Vorzeitiger Samenerguss (Ejaculatio praecox) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Ejaculatio praecox (vorzeitiger Samenerguss) ist eine sexuelle Funktionsstörung, deren genaue Pathogenese noch nicht vollständig verstanden ist. Es wird jedoch angenommen, dass mehrere neurobiologische, hormonelle und psychologische Mechanismen beteiligt sind.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

  • Neurotransmitter-Dysregulation:
    • Im Zentrum der pathophysiologischen Mechanismen steht eine Dysregulation des Serotoninsystems (System der Botenstoffe im Gehirn). Serotonin, ein wichtiger Neurotransmitter, beeinflusst die Kontrolle der Ejakulation. Studien haben gezeigt, dass ein niedriger Serotoninspiegel mit einer verkürzten Ejakulationslatenz (Zeit bis zum Samenerguss) verbunden ist. Im Gegensatz dazu kann eine Erhöhung des Serotoninspiegels die Ejakulationslatenz verlängern.
    • Bestimmte Rezeptor-Subtypen, wie der 5-HT1A-Rezeptor (ein Serotoninrezeptor) sind dabei von besonderer Bedeutung. Eine Überstimulation dieses Rezeptors wird mit einer frühzeitigen Ejakulation in Verbindung gebracht, während eine Hemmung des 5-HT2C-Rezeptors zu einer Verlängerung der Ejakulationslatenz führen kann.
  • Sympathische Dysfunktion:
    • Eine Dysfunktion des sympathischen Nervensystems (Teil des autonomen Nervensystems, das unwillkürliche Prozesse wie die Ejakulation steuert) spielt ebenfalls eine Rolle bei der Pathogenese der Ejaculatio praecox. Der Ejakulationsprozess wird durch das sympathische Nervensystem vermittelt, und eine Fehlsteuerung dieser autonomen Funktionen kann zu einer verfrühten Ejakulation führen.

Sekundäre pathophysiologische Mechanismen

  • Hormonelle Einflüsse:
    • Testosteron: Es gibt Hinweise darauf, dass Testosteron-Spiegel einen Einfluss auf die Ejakulationskontrolle haben. Niedrige Testosteronspiegel können mit einer verminderten Kontrolle über die Ejakulation assoziiert sein.
    • Prolaktin: Dieses Hormon, das unter anderem die sexuelle Refraktärphase (Erholungszeit nach einem Samenerguss) reguliert, kann ebenfalls eine Rolle spielen. Hohe Prolaktinwerte sind in einigen Fällen mit einer gestörten Ejakulationskontrolle verbunden.
  • Psychologische Faktoren:
    • Stress, Angstzustände oder Beziehungsprobleme können die Aktivität des zentralen Nervensystems beeinflussen, was zu einer gesteigerten Erregung und einem verringerten Kontrollvermögen führt. Diese Faktoren können den Ejakulationsreflex beschleunigen.
    • Konditionierung: Bei manchen Betroffenen liegt eine konditionierte (antrainierte) schnelle Ejakulation vor, die sich aus einer übermäßigen Erregung oder einer negativen sexuellen Erfahrung entwickelt hat.

Genetische Prädisposition

Es wird ebenfalls eine genetische Prädisposition diskutiert. Untersuchungen haben gezeigt, dass Ejaculatio praecox familiär gehäuft auftreten kann, was auf eine mögliche genetische Komponente hinweist. So könnten genetische Unterschiede in der Serotonin-Regulation die Anfälligkeit für die Entwicklung dieser Funktionsstörung beeinflussen.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Ejaculatio praecox ist eine komplexe Störung, bei der verschiedene neurobiologische, hormonelle und psychologische Faktoren eine Rolle spielen. Eine Dysregulation des Serotoninsystems scheint ein zentraler Mechanismus zu sein, wobei niedrige Serotoninspiegel mit einer schnellen Ejakulation assoziiert sind. Auch sympathische Dysfunktionen, hormonelle Einflüsse und psychologische Faktoren tragen zur Entstehung bei. Ein besseres Verständnis dieser Mechanismen ist entscheidend für die Entwicklung von gezielten Therapien, die auf den individuellen Ursachen dieser Störung basieren.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische BelastungUntersuchungen legen eine genetische Komponente der Erkrankung nahe [3, 4]
  • Ethische Faktoren
  • Sozioökonomische Faktoren
    • finanzielle Nöte
    • niedriges soziales Niveau
  • Sexuelle Unerfahrenheit

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Drogenkonsum
    • Opiate – stark wirksame Schmerzmittel wie Morphin [1]
  • Körperliche Aktivität
    • Körperliche Inaktivität
  • Unregelmäßiger Geschlechtsverkehr

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Angststörungen
  • Diabetes mellitus [1]
  • Erektile Dysfunktion (ED)
  • Harnwegsinfektionen (HWI)
  • Innervationsstörungen des Urogenitaltraktes [2]
  • Verschlussstörungen der Harnblase [2]

Medikamente

  • Sympathomimetika – Medikamente wie Adrenalin, die die Wirkung des Sympathikus erhöhen

Literatur

  1. Mathers MJ, Schmitges J, Klotz T, Sommer F: Einführung in die Diagnostik und Therapie der Ejaculatio praecox. Dtsch Arztebl 2007; 104(50): A 3475
  2. Sökeland J, Schulze H, Rübben H: Urologie, S. 410. Thieme Verlag Stuttgart 2004
  3. Waldinger MD: The pathophysiology of lifelong premature ejaculation. Transl Androl Urol 2016;5(4):424-433. https://​doi.​org/​10.​21037/​tau.​2016.​06.​04
  4. Janssen PK, Schaik RV, Olivier B et al.: The 5‑HT2C receptor gene Cys23Ser polymorphism influences the intravaginal ejaculation latency time in Dutch Caucasian men with lifelong premature ejaculation. Asian J Androl 2014;16:607-610. https://​doi.​org/​10.​4103/​1008-682x.​126371