Schlaganfall (Apoplex) – Symptome – Beschwerden

Die klinischen Leitsymptome eines akuten Schlaganfalls sind im Erwachsen- und Kindesalter gleich.

Jedes Gefäß hat ein bestimmtes Versorgungsgebiet im Gehirn, und jede Hirnregion ist für unterschiedliche Körperfunktionen zuständig. Daher können bei Schlaganfällen unterschiedliche Symptome auftreten.

Symptome unabhängig vom betroffenen Gefäß

Einige Symptome können jedoch auch unabhängig vom betroffenen Gefäß oder der betroffenen Hirnregion auftreten. Dazu zählen unter anderem:

Leitsymptome
Diese Leitsymptome lenken den Verdacht auf einen Apoplex (Schlaganfall) und werden oft zuerst bemerkt:

  • Bewusstseinsstörung: Veränderungen des Bewusstseins, die von Benommenheit bis zur Bewusstlosigkeit reichen können (Häufigkeit: 20-40 %)
  • Bewusstlosigkeit bis zum Koma: Insbesondere bei schweren Schlaganfällen (Häufigkeit: 10-20 %)

Hauptsymptome (primäre Symptome)
Diese Hauptsymptome prägen das klinische Bild eines Apoplex:

  • Cephalgie (Kopfschmerzen): Treten häufig bei einem Schlaganfall auf, insbesondere bei hämorrhagischen Formen (Häufigkeit: 30 %)
  • Übelkeit und Erbrechen: Gehen oft mit einem Schlaganfall einher, besonders bei posterioren Hirninfarkten (Häufigkeit: 30-50 %)

Begleitsymptome (sekundäre Symptome)
Diese Begleitsymptome sind weniger charakteristisch und können auf Komplikationen hinweisen:

  • Babinski-Reflex: Ein pathologischer Reflex, bei dem das Bestreichen des seitlichen Fußsohlenrandes zu einer Streckung des großen Zehs nach oben führt. Dies ist ein Zeichen für eine Schädigung der Pyramidenbahn.
  • Hirnnervenbeteiligung mit entsprechenden Symptomen:
    • Dysphagie (Schluckstörung): Schwierigkeiten beim Schlucken, die auf eine Hirnstammbeteiligung hinweisen (Häufigkeit: 20-30 %)
    • Abweichen der Zunge beim Herausstrecken: Die Zunge weicht beim Herausstrecken zur Seite ab, was auf eine Hirnnervenläsion hinweist
    • Blicklähmungen: Beeinträchtigung der Augenbewegungen, die zu einer Blicklähmung führen kann

Unspezifische Symptome
Diese unspezifischen Symptome treten bei vielen Erkrankungen auf und tragen weniger zur Diagnose bei:

  • Allgemeines Unwohlsein: Ein Gefühl von Unbehagen oder Schwäche, das nicht spezifisch für einen Schlaganfall ist, aber häufig bei schweren neurologischen Ereignissen auftritt

Spezifische anatomische und pathophysiologische Aspekte:

  • Versorgungsgebiete und Symptome: Die Arteria carotis interna und die Arteria cerebri media sind häufig betroffene Gefäße bei Schlaganfällen. Ein Verschluss der Arteria cerebri media führt typischerweise zu Hemiparesen (Lähmung einer Körperhälfte), da sie große Teile des motorischen Kortex versorgt. Da die Pyramidenbahn kreuzt, tritt bei einem Infarkt der linken Hemisphäre eine Lähmung der rechten Körperseite auf und umgekehrt.
  • Kreuzung der Pyramidenbahn: Diese Kreuzung erklärt die kontralaterale Ausprägung von Lähmungen und motorischen Ausfällen, die ein zentrales Merkmal vieler Schlaganfälle darstellen.

Am häufigsten ist die Arteria carotis interna mit 50 Prozent aller Schlaganfälle betroffen, in 25 Prozent der Fälle die Arteria cerebri media. Ebenso können Gefäße betroffen sein, die aus diesen abgehen.

Da die Nervenfasern der sogenannten Pyramidenbahn – verantwortlich für willkürliche Bewegungen – kreuzen und zur Gegenseite ziehen, treten Lähmungssymptome bei einem linksseitigen Infarkt auf der rechten Körperseite auf und umgekehrt.

Symptome in Abhängigkeit von der Lokalisation

Betreffend: A. carotis interna oder A. cerebri media 

Folgende Symptome treten vorrangig auf, wenn die A. carotis interna oder die A. cerebri media betroffen sind:

  • Hemiplegie vollständige Lähmung einer Körperhälfte
  • Hemiparese inkomplette Lähmung einer Körperhälfte (hier: kontralaterale sensomotorische Hemiparese)
  • Halbseitige Lähmung des Gesichts
  • Sensibilitätsstörungen der betroffenen Körperhälfte
  • Wahrnehmungsstörung der betroffenen Körperhälfte (Neglektsyndrom: Aufmerksamkeitsstörung: Betroffene vernachlässigt dabei eine Körperhälfte)
  • Sehstörungen Hemianopsie, Quadrantenanopsie auf beiden Augen wird die Hälfte oder ein Viertel des Gesichtsfeldes nicht mehr wahrgenommen
  • Herdblick die Augen schauen zur betroffenen Gehirnhälfte
  • Diplopie (Doppeltsehen, Doppelbilder)
  • Aphasie (Sprachstörungen)
  • Dysphagie (Schluckstörungen)
  • Apraxie Unfähigkeit, bestimmte Handlungen durchzuführen, z. B. Telefonieren

Betreffend: Arteria cerebri posterior

Ist der hintere Hirnkreislauf betroffen, genauer gesagt die Arteria cerebri posterior, können folgende Symptome/Begleitsymptome im Vordergrund stehen:

  • Schwindel
  • Nystagmus – Augenzittern mit langsamer Bewegung in der einen und schneller nachfolgender Bewegung in der entgegengesetzten Richtung
  • Gangunsicherheit
  • Ataxie – Störung der Bewegungsabläufe mit z. B. überschießenden Arm- und Handbewegungen
  • Tremor (Zittern)
  • Sehstörungen
    • Diplopie (Doppeltsehen, Doppelbilder)
    • Blickparesen (Blicklähmungen)
    • kontralaterale homonyme Hemianopsie – Sehstörung mit Gesichtsfeldausfall (Skotom), bei der ein gleichseitiger Teil des Gesichtsfelds beider Augen abgeschwächt ist
    • Laterale Augendeviation („ocular lateral deviation“, OLD) – seitliche Abweichung der Augen, die durch Augenschluss verstärkt wird; es handelt sich dabei um ein vestibuläres Zeichen, das sowohl bei zentralen (in der hinteren Schädelgrube, d. h. im Kleinhirn und Hirnstamm) als auch bei peripheren (im Labyrinth) Vestibulopathien auftritt [5].
  • Dysarthrie – Beeinträchtigung der Sprechmotorik
  • Hinterkopfschmerzen
  • Verminderter Lidschlag

Betreffend: Kleinhirn

Bei Apoplex des Kleinhirns treten häufig folgende Symptome auf:

  • Schwindel
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Gleichgewichtsstörungen

Betreffend: A. vertebralis und A. basilaris

Bei vertebrobasilären Infarkten treten häufig folgende Symptome auf:

  • Übelkeit und Erbrechen

Bei Hirnstamm-Infarkten (z. B. bei Thrombose der A. basilaris, "Basilaristhrombose", Hirnstammblutungen, großen Hemisphärenläsionen, großen Hemisphärenläsionen, ausgedehnte Subarachnoidalblutung (SAB)) können folgende Symptome im Vordergrund stehen [2]:

  • Bewusstseinsstörungen bis zum Koma

Beachte: Bei kurzzeitigen Bewusstseinsverlusten ohne fokale Symptomatik handelt es sich im Regelfall um Synkopen (kurzzeitige Bewusstlosigkeit, die durch eine Minderdurchblutung des Gehirns bedingt ist und meist mit einem Verlust des Muskeltonus einhergeht; DD Bewusstseinsverlust bei Epilepsie) und nicht um eine transitorische ischämische Attacke (TIA; plötzlich auftretende Durchblutungsstörung des Gehirns, die zu neurologische Störungen führt, die sich innerhalb von 24 Stunden zurückbilden).

Je nach Lokalisation der Schädigung – rechte oder linke Gehirnhälfte – treten ebenfalls unterschiedliche Symptome auf:

  • In der rechten Gehirnhälfte liegen visuell-räumliche Fähigkeiten. Patienten mit einem Schlaganfall in der rechten Gehirnseite sind meist räumlich desorientiert und haben Aufmerksamkeitsprobleme. Einige zeigen einen sogenannten „Halbseiten-Neglect“ – die linke Körperseite wird plötzlich nicht mehr wahrgenommen, obwohl keine Sehstörung vorliegt. Manche Patienten laufen gegen Türrahmen oder rasieren sich nur eine Hälfte des Gesichts. Weiterhin kann eine Agnosie vorliegen – bestimmte Dinge werden nicht erkannt – zum Beispiel Gegenstände.
    Bei einer sogenannten „Prosopagnosie“ können die Betroffenen Gesichter nicht erkennen – manchmal sogar nicht einmal ihr eigenes Spiegelbild.
    Weiterhin können nach einer Schädigung der rechten Gehirnseite künstlerische und musikalische Fähigkeiten verloren gehen, ebenso die Sprachmelodie sowie die Fähigkeit, Witze zu verstehen.
  • In der linken Gehirnhälfte befindet sich bei 95 Prozent der Rechtshänder das Sprachzentrum. Das heißt, dass ein rechtshändiger Schlaganfallpatient mit einer Schädigung in der linken Gehirnhälfte mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls eine Aphasie (Sprachstörung) aufweist. Eine Aphasie bezieht sich auf das Sprechen, Verstehen, Lesen und Schreiben. Zudem ist bei diesen Patienten mit Aphasie aufgrund der Schädigung der linken Gehirnhälfte häufig gleichzeitig die rechte Körperhälfte gelähmt (rechtsseitige Hemiplegie).
    Bei Linkshändern ist es aber nicht genau umgekehrt – rund 70 Prozent haben das Sprachzentrum auf der linken Seite, die restlichen 30 Prozent haben ihr Sprachzentrum auf beiden Seiten.

Syndrom des Okzipitallappens (Hinterhauptlappen (lat. Lobus occipitalis ist der hinterste Anteil des Großhirns)

Bei Störungen im Bereich der Sehrinde kommt es zu plötzlichen Sehstörungen in Form einer Hemianopsie (halbseitiger Gesichtsfeldausfall). Der Patient nimmt dieses häufig nur als diffuse Sehstörung wahr.

„Face, Arm, Speech, Time“ (FAST)-Test zum schnellen Nachweis eines Insults

Der nachfolgend beschriebene FAST-Test ermöglicht, wichtige und typische Schlaganfallsymptome im Notfall schnell zu überprüfen. Er weist eine Sensitivität (Prozentsatz erkrankter Patienten, bei denen die Krankheit durch die Anwendung der Anamnese erkannt wird, d. h. ein positives Resultat auftritt) von 64-97 % und eine Spezifität (Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich Gesunde, die nicht an der betreffenden Erkrankung leiden, durch das Verfahren auch als gesund erkannt werden) von 13-63 % auf. Der Test berücksichtigt die folgenden vier Faktoren [1] :

  • Face: Schiefes Lächeln? Hängendes Gesicht nach einer Seite?
  • Arm: Taubheit oder Schwäche in Arm oder Fuß, ohne dass dieses als Folge einer Operation erklärbar wäre?
  • Speech: Verwaschene Sprache? Schwierigkeiten beim Sprechen oder Verstehen?
  • Time: Trifft einer der zuvor genannten Befunde zu und ist dies nicht durch andere Faktoren (Anästhetika (Narkosemittel), Analgetika (Schmerzmittel) oder andere Pharmaka) erklärbar, dann ist der Patient sofort auf eine "Stroke unit" zu verlegen – gemäß dem Slogan "Time is brain" ("Zeit ist Hirn“)

Triage wg. Zuführung von Apoplex-Patienten zu einer interventionellen Therapie

Patienten mit Schlaganfällen nach Verschluss größerer Gefäße (intrakraniale Carotis interna, Cerebri media bis in die M1-Äste) sollten eine interventionellen Thrombektomie (operative Entfernung eines Blutgerinnsels (Thrombus) aus einem Blutgefäß) erhalten. Bei einem Einsatz mit einem mobilen Stroke Unit (MSU) kann die Entscheidung dafür mithilfe einer Angio-Computertomographie (radiologisches Untersuchungsverfahren, bei dem die Blutgefäße mit Hilfe der Computertomographie (CT) untersucht werden) gestellt werden.

Ein klinisches Beurteilungsmanual dafür ist die Los Angeles Motor Scale (LAMS); diese definiert drei Kriterien [3 ]:

  • Fazialisparese (nein/ja = 0/1 Punkte)
  • Armhebung (volle Kraft/Absinken/Arm fällt = 0/1/2 Punkte)
  • Faustschluss (volle Kraft/schwach/nicht möglich = 0/1/2 Punkte)

Interpretation

  • Punktwerte ≥ 4 auf einer Körperseite → Verschluss eines großen Gefäßes ist hochwahrscheinlich (Sensitivität 81 %, Spezifität 89 %; LAMS-AUC: 0,854).

Weitere Hinweise zur mobile Stroke Unit (MSU) 

  • Die Versorgung durch eine MSU war im Vergleich zur normalen Rettungsdienstbehandlung mit einer höheren Lyserate* (97 % vs. 80 %) und einer um 36 Minuten verkürzten Zeit von Symptom- bis Lysebeginn verbunden. Die 90-Tage-Outcome-Ergebnisse waren über alle Behinderungsgrade beziehungsweise Versterben in der MSU-Gruppe besser mit einer absoluten Differenz im Überleben ohne Behinderung von 11 % [4].
    *Die Lyse bezeichnet eine medikamentöse Therapie, die zur Auflösung von Blutgerinnseln (Thrombolyse) eingesetzt wird.

Ischämische Schlaganfälle im Kindes- und Jugendalter!

Die klinische Präsentation eines arteriell ischämischen Schlaganfall (AIS) im Kindes- und Jugendalter (> 28. Lebenstag bis 18 Jahre) ist umso unspezifischer, je jünger das Kind ist.

Auftreten symptomatisch als epileptische Anfälle oder klinisch initial stumm!
Die Diagnose wird im Mittel erst nach 24 Stunden gestellt.

Beachte: Bei 2-4 % der Hirnischämien (Durchblutungsstörungen des Gehirns) und Hirnblutungen treten epileptische Anfälle als erstes Symptom auf.

Akutes Vestibularsyndrom bei älteren Patienten

  • Akutes Vestibularsyndrom (Synonym: akutes vestibuläres Syndrom) akutes vestibuläre Syndrom mit Schwindel, Übelkeit, Gangunsicherheit und Nystagmus/unkontrollierbare, rhythmisch verlaufende Bewegungen des Auges → denken an: Apoplex

Literatur

  1. Sun Z et al.: Clinical diagnostic tools for screening of perioperative stroke in general surgery: a systematic review. Br J Anaesth 2016, online 27. Januar; doi: 10.1093/bja/aev452
  2. Kamitani S, Nishimura K, Nakamura F et al.: Consciousness level and off-hour admission affect discharge outcome of acute stroke patients: a J-ASPECT study. J Am Heart Assoc. 2014 Oct 21;3(5):e001059. doi: 10.1161/JAHA.114.001059.
  3. Helwig SA et al.: Prehospital Stroke Management Optimized by Use of Clinical Scoring vs Mobile Stroke Unit for Triage of Patients With Stroke: A Randomized Clinical Trial. JAMA Neurol. Published online September 3, 2019. doi:10.1001/jamaneurol.2019.2829
  4. Grotta JC, Yamal JM, Parker SA et al.: Prospective, multicenter, controlled trial of mobile stroke units. N Engl J Med 2021; 385: 971-81 doi: 10.1056/NEJMoa2103879
  5. Fattal D, Platti N: Ocular lateral deviation as a vestibular sign to improve detection of posterior circulation strokes: A review of the literature. J Emerg Med 2023; https://doi.org/10.1016/j.jemermed.2023.02.010