Schlafstörungen (Insomnie) – Prävention
Zur Prävention einer Insomnie (Schlafstörungen) muss auf eine Reduktion individueller Risikofaktoren geachtet werden.
Verhaltensbedingte Risikofaktoren
- Ernährung
- Nächtliches Essen oder Trinken – Erhöht die Wahrscheinlichkeit von Schlafstörungen durch Aktivierung des Verdauungssystems.
- Genussmittelkonsum
- Alkohol – Stört die Schlafarchitektur und reduziert den REM-Schlaf.
- Kaffee, Tee (Koffein) – Verlängert die Einschlafzeit und vermindert die Schlafqualität.
- Tabak (Rauchen) – Nikotin stimuliert das zentrale Nervensystem und beeinträchtigt den Schlaf.
- Drogenkonsum
- Amphetamine (z. B. Ecstasy, Crystal Meth, Methylphenidat) – Stimulieren das zentrale Nervensystem und erschweren das Einschlafen.
- Cannabis (Haschisch und Marihuana) – Kann den REM-Schlaf reduzieren und die Schlafqualität mindern.
- Kokain – Führt zu erhöhter Wachheit und Einschlafproblemen.
- Körperliche Aktivität
- Immobilität und Bettlägerigkeit – Häufige Ursache von Insomnie bei älteren Menschen.
- Sitzende Tätigkeit bzw. zu langes Sitzen – Beeinträchtigt den natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus [1].
- Leistungssport oder intensives Training < 1 Stunde vor dem Schlafengehen – Verlängert die Einschlafzeit und reduziert die Gesamtschlafzeit [7].
- Psycho-soziale Situation
- Psychologische Belastungen – Ärger, ungelöste Probleme, Ehekrisen, Überarbeitung oder Leistungsdruck können Schlafstörungen verursachen.
- Computer- und Internetnutzung – Starke Assoziationen zwischen exzessiver Nutzung und Insomnie, insbesondere bei [2]:
- Mädchen: ≥ 3 Stunden Musikhören täglich.
- Jungen: ≥ 3 Stunden tägliche Nutzung von Computer oder Internet.
- Bildschirmzeit insgesamt ≥ 8 Stunden täglich.
- Stress (u. a. im Berufsleben) – Führt zu Hyperarousal und erschwert das Einschlafen.
- Fehlen eines Schlafrituals – Erhöht die Wahrscheinlichkeit von Einschlafproblemen.
- Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)
- Adipositas ist mit Schlafapnoe und anderen Schlafstörungen assoziiert.
Medikamente
- Alpha-2-Agonist (Tizanidin)
- Antibiotika
- Chinolone (Cinoxacin, Ciprofloxacin Clioquinol, Danofloxacin, Difloxacin, Enrofloxacin, Fleroxacin, Flumequin, Gatifloxacin, Grepafloxacin, Ibafloxacin Levofloxacin, Marbofloxacin Moxifloxacin, Nalidixinsäure, Norfloxacin, Ofloxacin, Orbifloxacin, Oxolinsäure, Pipemidinsäure, Sarafloxacin, Sparfloxacin, Temafloxacin, Nadifloxacin)
- Antiarrhythmika
- Ic-Antiarrhythmika (Flecainid)
- Anticholinergika (Darifenacin, Solifenacin, Tolterodin)
- Antidepressiva
- Noradrenerge und spezifisch serotonerge Antidepressiva (NaSSA) – Mirtazapin
- Selektiver Dopamin- und Noradrenalin- (geringfügig auch Serotonin-) Wiederaufnahmehemmer (NDRI) – Bupropion
- Selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (NARI) – Reboxetin, Viloxazin
- Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) – Citalopram, Fluoxetin, Paroxetin, Sertralin, Trazodon)
- Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) – Duloxetin, Venlafaxin
- Trizyklische Antidepressiva (TZA) – Amitriptylin, Amitriptylinoxid, Clomipramin, Desipramin, Doxepin, Imipramin, Opipramol, Nortriptylin, Trimipramin)
- Antihistaminika (Ketotifen)
- Antimalariamittel (Atovaquon, Chloroquin, Proguanil)
- Antiparkinsonmittel (Levodopa*, Pergolid, Pramipexol**)
- Antipsychotika (Neuroleptika)
- Atypische Antipsychotika (Neuroleptika) – Aripiprazol
- Antisympathikotonika (Alpha-Methyldopa)
- α2-Rezeptoragonisten (Clonidin, Moxonidin)
- Betablocker, lokale (Betaxolol, Timolol)
- Betablocker, systemische
- Nicht selektive Betablocker (z. B. Carvedilol, Pindolol, Propranolol, Soltalol)
- Selektive Betablocker (z. B. Atenolol, Acebutolol, Betaxolol, Bisoprolol, Celiprolol, Nebivolol, Metoprolol)
- Calcium-Sensitizer (Levosimendan)
- Hormone
- Dopaminagonisten (Prolaktinhemmer) – Bromocriptin, Cabergolin, Lisurid, Pramipexol, Ropinirol)
- Orale Kontrazeptiva (Non-REM-Schlafphase erhöht, Körpertemperatur erhöht) [Schlafstörungen besonders zu Beginn der Einnahme]
- Thyroxin (Schilddrüsenhormon)
- MAO-Hemmer (Moclobemid, Tranylcypromin)
- Medikamente, die Koffein (z. B. Guarana) bzw. Theophyllin enthalten
- Monoklonale Antikörper – Pertuzumab, Trastuzumab
- mTOR-Inhibitoren (Everolimus, Temsirolimus)
- Multi-Tyrosinkinaseinhibitor (Vandetanib)
- Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) bzw. NSAID (non steroidal anti inflammatory drugs) – Acetylsalicylsäure (ASS), Indometacin
- Nikotin-Agonisten (Vareniclin)
- Opioidantagonisten (Nalmefen, Naltrexon)
- Phytotherapeutika (Ginseng)
- Protonenpumpenhemmer (Protonenpumpeninhibitoren, PPI; Säureblocker) – Esomeprazol, Lansoprazol, Omeprazol, Pantoprazol, Rabeprazol
- Psychotrope Substanzen/Psychostimulanzien wie Amphetamin und seine Derivate Ephedrin oder Pseudoephedrin; Methylphenidat (MPH); Modafinil
- Sedativa (Bromazepam, Oxazepam)
- Sympathomimetika (Etilefrin)
- Tyrosinkinaseinhibitoren (Vandetanib)
- Virostatika
- Nicht-Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI) – Efavirenz, Nevirapin, Rilpivirin
- Nukleosid-Analoga (Entecavir, Lamivudin, Telbivudin)
- Nukleosidanaloga (Aciclovir, Brivudin, Cidofovir, Famciclovir, Foscarnet, Ganciclovir, Valaciclovir)
- Zytokine (Interferon ß-1a, Interferon ß-1b, Glatirameracetat)
*In niedrigen Dosen verabreicht scheint Levodopa schlafanstoßend zu wirken, in höheren Dosen dagegen supprimierend.
**Eingeschränkte Verkehrstauglichkeit wg. plötzlicher Schlafattacken
Umweltbelastung – Intoxikationen
- Physikalische Ursachen – Höhenbedingte Schlafstörung, Lärm (insb. Nachtlärm/Nachtfluglärm), helles Licht, hohe Temperaturen etc.
- Wohn- und Umweltgifte – Spanplatten, Lacke, Holzschutzmittel, Wandfarbe, Bodenbeläge etc.
Weitere Risikofaktoren
- Albträume
- Fehlende Sozialkontakte, Einsamkeit, Sorgen (häufige Ursachen für Insomnie im Alter)
- Gravidität (Schwangerschaft)
- Störung des Biorhythmus
- Licht von E-Book-Readers, Smartphones, Laptops oder Tablet PCs (höherer Blau-Anteil als das einer Nachttischlampe) schaltet die innere Uhr verzögert in den Ruhemodus
Hinweis: Beim Lesen auf einem elektronischen Gerät vor dem Schlafen sollte die maximale Helligkeit des Bildschirmes vermieden werden. - Schichtarbeit
- Zeitzonenwechsel (Jetlag) etc.
- Licht von E-Book-Readers, Smartphones, Laptops oder Tablet PCs (höherer Blau-Anteil als das einer Nachttischlampe) schaltet die innere Uhr verzögert in den Ruhemodus
- Schnarchen
Präventionsfaktoren (Schutzfaktoren)
- Kinder mit hohem Fischverzehr (mindestens einmal pro Woche) schlafen besser und erreichen mehr Punkte in IQ-Tests (verbaler IQ, aber nicht Leistungs-IQ) [3].
- Ausgleich des Schlafdefizits: Wer wochentags zu wenig schläft, kann das Defizit am Wochenende ausgleichen – ohne die Gesundheit zu schaden. Beim Nachholen der fehlenden Nachtruhe an freien Tagen geht Schlafmangel langfristig nicht mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko (Sterberisiko) einher. Weitere Ergebnisse der Studie zeigten [4]:
- Menschen < 65 Jahren, die jede Nacht ≤ 5 Stunden schliefen, hatte im Studienzeitraum im Vergleich zu Menschen mit dieser Schlafdauer ein erhöhtes Mortalitätsrisiko.
- Menschen < 65 Jahren, die täglich > 9 Stunden schliefen, hatten eine erhöhte Mortalitätsrate.
Sekundärprävention
Die Sekundärprävention zielt darauf ab, Risikopatienten frühzeitig zu identifizieren und gezielte Maßnahmen einzuleiten, um Insomnie zu behandeln und eine Verschlechterung zu verhindern.
- Screening und Diagnostik
- Schlaftagebücher – Dokumentation der Schlafgewohnheiten zur Identifikation von Risikofaktoren.
- Aktigraphie – Tragbare Geräte zur Messung von Bewegungsaktivitäten während des Schlafs, insbesondere zur Differenzierung zwischen Insomnie und anderen Schlafstörungen.
- Polysomnographie (Schlafanalyse) – Bei Verdacht auf schwerwiegende Schlafstörungen, wie Schlafapnoe, Restless-Legs-Syndrom oder periodische Beinbewegungsstörungen.
- Frühe Interventionen
- Kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT-I) – Als Erstlinientherapie empfohlen.
- Schlafhygiene-Maßnahmen – Förderung gesunder Schlafgewohnheiten.
- Medikamentöse Ansätze/Supplemente
-
- Melatonin: Geeignet bei Schlafproblemen, insbesondere bei älteren Patienten oder Personen mit gestörtem zirkadianem Rhythmus.
- Tryptophan: Als Vorstufe von Serotonin und Melatonin kann es unterstützend wirken, um die Schlafqualität zu verbessern.
- Magnesium: Fördert die Muskelentspannung und kann bei Schlafproblemen hilfreich sein.
- Rezeptfreie Antihistaminika (z. B. Diphenhydramin): Kurzfristiger Einsatz unter ärztlicher Aufsicht bei akuter Insomnie.
- Pflanzliche Präparate: Baldrian und Hopfen als pflanzliche Alternativen zur Beruhigung und Förderung des Schlafs.
Tertiärprävention
Die Tertiärprävention zielt darauf ab, bei bestehender Insomnie langfristige Schäden zu minimieren und die Lebensqualität zu verbessern.
- Langzeitbehandlung
- KVT-I als Dauertherapie – Effektiv zur Vermeidung von Rückfällen.
- Regelmäßige Verlaufskontrollen – Überwachung des Therapieerfolgs und Anpassung der Maßnahmen.
- Lebensstilinterventionen
- Körperliche Aktivität – Regelmäßige, moderate Bewegung zur Verbesserung der Schlafqualität.
- Schaffung eines schlaffördernden Umfelds – Dunkler, ruhiger und kühler Schlafraum.
- Psychosoziale Unterstützung
- Stressmanagement-Programme – Förderung von Entspannungstechniken wie Yoga oder Meditation.
- Unterstützungsgruppen – Austausch mit anderen Betroffenen zur Förderung des Wohlbefindens.
Literatur
- Buman MP et al.: Sitting and television viewing: novel risk factors for sleep disturbance and apnea risk? Results from the 2013 national sleep foundation sleep in america poll. Chest. 2015 Mar 1;147(3):728-34. doi: 10.1378/chest.14-1187.
- Lange K et al.: Electronic use and insomnia complaints in German adolescents: gender differences in use patterns and sleep problems. J Neural Transm, 2017 Feb;124(Suppl 1):79-87. doi: 10.1007/s00702-015-1482-5. Epub 2015 Nov 17.
- Liu J et al.: The mediating role of sleep in the fish consumption – cognitive functioning relationship: a cohort study. Scientific Reports 7, Article number: 17961 (2017) doi:10.1038/s41598-017-17520-w
- Åkerstedt T et al.: Sleep duration and mortality – Does weekend sleep matter? J Sleep Res. 2018 May 22:e12712. doi: 10.1111/jsr.12712.
- Stutz J et al.: Effects of Evening Exercise on Sleep in Healthy Participants: A Systematic Review and Meta-Analysis. Sports Medicine 2019 Feb;49(2):269-287. doi: 10.1007/s40279-018-1015-0.