Spinale Muskelatrophie – Anamnese
Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik der spinalen Muskelatrophie (SMA) dar.
Familienanamnese
- Gibt es in Ihrer Familie bekannte Fälle von spinaler Muskelatrophie (Eltern, Geschwister, Großeltern)?
- Sind in Ihrer Familie andere neuromuskuläre Erkrankungen aufgetreten (z. B. Muskeldystrophien, Motoneuronerkrankungen)?
- Haben nahe Verwandte im Kindesalter motorische Entwicklungsverzögerungen oder ausgeprägte Muskelschwäche gezeigt?
Sozialanamnese
- Wie ist die familiäre Betreuungssituation des Kindes (z. B. Alleinerziehende, pflegebedürftige Angehörige)?
- Bestehen Schwierigkeiten in der sozialen Integration des Kindes (z. B. in Kita, Schule)?
- Werden besondere Hilfsmittel benötigt (z. B. Rollstuhl, Orthesen, Beatmung)?
- Erhält das Kind bereits sozialpädiatrische oder heilpädagogische Förderung?
- Besteht ein Antrag auf Pflegegrad oder Schwerbehindertenausweis?
- Erhält das Kind Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (z. B. Eingliederungshilfe, Pflegeversicherung)?
Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)
(Im Regelfall als Fremdanamnese durch Eltern, Betreuungspersonen oder Fachärzt:innen zu erheben.)
- Haben sich bereits in der Schwangerschaft Hinweise auf eine verminderte fetale Bewegung im Ultraschall gezeigt?
- Zeigte das Kind eine verzögerte motorische Entwicklung (z. B. späteres Drehen, Sitzen, Krabbeln, Gehen)?
- Hat das Kind erworbene motorische Fähigkeiten wieder verloren?
- Besteht Muskelschwäche im Bereich der Beine, Arme, Schultergürtel oder Gesichtsmuskulatur?
- Kommt es zu häufigem Stolpern oder Hinfallen beim Laufen und Rennen?
- Bestehen Schwierigkeiten beim Treppensteigen, Klettern oder Heben von Gegenständen?
- Hat das Kind Probleme beim Aufstehen aus der Hocke oder vom Boden (positives Gowers-Zeichen)?
- Liegt ein auffälliges Gangbild vor (z. B. Watschelgang, breite Standbasis)?
- Wie ist die Grob- und Feinmotorik im Vergleich zu Gleichaltrigen?
- Bestehen Sprachentwicklungsverzögerungen oder Artikulationsprobleme?
- Kommt es zu Saug- oder Schluckstörungen?
- Bestehen Atemprobleme, insbesondere bei Infekten?
- Liegen wiederkehrende Lungenentzündungen oder andere Atemwegserkrankungen vor?
- Besteht ein Husten mit Atemnot oder nächtliches Schnarchen?
- Wie ist der Allgemeinzustand und die psychische Verfassung des Kindes?
- Gibt es Hinweise auf eine depressive Verstimmung oder sozialen Rückzug aufgrund der körperlichen Einschränkungen?
Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese
- Ist das Kind übergewichtig oder untergewichtig? Geben Sie bitte uns Körpergewicht (in kg) und Körpergröße (in cm) an.
- Gibt es Hinweise auf Gedeihstörungen?
- Bestehen Essprobleme oder eine Mangelernährung?
- Kommt es zu häufigem Erbrechen oder Reflux?
- Hat sich der Appetit in letzter Zeit verändert?
Eigenanamnese
- Vorerkrankungen:
- Liegen wiederholte Atemwegsinfekte oder Pneumonien (Lungenentzündungen) vor?
- Besteht eine Herzinsuffizienz (Herzschwäche)?
- Gab es Hinweise auf ein Lymphödem (Flüssigkeitsansammlungen durch gestörten Lymphabfluss)?
- Bestehen psychische Störungen (z. B. Angststörung, depressive Symptome bei älteren Kindern)?
- Operationen:
- Welche Operationen wurden bisher durchgeführt (z. B. Muskelbiopsie, Wirbelsäulenoperation, Versorgung mit Ernährungssonde)?
- Gab es Komplikationen unter Narkose?
- Wurden Impfungen bei erhöhtem Risiko (z. B. Pneumokokken, Influenza) durchgeführt?
- Medikamentenanamnese:
- Welche Medikamente nimmt das Kind derzeit ein (z. B. Nusinersen, Risdiplam)?
- Bestehen Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen?
Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.
Leitlinien
- S1-Leitlinie: Spinale Muskelatrophie (SMA), Diagnostik und Therapie. (AWMF-Registernummer: 022 - 030), Februar 2020 Langfassung