Schlafstörungen (Insomnie) – Anamnese

Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik der Insomnie (Schlafstörungen) dar.

Familienanamnese

  • Gibt es familiäre Vorbelastungen durch Schlafstörungen oder psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen?
  • Leiden Angehörige an neurologischen Erkrankungen wie Restless-Legs-Syndrom (unruhige Beine) oder obstruktiver Schlafapnoe (Atemstillstände während des Schlafs)?
  • Bestehen in Ihrer Familie andere Erkrankungen, die die Schlafqualität beeinträchtigen könnten, wie Schilddrüsenerkrankungen oder Diabetes mellitus?

Soziale Anamnese

  • Beruf: Welchen Beruf üben Sie aus, und wie sind Ihre Arbeitszeiten (z. B. Schichtarbeit, unregelmäßige Arbeitszeiten)?
  • Psychosoziale Belastungen: Gibt es Stressoren in Ihrem familiären oder beruflichen Umfeld, die Ihren Schlaf negativ beeinflussen könnten?
  • Freizeitaktivitäten
    • Treiben Sie regelmäßig Sport, und wenn ja, zu welcher Tageszeit?
    • Haben Sie Hobbys oder Tätigkeiten, die sich auf Ihre Schlafqualität auswirken könnten, wie späte Bildschirmarbeit oder intensives Training?

Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)

Schlafverhalten

  • Wann gehen Sie normalerweise zu Bett und wann stehen Sie auf? (Gesamtbettzeit) [sollte die Gesamtschlafepisode nicht wesentlich überschreiten]
  • Welche Zeit besteht zwischen dem Löschen des Lichtes und dem Auftreten der ersten Schlafzeichen? (Einschlaflatenz) [Normalwert im höheren Lebensalter: kleiner 30 Minuten]
  • Wie lange schlafen Sie tatsächlich pro Nacht? (Gesamtschlafepisode) [Normwert im höheren Lebensalter: 6 bis 8 Stunden]
  • Wie viele Stunden schlafen Sie ohne Unterbrechung? (Durchschlafzeit) [< 4 Stunden Durchschlaf → Durchschlafstörung]
  • Was ist die Summe der Wachzeit nach dem Einschlafen und vor dem endgültigen Erwachen? (Wachliegezeit) [Normwert im höheren Lebensalter: bis zu 2 Stunden]
  • Wie oft wachen Sie in der Nacht auf?

Tagesmüdigkeit

  • Fühlen Sie sich tagsüber häufig müde oder abgeschlagen?
  • Kommt es zu ungewolltem Einschlafen, z. B. während der Arbeit, beim Lesen oder beim Autofahren?

Kognitive und emotionale Symptome 

  • Haben Sie Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren oder aufmerksam zu bleiben?
  • Leiden Sie unter Stimmungsschwankungen, Nervosität oder vermehrtem Stress?
  • Frieren Sie häufig oder leiden Sie unter Kopfschmerzen?

Fremdanamnese:

  • Hat Ihr Bettpartner nächtliches Schnarchen, Atemaussetzer* oder Unruhe (z. B. Beinbewegungen) bemerkt?
  • Werden nächtliche Geräusche wie Zähneknirschen oder Reden im Schlaf beobachtet?

Nutzung digitaler Medien

  • Wie viel Zeit verbringen Sie täglich vor Bildschirmen, einschließlich Smartphone, Tablet oder Computer?
  • Nutzen Sie Geräte mit hohem Blaulichtanteil (z. B. Smartphones) kurz vor dem Schlafengehen?

Ggf. Führen/Vorlage eines Schlaftagebuches (Gesamtbettzeit; Gesamtschlafepisode; Einschlafzeit; Wachliegezeit(en))

Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese

  • Ernähren Sie sich ausgewogen, und wie häufig konsumieren Sie koffeinhaltige Getränke (z. B. Kaffee, Tee, Energydrinks)?
  • Rauchen Sie oder trinken Sie Alkohol? Wenn ja, wie viel und wie häufig?
  • Konsumieren Sie Drogen (z. B. Amphetamine, Cannabis)?*
  • Wie oft treiben Sie Sport, und zu welcher Tageszeit?

Eigenanamnese

  • Vorerkrankungen:
    • Bestehen chronische Erkrankungen wie Herz- oder Lungenerkrankungen, Depressionen oder Angststörungen?
    • Leiden Sie an Erkrankungen, die Schmerzen, Atemprobleme oder Unruhe verursachen?
  • Vorbehandlungen:
    • Haben Sie bereits Therapiemaßnahmen gegen Schlafstörungen in Anspruch genommen, wie z. B. Schlafmittel oder kognitive Verhaltenstherapie?

Medikamentenanamnese [gezielt danach fragen!]

  • Alpha-2-Agonist (Tizanidin)
  • Analgetika
    • Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) bzw. NSAID (non steroidal anti inflammatory drugs) – Acetylsalicylsäure (ASS), Indometacin [Schlafstörung: +]
    • Opioide [Schläfrigkeit: +]
  • Antibiotika
    • Chinolone (Cinoxacin, Ciprofloxacin Clioquinol, Danofloxacin, Difloxacin, Enrofloxacin, Fleroxacin, Flumequin, Gatifloxacin, Grepafloxacin, Ibafloxacin, Levofloxacin, Marbofloxacin, Moxifloxacin, Nalidixinsäure, Norfloxacin, Ofloxacin, Orbifloxacin, Oxolinsäure, Pipemidinsäure, Sarafloxacin, Sparfloxacin, Temafloxacin, Nadifloxacin)
  • Antiarrhythmika
    • Ic-Antiarrhythmika (Flecainid)
  • Anticholinergika (Darifenacin, Solifenacin, Tolterodin) [Schläfrigkeit: +]
  • Antidementiva (z. B. Piracetam)
  • Antidepressiva [Beachte: Durchführung eines Gentests zur Antidepressivaauswahl] 
    • Noradrenerge und spezifisch serotonerge Antidepressiva (NaSSA) – Mirtazapin
    • Selektiver Dopamin- und Noradrenalin- (geringfügig auch Serotonin-) Wiederaufnahmehemmer (NDRI) – Bupropion
    • Selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (NARI) – Reboxetin, Viloxazin
    • Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) – Citalopram, Fluoxetin, Paroxetin, Sertralin, Trazodon
    • Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) – Duloxetin, Venlafaxin 
    • Trizyklische Antidepressiva (TZA) – Amitriptylin, Amitriptylinoxid, Clomipramin, Desipramin, Doxepin, Imipramin, Opipramol, Nortriptylin, Trimipramin)
  • Antihistaminika (Ketotifen)
  • Antihypertensiva
    • ACE-Hemmer [Schläfrigkeit: +]
    • Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker (AT-II-RB)  [Schläfrigkeit: +]
    • Betablocker, systemisch [Schlafstörung: +]
      • Nicht selektive Betablocker (z. B. Carvedilol, Pindolol, Propranolol, Soltalol)
      • Selektive Betablocker (z. B. Atenolol, Acebutolol, Betaxolol, Bisoprolol, Celiprolol, Nebivolol, Metoprolol)
    • Clonidin [Schlafstörung: (+)]
    • Methyldopa [Schläfrigkeit: +; Schlafstörung (+)]
  • Antimalariamittel (Atovaquon, Chloroquin, Proguanil)
  • Antiparkinsonmittel (Levodopa*, Pergolid, Pramipexol**)
  • Antipsychotika (Neuroleptika)
    • Atypische Antipsychotika (Neuroleptika) – Aripiprazol
  • Antisympathikotonika (Alpha-Methyldopa)
  • Asthmamedikamente (z. B. Theophyllin, β‑Sympathomimetika)
  • α2-Rezeptoragonisten (Clonidin, Moxonidin)
  • Betablocker, lokale (Betaxolol, Timolol)
  • Calcium-Sensitizer (Levosimendan)
  • Diuretika
    • Thiazide [Schlafstörung: +]
    • kaliumsparende Diuretika [Schläfrigkeit: +]
  • Hormone
    • Dopaminagonisten (Prolaktinhemmer) – Bromocriptin, Cabergolin, Lisurid, Pramipexol, Ropinirol [Schläfrigkeit: (+)]
    • Glucocorticoide/Steroide [Schlafstörung: +]
    • Orale Kontrazeptiva (Non-REM-Schlafphase erhöht, Körpertemperatur erhöht) [Schlafstörungen besonders zu Beginn der Einnahme]
    • Thyroxin 
  • MAO-Hemmer (Moclobemid, Tranylcypromin)
  • Medikamente, die Koffein (z. B. Guarana) bzw. Theophyllin enthalten
  • Monoklonale Antikörper – Pertuzumab, Trastuzumab
  • mTOR-Inhibitoren (Everolimus, Temsirolimus)
  • Multi-Tyrosinkinaseinhibitor (Vandetanib)
  • Nikotin-Agonisten (Vareniclin)
  • Opioidantagonisten (Nalmefen, Naltrexon)
  • Phytotherapeutika (Ginseng)
  • Protonenpumpenhemmer (Protonenpumpeninhibitoren, PPI) – Esomeprazol, Lansoprazol, Omeprazol, Pantoprazol, Rabeprazol
  • Psychotrope Substanzen/Psychostimulanzien wie Amphetamin und seine Derivate Ephedrin oder Pseudoephedrin; Methylphenidat (MPH); Modafinil
  • Sedativa (Bromazepam, Oxazepam)
  • Sympathomimetika (Etilefrin)
  • Tyrosinkinaseinhibitoren (Vandetanib)
  • Virostatika
    • Nicht-Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI) – Efavirenz, Nevirapin, Rilpivirin
    • Nukleosid-Analoga (Entecavir, Lamivudin, Telbivudin)
    • Nukleosidanaloga (Aciclovir, Brivudin, Cidofovir, Famciclovir, Foscarnet, Ganciclovir, Valaciclovir)
  • Zytokine (Interferon ß-1a, Interferon ß-1b, Glatirameracetat)

*In niedrigen Dosen verabreicht scheint Levodopa schlafanstoßend zu wirken, in höheren Dosen dagegen supprimierend.
**Eingeschränkte Verkehrstauglichkeit wg. plötzlicher Schlafattacken

Legende: + vorhanden; (+) gering vorhanden

Umweltanamnese

  • Leben oder arbeiten Sie in einer Umgebung mit physikalischen Stressfaktoren wie Lärm, helles Licht oder extremen Temperaturen?
  • Sind Sie chemischen Substanzen wie Lösungsmitteln, Farben oder Klebstoffen ausgesetzt?

* Falls diese Frage mit „Ja“ beantwortet worden ist, ist ein sofortiger Arztbesuch erforderlich! (Angaben ohne Gewähr)

Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.