Lichttherapie gegen Winterdepression (SAD)
Die Lichttherapie bei Winterdepressionen ist ein Verfahren, das ein Teilgebiet der Lichttherapie bildet. Sie ähnelt formal der Bright-Light-Therapie, ist aber speziell auf die Winterdepression abgestimmt. Die Winterdepression, die auch als saisonabhängige Depression (SAD) bezeichnet wird, ist eine Erkrankung, die auf einen täglichen Mangel an Sonnenlicht zurückzuführen ist. Dieser Lichtmangel kann mit gezielter Lichttherapie ausgeglichen werden, um die gestörte Biorhythmik des Patienten und damit sein Wohlbefinden wieder herzustellen.
Im Folgenden wird der Entstehungsmechanismus der Winterdepression erklärt: Beim gesunden Menschen hat das Tageslicht direkten Einfluss auf die innere Uhr und bestimmt damit den Biorhythmus. Diese Uhr befindet sich im zentralen Nervensystem (Gehirn) im Hypothalamus, und heißt Nukleus suprachiasmaticus. Es handelt sich um ein Kerngebiet (Ansammlung von Nervenzellkörper), dessen Zellen bei Dunkelheit die pulsatile Ausschüttung des Hormons Melatonin steuern. Die Zellen, die das Melatonin bilden, heißen Pinealozyten und befinden sich in der Epiphyse (Zwirbeldrüse) im zentralen Nervensystem. Die Zellen des Nukleus suprachiasmaticus wiederum sind über Nervenfasern mit der Retina (Netzhaut), dem Sinnesepithel des Auges, verbunden und können so die Lichtverhältnisse registrieren.
Das Hormon Melatonin ist der Zeitgeber des Stoffwechsels und hat ein zirkadiane, schlaffördernde Wirkung. Die Synthese (Herstellung) von Melatonin erfolgt aus Serotonin, einem biogenen Amin, das unter anderem das Wohlbefinden steigert. Bei Lichtmangel steigt die Konzentration von Melatonin, während die Konzentration von Serotonin abnimmt. Diese Konstellation kann eine Depression auslösen, die z. B. in den Wintermonaten, wenn das Tageslicht nicht lange genug anhält, auftreten und als saisonabhängige Depressionen (SAD) bezeichnet werden. Es handelt sich um jahreszeitlich gebundene, mehr oder weniger stark ausgeprägte depressive Phasen, die durch folgende Symptome gekennzeichnet sind:
- Müdigkeit
- vermehrtes Schlafbedürfnis
- Antriebslosigkeit
- Denk- und Konzentrationsschwierigkeiten
- Libidoschwäche
- Heißhunger
- Gewichtszunahme
Zielsetzung und Wirkungsweise der Lichttherapie bei Winterdepression
Zielsetzung
Die Hauptzielsetzung der Lichttherapie bei Winterdepressionen, auch als saisonale affektive Störung (SAD) bekannt, ist es, die durch Lichtmangel verursachten Symptome zu lindern und das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern. Zu den spezifischen Zielen gehören:
- Regulation des Melatoninspiegels: Reduzierung der Melatoninproduktion, die durch Mangel an Tageslicht während der Wintermonate erhöht ist und zur Depressivität beiträgt.
- Erhöhung des Serotoninspiegels: Stimulation der Serotoninproduktion, um Stimmung, Energie und Schlafqualität zu verbessern.
- Normalisierung des zirkadianen Rhythmus: Anpassung der inneren Uhr, um den natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus wiederherzustellen und somit die Tagesaktivität und Lebensqualität zu steigern.
- Reduzierung der Symptome der Winterdepression: Verringerung von Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Heißhungerattacken und Gewichtszunahme, die typisch für SAD sind.
Wirkungsweise
Die Wirkungsweise der Lichttherapie basiert auf der Simulation von Tageslicht, das direkte physiologische Reaktionen im Körper hervorruft:
- Photorezeptor-Stimulation: Die Retina des Auges nimmt das helle Licht auf, was die Zellen des Nukleus suprachiasmaticus im Hypothalamus aktiviert.
- Hemmung der Melatoninproduktion: Das helle Licht unterdrückt die Melatoninproduktion, wodurch die typischen Symptome der Winterdepression abgemildert werden.
- Förderung der Serotoninproduktion: Durch die Hemmung von Melatonin wird indirekt die Synthese von Serotonin gefördert, was stimmungsaufhellend und antriebssteigernd wirkt.
- Synchronisation der zirkadianen Uhr: Die Lichtexposition am Morgen hilft, die innere Uhr zu synchronisieren, was den Schlaf-Wach-Rhythmus verbessert und zu einem stabileren täglichen Energielevel führt.
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- Bestimmte Augenerkrankungen: Wie z. B. Retinopathie, da die Lichtexposition schädlich sein könnte.
- Hauterkrankungen: Die durch Lichtexposition verschlimmert werden können, z. B. Lupus erythematodes.
- Medikamente: Die Lichtempfindlichkeit erhöhen, wie bestimmte Antibiotika oder Antidepressiva.
- Manische oder bipolare Störungen: Die Lichttherapie kann in seltenen Fällen manische Episoden auslösen.
Vor der Therapie
- Medizinische Beurteilung: Ausschluss von Kontraindikationen und Anpassung der Therapie an bestehende Erkrankungen oder Medikamente.
- Patientenaufklärung: Über den Ablauf der Therapie, mögliche Nebenwirkungen und die Bedeutung der regelmäßigen Anwendung.
- Einstellung der Lichtintensität und -dauer: Individuelle Anpassung an den Patienten.
Das Verfahren
Der Patient blickt ca. 30 bis 120 Minuten in eine sehr starke Lichtquelle. Die Intensität der Beleuchtung liegt zwischen 2.500 und 10.000 Lux. Das entspricht in etwa einem sonnigen Frühlingstag und ist 5-20-Mal so intensiv wie eine durchschnittliche Raumbeleuchtung.
Die Behandlung sollte möglichst morgens erfolgen, da hier die Wirkung am besten ist. Während der Therapie kann der Patient sitzenden Tätigkeiten wie Lesen oder Essen nachgehen, allerdings sollte er ca. alle 30-60 Sekunden direkt in die Lichtquelle blicken. Bereits 3-4 Tage nach Beginn der Therapie kann sich ein Erfolg einstellen, wobei eine direkte Dosis-Wirkungs-Beziehung besteht und der Erfolg mit der Häufigkeit der Anwendung steigt.
Nach der Therapie
- Überwachung der Symptome: Beobachtung der Verbesserung von depressiven Symptomen und Anpassung der Therapie bei Bedarf.
- Beurteilung der Verträglichkeit: Überwachung auf Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen oder Augenreizungen.
- Nachsorge: Bei langfristiger Anwendung regelmäßige Überprüfungen, besonders bei Personen mit Vorerkrankungen.
Mögliche Komplikationen
Frühkomplikationen:
- Augenbeschwerden: Wie Trockenheit oder Überanstrengung.
- Schlafstörungen: Insbesondere bei Anwendung in den Abendstunden.
- Kopfschmerzen: Durch die Helligkeit und Intensität des Lichts.
- Manische Reaktionen: Vor allem bei Personen mit bipolarer Störung.
Spätkomplikationen:
- Anpassungsschwierigkeiten: Bei längerer Anwendung Probleme bei der Anpassung an normale Lichtverhältnisse.
- Stimmungsschwankungen: Besonders bei abruptem Absetzen der Therapie.
- Augenschäden: Langfristige Schäden bei vorbestehenden Augenerkrankungen.
Weitere Hinweise
- Gemäß einer Studie mit 122 ambulanten Patienten im Alter von 19-50 Jahren erwies sich die Lichttherapie versus einer Scheingerätetherapie, allein oder kombiniert mit einem Antidepressivum (Fluoxetin 20 mg/d), als "wirksame und gut verträgliche Behandlung von nichtsaisonalen Major-Depressionen". Die Kombinationstherapie aus Licht und selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI = Selective Serotonin Reuptake Inhibitor) war der alleinigen SSRI-Therapie überlegen [3].
- Möglicherweise hilft Lichttherapie auch bei einer Major Depression: Patienten mit einer mittelschweren Depression zeigten eine bessere Ansprechrate als mit einem SSRI. Bei der Hälfte der Patienten führte die Therapie zu einer Symptomreduktion um mindestens 50 % versus 29 % bei Patienten mit einem SSRI. Die beste Ansprechrate zeigten Patienten, die kombiniert mit SSRI und Lichttherapie behandelt wurden (76 %) [4].
Ihr Nutzen
Die Lichttherapie gegen Winterdepressionen ist eine sehr sinnvolle und wirksame Methode, um das Wohlbefinden und die Vitalität auch während der kalten Jahreszeit zu erhalten beziehungsweise zu verbessern.
Literatur
- Welsch A: Depressionen: Möglichkeiten und Grenzen naturheilkundlicher Verfahren. Elsevier, Urban & Fischer Verlag 2007
- Lieb K, Frauenknecht S, Brunnhuber S: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Elsevier, Urban & Fischer Verlag 2008
- Lam RW et al.: Efficacy of bright light treatment, fluoxetine, and the combination in patients with nonseasonal major depressive disorder: A randomized clinical trial. JAMA Psychiatry 2015; epub 18.11.15. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2015.2235.
- Lam RW et al.: Efficacy of Bright Light Treatment, Fluoxetine, and the Combination in Patients With Nonseasonal Major Depressive Disorder. A Randomized Clinical Trial. JAMA Psychiatry. 2016;73(1):56-63. doi:10.1001/jamapsychiatry.2015.2235.