Akustikusneurinom – Einleitung

Das Akustikusneurinom (AKN) bezeichnet einen benignen (gutartigen) Tumor, der von den Schwann'schen Zellen des vestibulären Anteils des VIII. Hirnnerven, dem Hör- und Gleichgewichtsnerven (Nervus vestibulocochlearis, Nervus acusticus; Nervus octavus), ausgeht und im inneren Gehörgang (intrameatal), bei größerer Ausdehnung im Kleinhirnbrückenwinkel (extrameatal), gelegen ist.

Synonyme und ICD-10: Vestibularisschwannom, VS; ICD-10-GM D33.-: gutartige Neubildung des Gehirns und anderer Teile des Zentralnervensystems

Das Akustikusneurinom stellt den häufigsten Tumor des Kleinhirnbrückenwinkels dar.

Anatomie und Funktionen

Das Akustikusneurinom betrifft den Nervus vestibulocochlearis, der für das Hör- und Gleichgewichtsempfinden verantwortlich ist. Dieser Nerv verläuft durch den inneren Gehörgang und erreicht das Kleinhirn.

Formen des Akustikusneurinoms (AKN)

  • Einseitiges Akustikusneurinom: Über 95 % der Fälle sind einseitig.
  • Beidseitiges Akustikusneurinom: Tritt typischerweise bei Neurofibromatose Typ 2 (NF2) auf.

Ursachen

  • Genetische Prädisposition: Insbesondere bei Neurofibromatose Typ 2 (NF2).
  • Spontane Mutationen: In den meisten sporadischen Fällen.

Differentialdiagnosen

  • Meningeome (langsam wachsende Tumoren, die von den Hirnhäuten ausgehen)
  • Gliome (primäre Tumoren des zentralen Nervennervensystems)
  • Metastasen (Tochtergeschwülste)
  • Andere Tumoren des Kleinhirnbrückenwinkels

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen.

Häufigkeitsgipfel: Die Erkrankung wird meistens nach dem 30. Lebensjahr diagnostiziert, mit einem Häufigkeitsgipfel im 5. und 6. Lebensjahrzehnt.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Akustikusneurinome stellen ca. 6 % aller intracraniellen Tumoren dar.

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): Etwa 1 Erkrankung pro 100.000 Einwohner pro Jahr. 80-90 % aller Tumoren an der Schädelbasis sind Akustikusneurinome.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Das Akustikusneurinom entwickelt sich langsam bis sehr langsam über Jahre bis Jahrzehnte.
  • Die Symptomatik kann schleichend beginnen und umfasst typischerweise Hörverlust, Tinnitus, Schwindel und Gleichgewichtsstörungen.
  • Die jährlichen Wachstumsraten der Tumoren variieren zwischen 0,3 und 4,8 mm [1, 2].

Prognose

  • Das Akustikusneurinom ist ein gutartiger Tumor, der verdrängend wächst und keine Metastasen bildet.
  • Die Prognose ist in der Regel gut, abhängig von Tumorgröße, Wachstumsverhalten, Gehörbeeinträchtigung, Alter und allgemeinem Gesundheitszustand des Patienten.
  • Therapieoptionen umfassen beobachtendes Abwarten ("watchful waiting"), Bestrahlung oder operative Entfernung.
  • Bei älteren Patienten kann ein beobachtendes Abwarten gerechtfertigt sein, während bei Kindern und Jugendlichen in der Regel eine sofortige Behandlung erforderlich ist.
  • Auch nach einer Operation ist eine sichere Prognose für Tinnitus und Schwindel nicht möglich.
  • Ob ein Patient von einer Operation profitiert, hängt vom individuellen Verlauf der Erkrankung ab.

Literatur

  1. Sheth SA, Kwon CS, Barker FG: The art of management decision making: from intuition to evidence-based medicine. Otolaryngol Clin North Am 2012 Apr;45(2):333-51, viii. doi: 10.1016/j.otc.2012.01.001. Epub 2012 Feb 23.
  2. Stangerup SE, Caye-Thomasen P: Epidemiology and natural history of vestibular schwannomas. Otolaryngol Clin North Am 2012 Apr;45(2):257-68, vii. doi: 10.1016/j.otc.2011.12.008. Epub 2012 Feb 28.

Leitlinien

  1. Jendyk RM, Heinz-Harald Abholz HR: Akuter Schwindel in der Hausarztpraxis – die neue hausärztliche S3-Leitlinie. ZFA Januar 2017
  2. Congress of Neurological Surgeons (CNS) and the Section on Tumors: Guidelines on the Management of Patients with Vestibular Schwannoma. cns Februar 2018
  3. S2k-Leitlinie: Vestibuläre Funktionsstörungen. (AWMF-Registernummer: 017 - 078), März 2021 Langfassung