Voyeurismus

Als Voyeurismus wird die Beobachtung von Menschen bezeichnet, die sich ausziehen, nackt sind oder sexuelle Handlungen ausführen und dass ohne deren Wissen und Einwilligung. Durch diese Beobachtung wird der Voyeur (Spanner) sexuell erregt und befriedigt sich häufig während oder kurz nach der Beobachtung selbst. Er macht dies in der Regel heimlich, denn die Gefahr dabei ertappt zu werden, ist ein zusätzlicher Stimulus. Deshalb haben öffentliche Darstellungen von Genitalien, z. B. Striptease oder Peepshows, für den Spanner keinen besonderen Reiz. Spannend sind hingegen FKK-Strände, Umkleidekabinen, gemischte Saunen, Wohnräume etc. Wichtig ist, dass die Geschlechtsorgane, auf die es dem Voyeur ankommt, für längere Zeit sichtbar sind. Ein kurzes Aufblitzen bringt keine Befriedigung.

Techniken der Beobachtung

Um eine längerfristige Beobachtung zu ermöglichen, werden vielfältige Möglichkeiten genutzt: künstlicher Sichtschutz, Fenster, Dunkelheit, Ferngläser, Teleskope, Fotoapparate, Videokameras, hidden cams (versteckte Kameras), Webcams mit Zoomfunktion, Richtmikrofone (selten), unerlaubter Zutritt zu Sozial-Media-Konten, um mitzubekommen, wann entsprechende Personen sich entkleiden, und eventuell sexuelle Handlungen durchführen. Voyeure sind nur passive Zuschauer. Niemals nehmen sie sexuellen Kontakt zu den Personen auf, die sie beobachten.

Prävalenz und Geschlechterverhältnis

Es gibt keine genauen Zahlen zur Häufigkeit, jedoch sind meist Männer betroffen, nur sehr selten Frauen. Die meisten Voyeure haben keine voyeuristische Störung, denn die voyeuristische Neigung ist so lange normal und gesellschaftlich akzeptiert, soweit sie mit Einverständnis durchgeführt und durch Medienkonsum gesättigt wird. In Zeiten gesellschaftlicher Isolation, z. B. in einer Pandemie, kann dadurch das Bedürfnis nach sexueller Befriedigung gestillt werden.

Klassifikation und Diagnose

Unter medizinischen Gesichtspunkten gehört der Exhibitionismus zur Gruppe der „Störungen der Sexualpräferenz (Paraphilie)“ mit dem ICD-10-GM-Code: F 65.-, Untergruppe: Exhibitionismus (ICD-10-GM: F 65.3). Dort wird sie definiert als "Wiederkehrender oder anhaltender Drang, anderen Menschen bei sexuellen Aktivitäten oder intimen Tätigkeiten, z. B. Entkleiden, zuzusehen, ohne Wissen der beobachteten Person. Zumeist führt dies beim Beobachtenden zu sexueller Erregung und Masturbation."

Der ICD-10-GM dient der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (German Modification).

Kriterien für die Diagnose „Voyeuristische Störung“

Die Diagnose „Voyeuristische Störung“ wird gestellt, wenn [1]:

  • das Ausleben zwanghaft ist.
  • die sexuelle Erregung heimlich ausgelebt wird, ohne dass die beobachteten Personen damit einverstanden sind.
  • die betreffende Person dadurch unter einem großen Druck steht.
  • die Lebensqualität beeinträchtigt wird, z. B. Ehe, Familie, Umgang mit Freunden, der Beruf.

Der zwanghafte, unwiderstehliche innere Drang zur Beobachtung muss dauerhaft und für mindestens sechs Monate bestehen.

Die voyeuristische Störung gehört zu den häufigsten paraphilen Störungen.

Auswirkungen und Konsequenzen

Häufig werden viele Stunden zum Auskundschaften von Personen und Gelegenheiten aufgewendet, sodass Alltagspflichten oder familiäre bzw. soziale Kontakte auffallend vernachlässigt werden. Die Frage einer Störung beginnt meist nach einem wiederholten Entdeckt werden und eventuellen Strafanzeigen.

Voyeurismus unter strafrechtlichen Gesichtspunkten

Voyeurismus ist in Deutschland kein Straftatbestand. Allerdings wird es zum Straftatbestand, wenn ein Voyeur beim Beobachten oder Aufzeichnen von Personen erwischt wird. Dies hat nach erfolgter Anzeige rechtliche Konsequenzen, z. B. Geldstrafen bis zu Gefängnisstrafen. Bei dem Betroffenen kann Voyeurismus zu Traumata führen. Außerdem verletzten Spanner das Recht auf Privatsphäre [2, 3].

Ursachen

Ursachen und Motivationen, die zum Voyeurismus führen, sind nicht bekannt. Vermutet wird eine Kombination aus biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren.

Als Auslöser werden diskutiert [1, 2, 3]:

  • der Reiz des Verbotenen und die Angst erwischt zu werden
  • Bindungsangst/Beziehungsangst – Betroffene fühlen sich in der passiven Zuschauerrolle wohler, als selbst aktiv zu werden
  • sexuelle Probleme:
    • Ersatz für eigene sexuelle Aktivitäten, als Kompensationsmechanismus bzw. Ersatzbefriedigung (z. B. soziale Isolation mit Mangel an Intimität und Nähe, Impotenz, körperliche Behinderung)
    • Angst vor der eigenen Sexualität und Körperlichkeit
    • geringes sexuelles Selbstvertrauen

Voyeuristen finden sich in der Beobachterrolle durch ihre Passivität geschützt und haben Kontrolle über die eigene Sexualität.

Therapie

Therapeutisch stehen Psychotherapie, Antidepressiva, Antipsychotika, Verhaltenstherapie und Selbsthilfegruppen zur Verfügung [1].

Tipps gegen Voyeurismus

Um einen Voyeurismus in einem legalen Rahmen auszuleben, gibt es verschiedene Möglichkeiten: Peepshows, Stripclubs, Swingerclubs, Voyeur-Webcams (Internetseiten, auf denen man sogenannte Camgirls beobachten kann), Rollenspiele, gemeinsames Handeln zwischen Voyeuristen und Exhibitionisten [2].

Untergruppen und Variationen

Allgemeiner Voyeurismus: Das Anschauen von sexuellem Content in den Medien.

Die nachfolgenden Variationen gehören nicht zur eigentlichen Definition des Voyeurismus, da das entscheidende Merkmal des heimlichen, unbemerkten Beobachtens von Personen, ohne Einverständnis, nicht gegeben ist [2, 3].

  • Reiner Voyeurismus: Der Voyeur erreicht die sexuelle Befriedigung allein durch die Beobachtung sexueller Aktivität (meist Geschlechtsverkehr), ohne sich selbst zu befriedigen.
  • Voyeurismus mit sexueller Aktivität: Der Voyeur befriedigt sich bei oder nach der Beobachtung von Personen, die sexuell aktiv sind.
  • Voyeurismus mit Präferenz bestimmter Praktiken: Der Voyeur erreicht seine sexuelle Befriedigung durch die Beobachtung bestimmter sexueller Praktiken, z. B. Oralverkehr, Analverkehr.
  • Aktiver Voyeurismus: Der Beobachter ist aktiv, indem er beispielsweise Kameras oder Ferngläser verwendet, um die andere Person aus der Ferne zu beobachten.
  • Passiver Voyeurismus: Der Spanner beobachtet die Person oder die Personen, um die es geht, aus der Ferne, ohne aktiv einzugreifen, z. B. Beobachtung in einem Club oder in einer Bar.
  • Candaulismus: Ein Partner beobachtet den anderen beim Geschlechtsverkehr mit einer weiteren Person. Dies geschieht in gegenseitigem Einverständnis.

Internet

Das endlose Angebot an sexuellen Inhalten im Internet und der Konsum von Reality-TV-Shows wie Big Brother, wo zum Teil sexuelle Handlungen übertragen werden, führt zu großer gesellschaftlicher Akzeptanz.

Auch diverse Social-Media-Plattformen mit hochgeladenen Fotos leicht bekleideter Personen und ähnlichen Inhalten sorgen für die Attraktivität der passiven Zuschauerrolle.

Peep-Shows und Clubs mit Striptease-Optionen sorgen neben dem Konsum von Medieninhalten dafür, dass allgemeiner Voyeurismus zu einem entscheidenden Wirtschaftsfaktor wurde, welcher einen riesigen Markt erschaffen hat.

Upskirting

Upskirting beschreibt den Sachverhalt, unter den Rock zu fotografieren.

Candid-Boards

Im Internet existieren Foren oder Plattformen, sogenannte „Candid-Boards“, in denen die Mitglieder untereinander, ohne Registrierung und ohne ihre Identität preiszugeben, Beiträge veröffentlichen und Diskussionen führen können. Die Themen sind vielfältig und reichen von Politik bis zu gesellschaftlichen Fragen etc. Auch heimlich gemachte Fotografien oder Filme werden in diesen Foren veröffentlicht.

Meist gibt es mehrere Bereiche innerhalb des Forums, z. B. einen öffentlichen und einen nicht-öffentlichen bzw. geschützten Bereich. Der Zugang zum geschützten Bereich erfordert eine spezielle Berechtigung wie ein Passwort oder eine Genehmigung durch einen Administrator oder die Mitgliedschaft in einer bestimmten Gruppe. Hier können dann vertrauliche Informationen ausgetauscht werden, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, oder anstößig sind, natürlich auch sexuelle Handlungen.

Zum Vertiefen

Die Übersichtsarbeit von Thomas et al. „Sex Differences in Voyeuristic and Exhibitionistic Interests: Exploring the Mediating Roles of Sociosexuality and Sexual Compulsivity from an Evolutionary Perspective” ist zur Vertiefung der Themen "Voyeurismus" sowien "Exhibitionismus" geeignet [4].

Autoren: Prof. Dr. med. G. Grospietsch, Dr. med. W. G. Gehring

Literatur

  1. Brown GR: Voyeurismus (Voyeuristische Störung). MSD Manuel
  2. Kaiser B, Dorsch JM: Voyeurismus: Das steckt dahinter! 13. April 2022. https://www.mylife.de/sexualitaet/Voyeurismus
  3. Voyeurismus – Wikipedia. https://de.wikipedia.org/wiki/Voyeurismus
  4. Thomas AG, Stone B, Bennett P et al.: Sex Differences in Voyeuristic and Exhibitionistic Interests: Exploring the Mediating Roles of Sociosexuality and Sexual Compulsivity from an Evolutionary Perspective. Arch Sex Behav. 2021 Jul; 50 (5): 2151-2162. doi: 10.1007/s10508-021-01991-0.