Zwangsstörungen – Weitere Therapie

 Allgemeine Maßnahmen

  • Es sollte eine ausführliche Anamnese (Erhebung der Krankengeschichte) und körperliche Untersuchung durchgeführt werden. Des Weiteren sollte eine psychiatrische Vorstellung erfolgen, um das Schwerebild der Erkrankung, ggf. eine entsprechende Medikation (Medikamente) oder psychotherapeutische Strategien zu überprüfen/einzuleiten.
  • Vermeidung psychosozialer Belastungen:
    • Angst

Mögliche Therapieverfahren

  • Die tiefe Hirnstimulation (THS; Synonym: Tiefenhirnstimulation; engl.: deep brain stimulation, DBS) im Bereich der Capsula interna, des Nucleus accumbens und des Nucleus subthalamicus kann von Erfolg sein [1].
    Zukünftig werden Hirnschrittmacher zur Verschwörung stehen, die individuell auf die Gehirnaktivität der Patienten eingestellt werden können.
  • Elektrokrampftherapie (EKT; Synonym: Elektrokonvulsionstherapie); soll wegen fehlender Wirksamkeit zur Behandlung von Patienten mit therapierefraktärer Zwangsstörung nicht durchgeführt werden [Empfehlungsgrad A]
  • Transkranielle Gleichstromstimulation (engl. engl. Transcranial direct current stimulation, tDCS) – nichtinvasives, schmerzfreies und komplett reversibles Verfahren zur Elektrostimulation des Gehirns; dabei wird über auf der Kopfhaut angebrachten Elektroden Gleichstrom appliziert, wodurch die kortikale Erregbarkeit und die neuronale Aktivität verändert werden; der hemmende Einfluss der kathodalen Stimulation soll eine Symptomreduktion begünstigen; es liegt keine ausreichende Evidenz vor, um ein eindeutiges Fazit für eine Routineanwendung geben zu können.
  • Transkranielle Magnetstimulation (TMS); "nichtinvasive“ Hirnstimulationstechnik; soll wegen fehlender Wirksamkeit zur Behandlung von Patienten mit therapierefraktärer Zwangsstörung nicht durchgeführt werden [Empfehlungsgrad A]

Psychotherapie

  • Psychosoziale Verfahren/Maßnahmen gemäß S3-Leitlinie: Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen [bei schweren Zwangsstörungen]
    • Selbstmanagement als Teil der Krankheitsbewältigung; in diesem Kontext auch Hinweise auf Selbsthilfekontaktstellen
    • Einzelinterventionen
      • Psychoedukative Intervention zur Erweiterung des Krankheitswissens
      • Training von Alltags- und sozialen Fertigkeiten
      • Künstlerische Therapien
      • Ergotherapie – Arbeits- bzw. Beschäftigungstherapie
      • Bewegungs- und Sporttherapien
      • Gesundheitsfördernde Interventionen
    • Ambulante psychiatrische Pflege (APP) als Hilfe in Krisenzeiten zur Herstellung von Selbst- und Krankheitsanamnese sowie zur Förderung individueller wie Erholungsprozesse (Recovery-Prozesse)
  • Bei einer Zwangsstörung ist in vielen Fällen eine kognitive Verhaltenstherapie (KVT) indiziert.
    [Empfehlungsgrad: A]
    Dabei kann eine stetig gesteigerte Exposition auslösender Ursachen durchgeführt werden.
  • Bergen-4-Tages-Therapie (B4DT; vier aufeinanderfolgende Tagen, Gruppen von sechs Patienten, gleiche Anzahl an Therapeuten) [4]:
    • 1. Tag: Informationen über die Zwangsstörung und den Ablauf der geplanten Exposition
    • 2. + 3. Tag: acht bis zehn Stunden lang intensive Exposition mit Reaktionsverhinderung in einer Reihe alltagsnaher Situationen
    • 4. Tag: Lernerfahrungen der beiden Expositionstage werden zusammengefasst; Besprechung, wie die gelernten Strategien konsequent in Alltag umgesetzt werden können.
    Ergebnis: Nach der Behandlung zeigten 91,1 Prozent eine klinisch relevante Response (Verbesserung) und 72,2 Prozent waren in Remission. Drei Monate nach dem B4DT lag die Response-Rate noch bei 84,4 Prozent und die Remissionsrate bei 67,7 Prozent.
  • Prädiktoren für die Wirksamkeit von kognitiver Verhaltenstherapie bei einer Zwangsstörung (modifiziert nach [3]):
    • Positive Prädiktoren (Vorhersagevariable):
      • Zwangshandlungen stehen im Vordergrund
      • geringe depressive Symptomatik
      • Fehlen überwertiger Ideen
      • gute psychosoziale Einbindung, zum Beispiel feste Partnerschaft
      • hohe Compliance
    • Negative Prädiktoren:
      • sehr frühe Manifestation der Störung in der Kindheit („early onset“)
      • Zwangsgedanken stehen im Vordergrund/ausgeprägte Zwangssymptomatik
      • schwere depressive Symptomatik
      • schwere Angstsymptomatik
      • schizotype Störung
      • Borderline-Störung
      • Sammelzwänge
      • sexuelle/religiöse Zwänge
      • Tic-Störung
      • ausgeprägtes magisches Denken
      • Arbeitslosigkeit
  • Detaillierte Informationen zur Psychosomatik (inkl. Stressmanagement) erhalten Sie von uns.

Organisationen und Selbsthilfegruppen

  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA)
    Postfach 91 01 52, D-51071 Köln
    Telefon: 0221-89920, Fax: 0221-8992300 E-Mail: poststelle@bzga.de, Internet: www.bzga.de

Literatur

  1. Kohl S, Schönherr DM, Luigjes J, Denys D, Mueller UJ, Lenartz D, Visser-Vandewalle V, Kuhn J: Deep brain stimulation for treatment-refractory obsessive compulsive disorder: a systematic review.  BMC Psychiatry. 2014 Aug 2;14(1):214. doi: 10.1186/s12888-014-0214-y.
  2. S3-Leitlinie: Zwangsstörungen. (AWMF-Registernummer: 038-017), Mai 2013 Kurzfassung Langfassung
  3. Skapinakis P, Caldwell D, Hollingworth W et al.: A systematic review of the clinical effectiveness and cost-effectiveness of pharmacological and psychological interventions for the management of obsessive-compulsive disorder in children/adolescents and adults. Health technology assessment 2016 Jun;20(43):1-392. doi: 10.3310/hta20430.
  4. Hansen B et al.: The Bergen 4-Day OCD Treatment Delivered in a Group Setting: 12-Month Follow-Up. Front Psychol. 2018;9:639

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Zwangsstörungen. (AWMF-Registernummer: 038-017), Mai 2013 Kurzfassung Langfassung
  2. S3-Leitlinie: Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen. (AWMF-Registernummer: 038-020), Oktober 2018 Kurzfassung Langfassung