Schlaganfall (Apoplex) – Anamnese

Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik des Apoplexes (Schlaganfall) dar.

Familienanamnese

  • Gibt es in Ihrer Familie häufig Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z. B. Bluthochdruck, Vorhofflimmern)?
  • Bestehen in Ihrer Familie neurologische Erkrankungen wie Migräne, Epilepsie oder Schlaganfälle?
  • Gibt es eine familiäre Häufung von Stoffwechselerkrankungen (z. B. Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen)?

Soziale Anamnese

  • Gibt es Hinweise auf psychosoziale Belastungen oder Stress in Ihrem Alltag?
  • Haben Sie in Ihrem Beruf mit körperlicher oder emotionaler Belastung zu tun?
  • Leben Sie in einer Umgebung mit hoher Lärm- oder Luftbelastung (z. B. Straßenverkehr, Fluglärm, Industrie)?

Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)

  • Haben Sie folgende Symptome bemerkt:
    • Lähmungen oder Schwäche, insbesondere einseitig?*
    • Sensibilitätsausfälle (z. B. Taubheit, Kribbeln)?*
    • Schwindel oder Gleichgewichtsstörungen?*
    • Sprach- oder Sprechstörungen (z. B. verwaschene Sprache, Wortfindungsstörungen)?*
    • Sehstörungen (z. B. plötzlicher Sehverlust, Doppeltsehen)?*
  • Gab es vor den Symptomen eine plötzliche Bewusstlosigkeit?* (Fremdanamnese erforderlich)
  • Haben Sie Symptome wie:
    • Kopfschmerzen, die ungewöhnlich stark sind oder plötzlich aufgetreten sind?*
    • Gangunsicherheit?*
    • Übelkeit und Erbrechen?
    • Augenzittern (Nystagmus) mit langsamer Bewegung in eine Richtung und schneller nachfolgender Bewegung in die entgegengesetzte Richtung?
  • Wie lange bestehen diese Symptome schon?*
  • Sind diese Symptome früher schon einmal aufgetreten?*
  • Gibt es Auslöser oder Trigger, die Ihre Symptome verschlimmern (z. B. Stress, körperliche Belastung, Schlafmangel)?

Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese

  • Sind Sie übergewichtig? Bitte geben Sie Ihr Körpergewicht (in kg) und Ihre Körpergröße (in cm) an.
  • Ernähren Sie sich ausgewogen?
  • Ernähren Sie sich salzreich (z. B. Fertiggerichte, Knabbereien, Wurst, Käse)?
  • Essen Sie viele Nahrungsmittel mit gesättigten Fettsäuren (z. B. tierische Fette, Wurst, Käse)?
  • Essen Sie viele zuckerhaltige Lebensmittel?
  • Bewegen Sie sich täglich ausreichend?
  • Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen pro Tag?
  • Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welches Getränk und wie viele Gläser pro Tag?
  • Nehmen Sie Drogen (z. B. Amphetamine, Cannabis, Kokain)? Wenn ja, wie häufig pro Tag oder Woche?

Eigenanamnese

  • Vorerkrankungen:
    • Bestehen bei Ihnen bekannte Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z. B. Bluthochdruck, Vorhofflimmern)?
    • Haben Sie Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus oder Fettstoffwechselstörungen?
    • Leiden Sie an bekannten neurologischen Erkrankungen (z. B. Migräne, Epilepsie)?
    • Haben Sie psychiatrische Vorerkrankungen (z. B. Depressionen)?
    • Besteht eine Leberzirrhose?
  • Operationen:
    • Wurden bei Ihnen Herz- oder Gefäßeingriffe durchgeführt (z. B. perkutane Koronarintervention (PCI), Bypass)?
    • Haben Sie Operationen am Gehirn oder an der Wirbelsäule durchlaufen?
  • Allergien:
    • Haben Sie Allergien gegen Medikamente, Nahrungsmittel oder andere Stoffe?

Medikamentenanamnese

  • Alphablocker:
    • In den ersten 21 Tagen nach der ersten Verordnung von Alfuzosin, Doxazosin, Tamsulosin oder Terazosin kam es zu einem Anstieg der ischämischen Apoplexe (Schlaganfälle) um 40 % kommt [37]
    • Patienten, die gleichzeitig neben einem Alphablocker ein weiteres Antihypertensivum (Medikament zur Blutdrucksenkung) einnahmen, hatten in der Postexposition-1-Periode (≤ 21 Tage danach) kein erhöhtes Apoplexrisiko und die Inzidenz in der Postexposition-2-Periode (22-60 Tage danach) sank noch weiter (IRR 0,67) [37]
      Fazit: Möglicherweise reagieren Normotoniker empfindlicher gegenüber dem First-dose-Effekt der Alphablocker.
    • ALLHAT-Studie: Doxazosin-Patienten hatten ein höheres Risiko für Schlaganfälle und kombinierte kardiovaskuläre Erkrankungen als Chlorthalidon-Patienten. Das Risiko für KHK war verdoppelt [10].
  • Antidopaminerge Antiemetika – Domperidon, Metopimazin* und Metoclopramid* (*stärkste Risikoerhöhung) [79]
  • L-α-Glycerylphosphorylcholin (Alpha-GPC) (Nootropikum) [77]
  • Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR; z. B. Ibuprofen, Diclofenac) inkl. COX-2-Hemmer (Synonyme: COX-2-Inhibitoren; allgemein: Coxibe; z. B. Celecoxib, Etoricoxib, Parecoxib) – erhöhtes Risiko bei aktueller Einnahme von Rofecoxib und Diclofenac [9]; erhöhtes Risiko eines ischämischen Infarkts bei Einnahme von Diclofenac und Aceclofenac bis 30 Tage vor dem Ereignis [22] 
  • Aceclofenac ist ähnlich wie Diclofenac und die selektiven COX-2-Inhibitoren mit einem erhöhten Risiko arterieller thrombotischer Ereignisse assoziiert [Quelle: Rote-Hand-Briefe; BfArM].
  • Paracetamol (Gruppe der nichtsauren Analgetika) erhöhte als Schmerztherapie bei Altenheimbewohnern (N = 5.000; 2.200 Probanden nahmen täglich Paracetamol ein, die durchschnittliche Dosis betrug 2.400 mg) die Rate für Apoplexe im Mittel auf das Dreifache [67].
  • Die Einnahme von oralen Kontrazeptiva (Antibabypille) der neuen Generation stehen mit einem erhöhten Risiko eines erstmaligen Hirninfarkts in Verbindung. Bei hormonellen Kontrazeptiva mit niedrigerer Östrogenkonzentration war das Hirninfarktrisiko im Vergleich zu denen mit normaler Östrogenkonzentration niedriger.
    Alle vier Generationen von Gestagenen wurden mit einem erhöhten Risiko für einen ischämischen Schlaganfall assoziiert. Das Risiko für einen ischämischen Schlaganfall schien bei den Nutzern der vierten Generation etwas geringer zu sein als bei denen der Vorläufergenerationen von Gestagenen [29].
    Hinweis: Eine transdermale Östrogentherapie (Pflastertherapie) erhöht nicht das Risiko für ischämische zerebrovaskuläre Ereignisse.
  • Regadenoson (selektiver koronarer Vasodilatator), der nur zu diagnostischen Zwecken angewendet werden darf (Stressauslöser für Myokardperfusionsaufnahmen; myocardial perfusion imaging, MPI), erhöht das Apoplexrisiko; Kontraindikationen (Gegenanzeigen): Vorhofflimmern in der Vorgeschichte oder bestehendes Risiko einer schwerwiegenden Hypotonie (niedriger Blutdruck); Cave. Aminophyllin wird zur Beendigung von Regadenoson-bedingten Anfällen nicht empfohlen! [20]
  • Statine – medikamentöse Senkung von LDL-Cholesterin geht mit einer absoluten Risikoerhöhung um 0,3 % für hämorrhagische Infarkte einher [85]
  • Therapie mit rekombinanten Wachstumshormonen (STH) in der Kindheit – im Erwachsenenalter: Faktor 3,5 bis 7,0 erhöhte Inzidenzrate von hämorrhagischen Schlaganfällen; Faktor 5,7 bis 9,3 erhöhte Rate von Subarachnoidal­blutungen [18]

Umweltanamnese

  • Lärmbelastung:
    • Arbeiten oder leben Sie in einer Umgebung mit erhöhter Lärmbelastung?
      • Straßenlärm: Im Vergleich zu Straßenlärm < 55 db erhöht Straßenlärm > 60 db das Apoplexrisiko bei Erwachsenen um signifikante 5 % und bei über 75-Jährigen um signifikante 9 % [34].
      • Fluglärm: Anstieg des durchschnittlichen Lärmpegels um 10 Dezibel erhöht das Schlaganfallrisiko um 1,3 % [65]
  • Luftschadstoffe:
    • Belastung durch Umwelt, Haushalt (durch Kohleofen und Herd) [25, 43]
      • Feinstaub (Partikel mit einer Masse von < 2,5 μm Durchmesser, PM2,5), Stickstoffdioxid (NO2) und Ozon (O3) [9]
      • Smog (Feinstaub, Stickstoffdioxid, Schwefeldioxid) [28] 
      • Heizmaterialien wie Kohle oder Holz können ebenfalls eine Feinstaubbelastung verursachen.
  • Schwermetalle:
    • Hatten Sie Kontakt mit Schwermetallen wie Arsen, Cadmium, Blei oder Kupfer? [61]
  • Wetterbedingungen:
    • Haben Sie eine Verschlechterung Ihrer Symptome bei Temperaturstürzen, schnellem Wechsel der Luftfeuchtigkeit [36] oder Tropennächten [86] bemerkt?
      • Temperaturstürze: Risikoerhöhung → das Risiko bleibt 2 weitere Tage erhöht; Temperaturabfall um je etwa 3 °C erhöht das Apoplexrisiko um 11 %) [36]

* Falls diese Frage mit „Ja“ beantwortet worden ist, ist ein sofortiger Arztbesuch erforderlich! (Angaben ohne Gewähr)

Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.

Literatur zur Medikamentenanamnese und Umweltanamnese s. u. "Ätiologie (Ursachen)"