Tabakabhängigkeit – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung) 

Der Zigarettenrauch enthält über 4.000 chemische Substanzen, von denen das Nikotin eine der Hauptkomponenten ist, die zur Entwicklung von Abhängigkeit beiträgt. Nikotin ist ein stark süchtig machendes Stimulans, das sowohl auf körperlicher als auch auf psychischer Ebene wirkt.

Neurobiologische Mechanismen der Abhängigkeit

  • Nikotinrezeptoren: Nikotin bindet an spezifische Rezeptoren im Gehirn, die sogenannten nikotinergen Acetylcholinrezeptoren, insbesondere an die Alpha-4-Beta-2-Rezeptoren. Diese Rezeptoren befinden sich vor allem im mesolimbischen System, einem zentralen Bereich des Gehirns, der für die Belohnung und das Verlangen nach Drogen zuständig ist.
  • Dopaminfreisetzung: Die Bindung von Nikotin an diese Rezeptoren führt zur Freisetzung von Dopamin, einem Neurotransmitter (Botenstoff), der das Belohnungssystem im Gehirn aktiviert. Dopamin vermittelt Gefühle von Freude und Zufriedenheit, weshalb Rauchen oft als angenehm empfunden wird. Dieser Effekt ist ein Schlüsselmechanismus für die Entstehung der psychischen Abhängigkeit, da das Gehirn wiederholt nach dieser Belohnung sucht.
  • Verstärkte Rezeptoren: Durch regelmäßiges Rauchen passt sich das Gehirn an, indem es die Anzahl der nikotinergen Acetylcholinrezeptoren erhöht. Diese Anpassung führt dazu, dass der Raucher mit der Zeit mehr Nikotin benötigt, um den gleichen stimulierenden und belohnenden Effekt zu erzielen – dies ist als Toleranzbildung bekannt.
  • Entzugssymptome: Wenn der Nikotinspiegel im Körper sinkt, kommt es zu Entzugssymptomen wie Reizbarkeit, Angst, Unruhe, Konzentrationsstörungen und gesteigertem Verlangen nach Nikotin. Diese Symptome entstehen durch die vermehrten Nikotinrezeptoren, die ohne die ständige Bindung von Nikotin unteraktiviert sind, was zu einem Ungleichgewicht im dopaminergen System führt.

Psychische Abhängigkeit

Neben der körperlichen Komponente entwickelt sich eine psychische Abhängigkeit. Raucher assoziieren das Rauchen oft mit bestimmten Gewohnheiten und sozialen Situationen (z. B. nach dem Essen, während Pausen oder bei Stress), was die Sucht weiter verstärkt. Diese konditionierte Assoziation führt dazu, dass das Verlangen nach einer Zigarette auch in stressfreien oder ruhigen Situationen auftritt, was die Aufrechterhaltung des Rauchverhaltens unterstützt.

Langfristige Veränderungen

Langfristiger Nikotinkonsum führt zu dauerhaften neurobiologischen Veränderungen, die das Rückfallrisiko nach einem Rauchstopp erhöhen. Selbst nach Wochen oder Monaten der Abstinenz kann der starke Drang nach Nikotin bestehen bleiben, da das Gehirn die erhöhte Rezeptoranzahl und die veränderte Dopaminregulation nur langsam anpasst.

Zusammenfassung

Die Abhängigkeit vom Rauchen entsteht durch eine komplexe Interaktion von neurobiologischen und psychischen Faktoren, bei denen Nikotin eine zentrale Rolle spielt. Die Verstärkung des Belohnungssystems, die Entwicklung von Toleranz und die Ausbildung von Entzugssymptomen führen zu einem Teufelskreis, der die Abhängigkeit aufrechterhält und das Aufhören erschwert.

Ätiologie (Ursachen)

  • Genetische Belastung
    • Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen:
      • Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
        • Gene: CHRNA4, CHRNA5
        • SNP: rs16969968 im Gen CHRNA4
          • Allel-Konstellation: AG (leicht erhöhtes Risiko für einen Nikotinabusus)
          • Allel-Konstellation: AA (erhöhtes Risiko für einen Nikotinabusus)
        • SNP: rs1044396 im Gen CHRNA5
          • Allel-Konstellation: CC (erhöhtes Risiko für einen Nikotinabusus)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Psycho-soziale Situation
    • Neugier
    • Stress
    • Soziale Verstärkung wie die Integration in Gruppen

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS); Anteil der Raucher unter jungen ADHS-Patienten ist zwei- bis dreimal höher als bei anderen Gleichaltrigen [1]

Literatur

  1. Schoenfelder EN, Faraone SV, Kollins SH:Treatment of ADHD and Cigarette Smoking: A Meta-Analysis. Published online May 12, 2014 (doi: 10.1542/peds.2014-0179)