Tabakabhängigkeit – Einleitung

Unter psychischen Störungen und Verhaltensstörungen durch Tabak werden vielfältige Störungen bzw. Krankheiten zusammengefasst, die durch den Gebrauch von Tabak auftreten können. Diese beinhalten sowohl physische Abhängigkeit als auch psychische und Verhaltensstörungen, die durch den Konsum von Tabak verursacht oder verschlimmert werden.

Synonyme und ICD-10: Abhängigkeit von Nikotin; Entzugssyndrom nach Gebrauch von Tabak; Nikotinabhängigkeit; Nikotinabusus; Nikotinentwöhnung; Nikotinentzugssyndrom; Raucherentwöhnung; Tabakabhängigkeit; Tabak-Abhängigkeitssyndrom; Tabakabusus; Tabakentzugssyndrom; ICD-10-GM F17.2: Psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak: Abhängigkeitssyndrom; ICD-10-GM F17.3: Psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak:

Formen der Tabakabhängigkeit

Nach Schweregrad:

  1. Leichte Abhängigkeit: Gelegentlicher Gebrauch von Tabakprodukten, bei dem die physische Abhängigkeit gering ist, jedoch bereits psychische und soziale Auswirkungen vorhanden sein können.
  2. Mittelschwere Abhängigkeit: Regelmäßiger Gebrauch von Tabakprodukten mit deutlicher physischer Abhängigkeit und erkennbaren psychischen und sozialen Beeinträchtigungen.
  3. Schwere Abhängigkeit: Starker und häufiger Gebrauch von Tabakprodukten, bei dem die physische Abhängigkeit hoch ist und erhebliche psychische, soziale und gesundheitliche Probleme vorliegen.

Symptomatik

Physische Symptome

  • Starkes Verlangen nach Tabak (Craving)
  • Entzugssymptome bei Abstinenz (Reizbarkeit, Angst, Konzentrationsstörungen, erhöhte Appetitzunahme)

Psychische Symptome

  • Unruhe und Nervosität
  • Stimmungsschwankungen
  • Beeinträchtigung des Alltags- und Berufslebens

Verhaltenssymptome

  • Regelmäßiger und zwanghafter Konsum von Tabak
  • Fortgesetzter Gebrauch trotz Wissen um gesundheitliche Schäden
  • Nichterfüllung von Verpflichtungen durch Konsum

Kriterien der Tabakabhängigkeit

Eine "Tabakabhängigkeit" besteht, wenn innerhalb des letzten Jahres 3 der 6 folgenden Kriterien über mindestens 2 Monate zutrafen:

  1. Starker Wunsch oder Drang, Tabak zu konsumieren
  2. Eingeschränkte Kontrollfähigkeit über Beginn, Beendigung und Menge des Konsums
  3. Toleranzentwicklung (um gleiche Wirkung zu erzielen, sind zunehmend höhere Dosen erforderlich)
  4. Entzugserscheinungen bei Reduktion oder Beendigung des Konsums
  5. Zunehmende Vernachlässigung anderer Aktivitäten und Interessen zugunsten des Tabakkonsums
  6. Anhaltender Konsum trotz Bewusstsein über die schädlichen Folgen

Aufnahme von Tabak

Tabak wird überwiegend durch das Zigarettenrauchen, aber auch durch Kautabak aufgenommen. Nikotin kann zudem durch Nikotinkaugummis oder -pflaster aufgenommen werden.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen.

Häufigkeitsgipfel: Die Erkrankung beginnt meist schon im Jugendalter, getriggert vor allem durch Neugier und soziale Aspekte. Durchschnittlich beginnen Männer mit dem Rauchen in einem Alter von 18,5 Jahren und Frauen ab 19,7 Jahren.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Die Lebenszeitprävalenz für Tabakabhängigkeit variiert je nach Region und Bevölkerungsgruppe. In Deutschland liegt sie bei etwa 20-25 % der erwachsenen Bevölkerung. Von den Männern rauchen 32,6 % (in der Gruppe der 15- bis 40-Jährigen sind es 41,8 %), von den Frauen 21,1 % (in der Gruppe der 15- bis 40-Jährigen sind es 31,9 %) und von den Jugendlichen zwischen 15 und 20 Jahren rauchen 24,8 % [1]. Bei Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren wird ein Rückgang der Prävalenz des Rauchens beobachtet.

Zusätzliche Daten

  • Im Jahr 2012 betrug das durchschnittliche Alter, in dem Mädchen bzw. Jungen das erste Mal rauchen, 14,3 Jahre. Kinder und Jugendliche sind besonders abhängigkeitsgefährdet. 80 % der Jugendlichen, die bis zu 5 Zigaretten täglich rauchen, erfüllen bereits ein Kriterium der Indikatoren für die Tabakabhängigkeit [1].
  • Durchschnittlich werden in Deutschland ca. 15,4 Zigaretten pro Tag geraucht – Männer rauchen 16,4 Zigaretten pro Tag und Frauen 14,0 Zigaretten pro Tag [1].
  • Mehr als 22 % der Männer und 12,5 % der Frauen rauchen täglich mehr als 20 Zigaretten [1].

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Bekanntheit der Folgen: Trotz Kenntnis der gesundheitlichen Folgen geben viele Raucher den Zigarettenkonsum nicht auf.
  • Reduzierte Lebenserwartung:
    • Männer, die täglich mehr als 10 Zigaretten rauchen, verlieren im Schnitt 9,4 Jahre ihrer Lebenserwartung.
    • Frauen verlieren im Schnitt 7,3 Jahre.
    • Wer weniger als 10 Zigaretten am Tag raucht, verliert etwa 5 Jahre an Lebenserwartung (beide Geschlechter) [2].
  • Angst vor Entzugserscheinungen: Viele Raucher haben Angst vor Entzugserscheinungen und hören deshalb nicht auf.
  • Moderne Entwöhnungstherapien: Diese berücksichtigen sowohl körperliche als auch psychische Verhaltensmuster.
  • Unterstützungsmethoden:
    • Nikotinersatztherapie per E-Zigarette (ca. 7 % der Versuche)
    • Ärztliche Kurzberatung

Prognose

  • Erfolgsquote bei ärztlicher oder psychologischer Begleitung: Etwa 25 % Erfolgsquote.
  • Erfolgsquote ohne Begleitung: Etwa 10 % Erfolgsquote.
  • Mehrere Anläufe erforderlich: Die meisten Betroffenen benötigen drei bis vier ernsthafte Anläufe, um das Rauchen aufzugeben.
  • Lebenserwartung:
    • Ca. 60 % aller Nichtraucher erreichen das 80. Lebensjahr.
    • Nur 26 % der Raucher erreichen das 80. Lebensjahr [2].
  • Rauchstoppversuche: Nur jeder fünfte Raucher in Deutschland unternimmt mindestens einen Rauchstoppversuch pro Jahr.

Literatur

  1. Di Franza, JR, Rigotti, NA, Mc Neill, AD et al.: Initial symptoms of nicotine dependence in adolescents. Tobacco Control. 2000; 9: 313-319.
  2. Li K, Hüsing A, Kaaks R: Lifestyle risk factors and residual life expectancy at age 40: a German cohort study. BMC Medicine 2014, www.biomedcentral.com/1741-7015/12/59

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung. (AWMF-Registernummer: 076-006), Januar 2021 Kurzfassung Langfassung