übermäßiges Zellwachstum) der Prolaktinzellen.
Physiologische Ursachen einer Hyperprolaktinämie
Neben pathologischen Ursachen gibt es auch physiologische Gründe für eine erhöhte Prolaktinsekretion, darunter:
- Taktile Stimulation der Brustwarze (Mamille), wie beim Stillen oder durch Massage.
- Schwangerschaft, bei der die Prolaktinproduktion physiologisch ansteigt, um die Milchproduktion nach der Geburt vorzubereiten.
- Stress, sowohl physischer als auch psychischer Natur, führt ebenfalls zu einer Erhöhung des Prolaktinspiegels, da Stresshormone eine hemmende Wirkung auf die dopaminerge Prolaktinhemmung haben.
Zusammenfassung
Eine Hyperprolaktinämie entsteht durch eine autonome Prolaktinproduktion in der Hypophyse (z. B. durch ein Prolaktinom), eine gestörte Dopaminhemmung oder durch vermehrte Stimulation der Prolaktinzellen durch hypothalamische Hormone wie TRH. Auch physiologische Zustände wie Schwangerschaft oder Stress führen zu einer Erhöhung des Prolaktinspiegels.
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
- Genetische Belastung – Mutationen im Prolaktinrezeptorgen (PRLR)
Verhaltensbedingte Ursachen
- Ernährung
- Schwere, proteinreiche Mahlzeiten
- Genussmittel
- Stärkerer Alkoholkonsum
- Psycho-soziale Situation
- Stress
Krankheitsbedingte Ursachen
Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)
- Akromegalie – endokrinologische Erkrankung, die durch eine Überproduktion des Wachstumshormons (somatotropes Hormon (STH), Somatotropin) hervorgerufen wird, mit ausgeprägter Vergrößerung der Phalangen bzw. Akren, wie beispielsweise Hände, Füße, Unterkiefer, Kinn, Nase und Augenbrauenwülste.
- Primäre Hypothyreose (primäre Schilddrüsenunterfunktion) – von einer primären Hypothyreose wird allgemein gesprochen, wenn die Schilddrüse selbst ursächlich für die Hypothyreose ist → fehlendes negatives Feedback durch T3 → TRH-Hypersekretion
- Subklinische (latente) Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) → fehlendes negatives Feedback durch T3 → TRH-Hypersekretion
- Syndrom der leeren Sella – dabei kommt es zu einer Ausweitung des Subarachnoidalraumes in die Sella turcica hinein; dadurch kann es zu endokrinen Störungen kommen
Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen (Z00-Z99)
- Stress
Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-K77; K80-K87)
- Leberzirrhose – bindegewebiger Umbau der Leber mit resultierender Funktionseinschränkung
Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)
- Tumoren der parasellären/suprasellären Region – Bereich des Schädelbasis, die "Türkensattel" genannt wird
Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)
- Epileptische Anfälle, nicht näher bezeichnet
- Lymphozytäre Hypophysitis – Entzündung der Hirnanhangsdrüse
Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett (O00-O99)
- Schwangerschaft
- Stillzeit
Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)
- Chronische Niereninsuffizienz (Nierenschwäche)
Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)
- Verletzungen des Gehirns, nicht näher bezeichnet
- Hypophysenstiel- und Hypothalamusläsionen (Tumor, Trauma, Radiatio/Strahlentherapie)
Weitere Ursachen
- Manipulation/Stimulation an den Mamillen (Brustwarzen), nicht weiter bezeichnet
- Operationen im Bereich der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse)
- Schlaf
- Zustand nach Radiatio (Strahlentherapie)
Medikamente
- Antiarrhythmika (Verapamil)
- Antidepressiva
- Monoaminoxidasehemmer (MAO-Hemmer) – Moclobemid, Rasagilin, Selegilin, Tranylcypromin
- Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (Selective Serotonin Reuptake Inhibitor, SSRI) – Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin
- Tetrazyklische Antidepressiva (Maprotilin)
- Trizyklische Antidepressiva (TZA) – Amitryptilin, Amitriptylinoxid, Clomipramin, Desipramin, Doxepin, Imipramin, Nortriptylin, Opipramol, Trimipramin)
- Antiemetika (Domperidon, Metoclopramid)
- Antihistaminika (Synonyme: Histamin-Rezeptorblocker oder Histamin-Rezeptorantagonisten)
- Antihypertensiva (Clonidin, Methyldopa)
- Calciumkanalblocker (Amlodipin, Dilitiazem, Nifedipin)
- Antipsychotika (Neuroleptika)
- Konventionelle (Klassische) Antipsychotika (Neuroleptika)
- Butyrophenone – Benperidon, Fluspirilen, Haloperidol, Melperon, Pipamperon
- Trizyklische Neuroleptika
- Phenothiazine – Chlorpromazin, Fluphenazin, Levomepromazin, Perazin, Perphenazin, Promethazin, Thioridazin
- Thioxanthene – Chlorprothixen, Flupentixol, Zuclopenthixol
- Atypische Antipsychotika (Neuroleptika) – Aripiprazol, Sulpirid, Ziprasidon
- Benzamide
- Benzisoxazolpiperidin – Risperidon
- Dibenzodiazepine – Olanzapin, Quetiapin
- Konventionelle (Klassische) Antipsychotika (Neuroleptika)
- Antisympathotonika (Reserpin)
- Endogene Opiate (Endorphine)
- Endorphin
- Hormone
- Adrenalin (Epinephrin)
- Angiotensin II
- Antiandrogene (Cyproteronacetat)
- GnRH
- Melatonin
- Oxytocin
- Östrogene
- TRH
- TSH-Releasing-Hormon (Synonyme: Thyroid-Stimulating Hormone, Thyrotropin)
- Vasopressin
- H2-Rezeptorenblocker (Cimetidin, Ranitidin)
- Indirekte Dopaminantagonisten
- Naltrexon
- Tetrabenzin
- Opioide (Hydromorphon, Morphin)
- Prokinetika
- Domperidon
- Metoclopramid
- Alizaprid
- Psychopharmaka (Phenothiazine, Thioxanthene)
- Serotonin
Prolaktinom
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Das Prolaktinom ist ein gutartiger Tumor, der aus den laktotropen Zellen (milchproduzierenden Zellen) der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) hervorgeht. Diese Zellen produzieren das Hormon Prolaktin, das vor allem während der Schwangerschaft und Stillzeit für die Milchproduktion in der Brustdrüse verantwortlich ist. Beim Prolaktinom kommt es zu einer autonomen (unabhängigen) Überproduktion von Prolaktin. Diese unkontrollierte Hormonproduktion kann durch das Mikroadenom (< 1 cm) oder Makroadenom (> 1 cm) verursacht werden. Während Mikroprolaktinome überwiegend asymptomatisch bleiben, können Makroprolaktinome durch ihre Größe zusätzlichen Druck auf umliegende Strukturen ausüben, was zu neurologischen Ausfällen führt.
Die hypersekretorische Aktivität des Tumors blockiert die normale Dopaminhemmung (Dopamin ist der natürliche Prolaktinhemmer), was eine übermäßige Prolaktinfreisetzung zur Folge hat. Eine häufige Folge ist das Auftreten von Symptomen wie Galaktorrhoe (Milchfluss außerhalb der Stillzeit), Amenorrhoe (Ausbleiben der Menstruation) bei Frauen sowie eine verminderte Libido und erektile Dysfunktion bei Männern.
Ätiologie (Ursachen)
Die Ätiologie eines Prolaktinoms (gutartiger Tumor der Hypophyse) ist im medizinischen Kontext meist nicht vollständig geklärt. Die primäre Ursache ist die autonome Überproduktion von Prolaktin durch laktotrope Zellen im Hypophysenvorderlappen. Es handelt sich um einen Tumor, der typischerweise nicht durch verhaltensbedingte Faktoren, sondern durch genetische und biologische Mechanismen verursacht wird. Hier sind einige der relevanten Punkte:
Biologische und genetische Ursachen
- Genetische Prädisposition: Prolaktinome können, wenn auch selten, Teil genetischer Syndrome sein, wie z. B. bei der multiplen endokrinen Neoplasie Typ 1 (MEN1). Mutationen im MEN1-Gen und in anderen Genen können eine Rolle bei der Entstehung spielen.
- Spontane Mutation: In den meisten Fällen ist die Entstehung eines Prolaktinoms durch spontane Mutationen in den Zellen der Hypophyse bedingt.
Verhaltensbedingte Ursachen
Es gibt keine fundierten Beweise dafür, dass verhaltensbedingte Faktoren wie Ernährung, Alkoholkonsum oder Stress eine direkte Rolle bei der Entstehung eines Prolaktinoms spielen. Diese Faktoren können möglicherweise den Prolaktinspiegel kurzfristig beeinflussen, jedoch nicht die Tumorbildung verursachen.
Krankheitsbedingte Ursachen
- Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion): Eine unbehandelte Hypothyreose kann zu einem Anstieg von TRH (Thyreotropin-Releasing-Hormon) führen, das nicht nur die Schilddrüse stimuliert, sondern auch die Prolaktinsekretion. Dies kann Hyperprolaktinämie begünstigen, jedoch selten ein Prolaktinom direkt verursachen.
- Akromegalie: Ein Zusammenhang mit der Überproduktion des Wachstumshormons (STH) kann zu einer vermehrten Sekretion von Prolaktin führen, wobei oft Makroadenome beteiligt sind, die sowohl GH als auch Prolaktin sezernieren.
- Leberzirrhose: Chronische Lebererkrankungen können zu erhöhten Prolaktinspiegeln führen, jedoch nicht direkt zur Entstehung von Prolaktinomen.
- Chronische Niereninsuffizienz (Nierenschwäche): Erhöhte Prolaktinwerte können bei Patienten mit Niereninsuffizienz auftreten, da der Prolaktinabbau gestört ist. Dies ist aber kein direkter Auslöser für Prolaktinome.
Tumorassoziierte Ursachen
- Paraselläre und supraselläre Tumoren: Tumore in der Nähe der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) können die Funktion der Hypophyse beeinflussen, jedoch entstehen Prolaktinome in der Regel primär in den laktotropen Zellen der Hypophyse selbst.
- Strahlentherapie und Operationen: Vorangegangene Operationen oder Bestrahlungen im Bereich der Hypophyse können die Hypophysenfunktion beeinflussen, führen aber selten direkt zur Tumorbildung.
Zusammenfassung
Das Prolaktinom entsteht vor allem durch autonome Sekretion von Prolaktin aus den laktotropen Zellen der Hypophyse. Genetische Faktoren wie MEN1-Mutationen und seltene endokrinologische Störungen wie Hypothyreose oder Akromegalie können das Wachstum von Prolaktinomen begünstigen. Verhaltensbedingte oder psychosoziale Faktoren spielen dagegen keine direkte Rolle bei der Tumorentstehung.