Störungen der Vestibularfunktion – Symptome – Beschwerden

Das Symptom Schwindel wird oftmals begleitet von verschiedenen anderen Symptomen:

  • Nausea (Übelkeit)
  • Nystagmus (unwillkürliche, aber schnelle rhythmische Augenbewegungen)
  • Lagelabilität
  • Ataxie (Gangstörungen)

Art des Schwindels

  • Systematischer Schwindel (gerichteter Schwindel)
    • Dauerschwindel
    • Drehschwindel
    • Höhenschwindel
    • Lagerungsschwindel
    • Lageschwindel
    • Liftschwindel
    • Schwankschwindel
  • Unsystematischer Schwindel (ungerichteter Schwindel, diffuser Schwindel)

Morbus Menière

Folgende Symptome und Beschwerden können auf Morbus Menière hinweisen:

Leitsymptome (Menière-Trias)
Diese Leitsymptome lenken den Verdacht auf Morbus Menière und werden oft zuerst bemerkt:

  • Akut auftretender Dreh-/Schwankschwindel (Vertigo): Häufig begleitet von Übelkeit und Erbrechen [zwei oder mehr Schwindelattacken von 20 Minuten Dauer oder länger]
  • Einseitiges Ohrensausen (Tinnitus) [Tinnitus oder Ohrdruck im betroffenen Ohr]
  • Schallempfindungsschwerhörigkeit [nachgewiesene Hörminderung in mindestens einem Hörtest]

[ ] klinische Diagnosekriterien 

Hauptsymptome (primäre Symptome)
Diese Hauptsymptome prägen das klinische Bild von Morbus Menière:

  • Diplakusis: Töne werden im betroffenen Ohr höher oder tiefer als normal empfunden (in 30-40 % der Fälle).
  • Druck-/Völlegefühl im betroffenen Ohr: Geht oft den Schwindelattacken voraus (in 60-70 % der Fälle)

Begleitsymptome (sekundäre Symptome)
Diese Begleitsymptome sind weniger charakteristisch und können auf Komplikationen hinweisen:

  • Nystagmus: Unwillkürliche, rhythmische Augenbewegungen (Augenzittern) während der Schwindelattacken (in 50-60 % der Fälle)
  • Starke vegetative Begleitsymptome:
    • Nausea (Übelkeit) (in 70-80 % der Fälle)
    • Emesis (Erbrechen) (in 50-60 % der Fälle)
    • Harn- und Stuhldrang (in 30-40 % der Fälle)
    • Schweißausbrüche (in 50-70 % der Fälle)
    • Tachykardie: Ein schneller Herzschlag von über 100 Schlägen pro Minute (in 40-50 % der Fälle)
    • Angst: Häufig begleitet von Panikgefühlen während der Schwindelattacken (in 60-70 % der Fälle)

Der Schwindel dauert in der Regel Minuten bis Stunden und wiederholt sich in unregelmäßigen Abständen. 

Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel

Folgende Symptome und Beschwerden können auf den benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel (BPLS; Synonym: benigner peripherer paroxysmaler Lagerungsschwindel (BPPV)) hinweisen:

Leitsymptome
Diese Leitsymptome lenken den Verdacht auf einen benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel (BPLS) und werden oft zuerst bemerkt:

  • Drehschwindelattacken: Plötzlich einsetzender, kurz andauernder Drehschwindel (meist nicht länger als 30 Sekunden bis 1 Minute). Der Schwindel tritt häufig beim Hinlegen, Drehen des Kopfes, Hoch- oder Runterschauen auf. Häufig wird der Schwindel auch in der Nacht bemerkt, wenn Patienten sich im Bett umdrehen. Diese Attacken sind charakteristisch für BPLS.

Begleitsymptome (sekundäre Symptome)
Diese Begleitsymptome sind weniger charakteristisch und können auf Komplikationen hinweisen:

  • Übelkeit (Nausea): Übelkeit kann als Begleitsymptom während oder nach den Schwindelattacken auftreten und betrifft etwa 30-50 % der Patienten.
  • Oszillopsien (Scheinbewegungen der Umwelt): Einige Patienten berichten, dass die Umgebung sich scheinbar bewegt oder schwankt, was eine Folge des Schwindels sein kann. Dies tritt bei etwa 10-20 % der Patienten auf.

Unspezifische Symptome
Diese unspezifischen Symptome treten bei vielen Erkrankungen auf und tragen weniger zur Diagnose bei:

  • Allgemeine Unsicherheit: Patienten fühlen sich oft unsicher oder instabil, was zu einem vorsichtigen Verhalten, besonders bei schnellen Bewegungen, führen kann.

Neuritis vestibularis (NV)

Folgende Symptome und Beschwerden können auf die Neuritis vestibularis (NV; Synonym: Neuropathia vestibularis) hinweisen:

Leitsymptome
Diese Leitsymptome lenken den Verdacht auf eine Neuritis vestibularis und werden oft zuerst bemerkt:

  • Dauerdrehschwindel (akut einsetzend): Ein plötzlich auftretender, anhaltender Drehschwindel, der Tage bis Wochen andauern kann, ist das Hauptsymptom der Neuritis vestibularis. Diese Schwindelattacken sind sehr belastend.
  • Verstärkung des Schwindels bei Kopfbewegungen: Der Schwindel wird durch Kopfbewegungen, insbesondere durch das Drehen des Kopfes, verschlimmert. Patienten bemerken dies vor allem am Morgen nach dem Aufwachen.

Hauptsymptome (primäre Symptome)
Diese Hauptsymptome prägen das klinische Bild der Neuritis vestibularis:

  • Gangunsicherheit: Eine einseitige Fallneigung (ipsilateral) führt zu Unsicherheit im Stand und beim Gehen, was besonders bei Bewegungen auffällt.
  • Nausea (Übelkeit) und Erbrechen (Emesis): Schwindelattacken gehen häufig mit Übelkeit und gelegentlichem Erbrechen einher, was bei ca. 60-70 % der Patienten beobachtet wird.
  • Defizit des vestibulookulären Reflexes (VOR): Bei Kopfdrehung zur betroffenen Seite wird ein Defizit des VOR festgestellt. Der VOR (vestibulookulärer Reflex) ermöglicht eine stabile visuelle Wahrnehmung bei plötzlicher Kopfbewegung. Dieses Defizit kann durch den Bedside-Kopfimpulstest des horizontalen Bogengangs diagnostiziert werden.

Begleitsymptome (sekundäre Symptome)
Diese Begleitsymptome sind weniger charakteristisch und können auf Komplikationen hinweisen:

  • Oszillopsien (Scheinbewegungen der Umwelt): Einige Patienten berichten, dass sich die Umgebung scheinbar bewegt oder schwankt. Dies tritt bei ca. 10-20 % der Patienten auf und verstärkt das Gefühl von Unsicherheit.
  • Nystagmus (Augenzittern): Es tritt ein unwillkürlicher, rhythmischer Nystagmus auf, der in Richtung der nicht betroffenen Seite zeigt. 

Unspezifische Symptome
Diese unspezifischen Symptome treten bei vielen Erkrankungen auf und tragen weniger zur Diagnose bei:

  • Allgemeine Müdigkeit und Erschöpfung: Durch die Dauerbelastung des Schwindels fühlen sich viele Patienten erschöpft und kraftlos.

Das Hören ist nicht gestört.

Bilaterale Vestibulopathie (BV)

Folgende Symptome und Beschwerden können auf die bilaterale Vestibulopathie (BV) hinweisen:

Leitsymptome
Diese Leitsymptome lenken den Verdacht auf eine bilaterale Vestibulopathie (BV) und werden oft zuerst bemerkt:

  • Gang- und Standunsicherheit*: Patienten berichten oft von Unsicherheit beim Gehen und Stehen, besonders in Situationen, in denen visuelle Informationen eingeschränkt sind (z. B. im Dunkeln oder auf unebenem Boden). Diese Unsicherheit ist eines der charakteristischen Symptome der BV.
  • Bewegungsabhängiger Schwankschwindel: Ein Schwankschwindel, der vor allem bei Kopf- und Körperbewegungen auftritt, wird häufig beschrieben. Dieser Schwankschwindel verstärkt sich bei schneller oder plötzlicher Bewegung.

Hauptsymptome (primäre Symptome)
Diese Hauptsymptome prägen das klinische Bild der bilateralen Vestibulopathie:

  • Oszillopsien (Scheinbewegungen der Umwelt): Bei Kopfbewegungen berichten viele Patienten von dem Gefühl, dass sich ihre Umgebung scheinbar bewegt. Dies kann das Sehen beeinträchtigen und führt oft zu erheblicher Beeinträchtigung im Alltag.
  • Standunsicherheit*: Die Fähigkeit, stabil zu stehen, ist oft beeinträchtigt, besonders wenn der visuelle Input fehlt, z. B. beim Schließen der Augen oder im Dunkeln. Dies führt zu häufigem Schwanken und Unsicherheit.

Begleitsymptome (sekundäre Symptome)
Diese Begleitsymptome sind weniger charakteristisch und können auf Komplikationen hinweisen:

  • Störungen des Raumgedächtnisses: Einige Patienten berichten über Schwierigkeiten, sich in Räumen zu orientieren, was mit einer verminderten Wahrnehmung der Position des eigenen Körpers im Raum in Zusammenhang steht. Dies betrifft etwa 20-30 % der Patienten.

Unspezifische Symptome
Diese unspezifischen Symptome treten bei vielen Erkrankungen auf und tragen weniger zur Diagnose bei:

  • Allgemeine Erschöpfung und Müdigkeit: Durch die ständige Anstrengung, Gleichgewicht zu halten und sich sicher zu bewegen, fühlen sich viele Patienten müde und erschöpft.

*Verstärken sich im Dunkeln und bei unebenem Boden

Vestibuläre Migräne

Die vestibuläre Migräne ist die häufigste Ursache für rezidivierende, spontan auftretende Schwindelattacken.

Folgende Symptome und Beschwerden können auf die vestibuläre Migräne hinweisen:

Diagnostische Kriterien [1]

Sichere vestibuläre Migräne

A. Mindestens 5 Episoden mit vestibulären Symptomen (z. B.  (Dreh- oder Schwankschwindel, Gangunsicherheit, Benommenheitsgefühl)) mittlerer oder starker Intensität und einer Dauer von 5 Minuten bis 72 Stunden

B. Aktive oder frühere Migräne mit oder ohne Aura nach den Kriterien der ICHD*

C. Ein/mehrere Migränesymptome während mindestens 50 % der vestibulären Episoden: Kopfschmerzen mit mindestens 2 der folgenden Merkmale (einseitige Lokalisation, pulsierender Charakter, mittlere oder starke Schmerzintensität, Verstärkung durch körperliche Routineaktivitäten): Photophobie und Phonophobie und/oder visuelle Aura.

D. Nicht auf eine andere vestibuläre oder ICHD-Diagnose zurückzuführen

Wahrscheinliche vestibuläre Migräne

A. Mindestens 5 Episoden mit vestibulären Symptomen mittlerer oder starker Intensität und einer Dauer von 5 Minuten bis 72 Stunden

B. Nur eines der beiden Kriterien B und C der vestibulären Migräne trifft zu (Migräneanamnese oder Migränesymptome während der Attacke)

C. Nicht auf eine andere vestibuläre oder ICHD-Diagnose zurückzuführen

*ICHD International Classification of Headache Disorders

Vestibularisparoxysmie 

Folgende Symptome und Beschwerden können auf die Vestibularisparoxysmie hinweisen:

Leitsymptome
Diese Leitsymptome lenken den Verdacht auf eine Vestibularisparoxysmie und werden oft zuerst bemerkt:

  • Dreh- oder Schwankschwindelattacken: Die Schwindelattacken dauern mindestens 10 Sekunden bis zu einer Minute und können bis zu hundertmal pro Tag auftreten. Patienten erleben mindestens 10 dieser Attacken pro Tag. Diese Schwindelattacken treten häufig ohne spezifischen Auslöser auf, können aber auch durch bestimmte Kopf- oder Körperpositionen ausgelöst werden.

Begleitsymptome (sekundäre Symptome)
Diese Begleitsymptome sind weniger charakteristisch und können auf Komplikationen hinweisen:

  • Einseitiger Tinnitus (Ohrensausen): Kann begleitend zu den Schwindelattacken auftreten, betrifft jedoch nur etwa 10-20 % der Patienten
  • Taubheit oder Druckgefühl im Ohr: Kann im betroffenen Ohr vorkommen, ist aber ebenfalls selten
  • Einseitige Hörminderung: In seltenen Fällen

Unspezifische Symptome
Diese unspezifischen Symptome treten bei vielen Erkrankungen auf und tragen weniger zur Diagnose bei:

  • Unruhe und Angst: Wiederkehrende Schwindelattacken können zu Unsicherheit und Angst führen, besonders bei häufigerem Auftreten.

Weitere Hinweise

  • Die Schwindelattacken treten spontan auf und können zum Teil durch Kopfbewegungen oder Hyperventilation getriggert werden.

Warnzeichen (red flags)

  • Anamnestische Angaben:
    • Chronischer Alkoholkonsum
    • Otitis media (Mittelohrentzündung), akute und chronische
    • Seh‑, Sprech- und Schluckstörungen oder andere neurologische Ausfälle
  • Bei Patienten im Alter von 20 bis 40 Jahren mit episodenhaftem Schwindel und unklaren neurologischen Symptomen → denken an: Multiple Sklerose (MS)
  • Blickrichtungsnystagmus und/oder vertikale Abweichung der Achse beider Augen → denken an: Hirnstamminfarkt
  • Gangataxie → denken an: Transitorische ischämische Attacke (TIA) bzw. Apoplex (Schlaganfall)
  • Synkope (kurzzeitige Bewusstlosigkeit, die durch eine Minderdurchblutung des Gehirns bedingt ist und meist mit einem Verlust des Muskeltonus einhergeht)
  • Plötzlicher Hörverlust (innerhalb von 72 Stunden) oder progrediente (rasch fortschreitend) Symptomatik
    • mit /ohne plötzlichen Hörsturz (plötzlich eintretende, einseitige, fast vollständige Hörminderung) → denken an: Akustikusneurinom

Literatur

  1. Lempert T, Olesen J, Furman J et al.: Vestibular migraine: diagnostic criteria. J Vestib Res 2012;22(4):167-72. doi: 10.3233/VES-2012-0453.