Störungen der Vestibularfunktion – Körperliche Untersuchung
Eine umfassende klinische Untersuchung ist die Grundlage für die Auswahl der weiteren diagnostischen Schritte:
- Allgemeine körperliche Untersuchung – inklusive Blutdruck, Puls, Körpergewicht, Körpergröße; des Weiteren:
- Inspektion (Betrachtung):
- Haut, Schleimhäute und Augen [Nystagmus – unwillkürliche, aber schnelle rhythmische Augenbewegungen; wird auch im Anfall bei einem Morbus Menière gesehen]
- Gangbild bzw. Untersuchung von Gang und Balance (Gangprüfung mit offenen und geschlossenen Augen): [Gangataxie (Gangstörungen)]
- frei gewählte Gehgeschwindigkeit
- Geh- und Zähltest
- Aufsteh- und Gehtest ("Timed Up and Go"-Test)
- Romberg-Stehversuch (Synonyme: Romberg-Test; Romberg-Versuch) − Der Romberg-Stehversuch dient als klinischer Test der Untersuchung einer Ataxie (vestibulär, spinal (Rückenmark) oder zerebellär (Kleinhirn)) und kann helfen, zwischen einer spinalen ("rückenmarkbedingt") und einer zerebellären ("kleinhirnbedingten) Ataxie (Störungen der Bewegungskoordination) zu differenzieren.
Zur Durchführung wird der Patient gebeten, sich mit dicht nebeneinander stehenden Füßen und vorgestreckten Armen hinzustellen und die Augenlider zu schließen.
Ein positiver Befund (= positives Romberg-Zeichen) bezeichnet eine Verschlechterung der Koordination durch den Schluss der Augenlider. Als Zeichen der Verschlechterung ist ein zunehmendes Schwanken zu erwarten, welches für eine spinale Ataxie spräche.
Bei einem negativen Befund liegt eine unveränderte Koordination nach Augenschluss vor.- Kann der Patient auch mit geöffneten Augen ein Schwanken nur unvollständig oder gar nicht kontrollieren, spricht dies für eine zerebelläre Ataxie.
- Eine Fallneigung in eine Richtung nach Augenschluss spräche für eine Schädigung des jeweiligen Vestibularorgans (Gleichgewichtsorgan).
- Inspektion (Betrachtung):
- HNO-ärztliche Untersuchung – [wg. Differentialdiagnosen:
- Akute Otitis media (Mittelohrentzündung)
- Akute periphere Vestibulopathie – Akute Erkrankung des Gleichgewichtsorgans
- Cholesteatom (Synonym: Perlgeschwulst) – Einwucherung von mehrschichtig verhornendem Plattenepithel in das Mittelohr mit nachfolgender chronisch-eitriger Entzündung des Mittelohrs
- Labyrithitis – Entzündung des Labyrinths (Bogengänge im Innenohr), die zu Gleichgewichtsstörungen führen kann
- Morbus Menière – das Innenohr betreffende Erkrankung mit den Symptomen Vertigo (Schwindel), einseitiger Tinnitus (Ohrgeräusche) und Schallempfindungschwerhörigkeit
- Perilymphfistel – pathologische Verbindungen zwischen den einzelnen Räumen des Innenohrs
- Schwerhörigkeit
- Zoster oticus – Sonderform des Herpes zoster (Gürtelrose), die das Ohr betrifft (Entzündung der Ganglienzellen des VII. und VIII. Hirnnerven)]
- Neurologische Untersuchung – inklusive Schwindel-Provokationstests etc. [wg. Differentialdiagnosen:
- Epilepsie (Fallsucht; Krampfleiden)
- Hirntumoren
- Kleinhirnerkrankungen
- Migräne
- Myelopathie (Rückenmarkerkrankungen)
- Panikattacke
- Periphere Neuropathie – Oberbegriff für bestimmte Erkrankungen des peripheren Nervensystems, die mehrere Nerven betreffen und zu Nervenschäden führen
- TIA (transitorische ischämische Attacke) – kurzzeitige Durchblutungsstörung im Gehirn
- Vestibuläre Neuritis – Entzündung der zum Gleichgewichtsorgan zählenden Nerven]
- Orthopädische Untersuchung [wg. Differentialdiagnose: Funktionsstörungen der Halswirbelsäule]
- Psychiatrische Untersuchung [wg. Differentialdiagnosen:
- Agoraphobie – Angst vor weiten Plätzen
- Alkoholabusus (starker Alkoholkonsum)
- Depression
- Drogenkonsum]
- Gesundheitscheck
Krankheiten und deren typische Schwindelformen
Krankheiten | Schwindelformen |
Bilaterale Vestibulopathie (BV; beidseitige Schädigung des Gleichgewichtsorgans; 17,1 %), phobischer Schwankschwindel (15 %) | Dauerschwankschwindel |
Neuritis vestibularis (8,3 %), zentrale Hirnstammläsion | Dauerdrehschwindel |
Paroxysmaler Lagerungsschwindel (häufigste vestibuläre Schwindelerkrankung.) | Drehschwindel bei Kopf-/Körperlageänderung |
Vestibularisparoxysmie (neurovaskuläres Kompressionssyndrom des achten Hirnnerven; 3,7 %) | Häufige, kurzdauernde Schwindelattacken |
Vestibuläre Migräne (Schwindel ist dabei Teilsymptom der Migräne; 11,4 %), M. Menière (10,1 %) | Spontane, wiederholte Schwindelattacken |
In eckigen Klammern [ ] wird auf mögliche pathologische (krankhafte) körperliche Befunde hingewiesen.