Schizophrenie – Medikamentöse Therapie

Therapieziele

  • Vermeidung von schizophrenen Episoden bzw. Rezidivprophylaxe (Maßnahmen zur Abwendung eines Wiederauftretens einer Erkrankung)
  • „Recovery“ (Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit für ein selbstbestimmtes Leben)

Therapieempfehlungen

Allgemeine Hinweise

  • Da es nur kleine Wirkungsunterschiede der verschiedenen Antipsychotika gibt, ist insbesondere auf die nebenwirkungsgeleitete antipsychotische Pharmakotherapie zur Akutbehandlung mit einer „number needed to treat“ (NNT) von 5 bis 8 zu achten.
  • Es ist immer eine Kombination von medikamentöser Therapie mit Psychotherapie und psychosozialem Training indiziert (s. u. "Weitere Therapie").
  • Die medikamentöse Therapie sollte so früh wie möglich begonnen werden, um die Prognose zu verbessern. 
  • Eine antipsychotische Monotherapie ist in aller Regel wg. besserer Steuerbarkeit, des reduzierten Risikos für Nebenwirkungen und Interaktionen zu bevorzugen (Ausnahme: Therapieresistenz: s. u.).
  • Die zurzeit verfügbaren Antipsychotika wirken über eine Blockade von Dopaminrezeptoren.
  • Zur allgemeinen Beachtung:
    • Hoch-potente Antipsychotika wirken stark antipsychotisch, aber gering sedierend (beruhigend) und machen häufig extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen
    • Nieder-potente Antipsychotika wirken gering antipsychotisch, stark sedierend, sind häufig kardiotoxisch ("herzschädigend") und führen selten zu extrapyramidal-motorischen Nebenwirkungen
  • Bei pharmakologischer Therapieresistenz muss eine Pseudotherapieresistenz (s. u. "Weitere Hinweise") ausgeschlossen werden.
  • Bei allen Wirkstoffen müssen regelmäßige Blutbild-, Blutdruck- und EKG-Untersuchungen durchgeführt werden.

Spezielle Empfehlungen

  • Laut der aktuellen AWMF-S3-Leitlinie ist eine antipsychotische Monotherapie bei der Schizophreniebehandlung in aller Regel zu bevorzugen. 
  • Akuttherapie: z. B. Aripiprazol, Olanzapin, Quetiapin, Risperidon, Ziprasidon (Atypische Antipsychotika); Haloperidol, Perphenazin, Thioridazin (Konventionelle Antipsychotika); Dosierung in Abhängigkeit von 1. bzw. 2. Episode
    • Bei Therapieresistenz sollte Clozapin eingesetzt werden; Überprüfen des Vorliegens der Indikation bereits nach 2, spätestens 4 Wochen!
    • Nur wenn drei Monotherapien inklusive Clozapin erfolglos verliefen, stimmt die Leitlinie einer Kombitherapie zu. 
    • Erhaltungstherapie bei mehreren Episoden: Aripiprazol, Olanzapin, Quetiapin, Risperidon, Ziprasidon (Atypische Antipsychotika); Fluphenazin, Fluphenazin decanoat, Flupentixol, Flupentixol decanoat, Haloperidol, Haloperidol decanoat, Perazinenantat, Perphenazin, Perphenazin decanoat (Konventionelle Antipsychotika); Clozapin (bei Therapieresistenz) 
      • Therapiedauer: Therapie sollte > 1 Jahr fortgeführt werden; die Therapie sollte ausschleichend beendet werden.
  • Kontinuierliche antipsychotische Rezidivprophylaxe ist erforderlich (NNT: 3)
    • Therapiedauer: Dauer der Therapie in Abhängigkeit von Faktoren wie z. B. Schwere der in Indexepisode, Stabilität des sozialen Netzes und Komorbiditäten (Begleiterkrankungen)
  • Besondere Behandlungsbedingungen:
    • Katatonie (Syndrom mit Beschwerden wie u. a.: Stupor (Starre des ganzen Körpers), bizarre Haltungsstereotypien, Katalepsie (Beibehaltung der Körperstellung nach passiver Bewegung) und Mutismus (die Patienten sprechen nicht) bei wachem Bewusstsein) wird primär mit Lorazepam behandelt.
    • Depression und Suizidalität*
    • Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)*
    • Substanzkonsumstörungen (Alkohol*, Tabak*, Cannabis*)
  • Siehe auch unter "Weitere Therapie".

*Siehe dazu unter den gleichnamigen Erkrankungen/Substanzen

Weitere Hinweise

  • Clozapin
    • Beachte [Leitlinien: S3-Leitlinie]:
      • Vor Beginn einer Therapie mit Clozapin soll eine Pseudotherapieresistenz ausgeschlossen werden.
      • Bei einer pharmakologischen Therapieresistenz müssen nach Ausschluss einer Pseudotherapieresistenz, folgende Fragen gestellt werden:
        • Liegt die Diagnose einer Schizophrenie vor?
        • Liegen ausreichende Serumspiegel der Antipsychotika vor (Non-Adhärenz; fast-metabolising)
        • Liegt eine ausreichende Therapiedauer vor?
        • Besteht ein Substanzkonsum (z. B.  Amphetamine, Cannabis)?
    • Die therapieresistente Schizophrenie wird mit Clozapin behandelt; regelmäßige Leukozytenkontrollen Bestimmung (Untersuchung der weißen Blutkörperchen) wg. Agranulozytoserisiko (starke Verminderung der Granulozyten, einer Untergruppe der Leukozyten) erforderlich!
    • Bei Therapieresistenz Clozapin einsetzen: Die Rezidivraten von Patienten mit Schizophrenie wurden am deutlichsten mit Clozapin und lang wirkenden injizierbaren Antipsychotika gesenkt [3].
    • Weniger Todesfälle und Selbstverletzungen (z. B. Cutting, Vergiftungen, Suizidversuche) unter Clozapin als unter anderen antipsychotischen Therapien [4].
    • Ein niedriger Baseline-SOFAS-Score (Social and Occupational Functioning Assessment Scale) ist der verlässlichste Prädiktor ("Vorhersagewert") von Verbesserungen bei SOFAS nach 6 und 12 Wochen Clozapin-Therapie [1]
  • Antipsychotika – Wirksamkeit gemäß einer Metaanalyse: am wirksamsten in Bezug auf den primären Endpunkt waren Clozapin, Amisulprid, Zotepin, Olanazapin und Risperidon [7].
    • Dosis-Wirkungsbeziehung von Antipsychotika und die Äquivalenzdosen: mittlere Dosen, bei denen 50 % (ED50) bzw. 95 % (ED95) des maximalen Effekts erreicht wurden, s. u. [8]
  • Beachte: Eines der größten Probleme bei der Behandlung von an Schizophrenie erkrankten Patienten ist die mangelhafte Compliance; ca. 50 % der Patienten bricht die medikamentöse Therapie im Rahmen der ersten Episode binnen kurzer Zeit ab.
  • Langfristigere Rezidivfreiheit möglicherweise durch Gabe von Depotantipsychotika.
  • Kombination aus Xanomelin und Trospiumchlorid (Cobenfy™): Xanomelin wirkt agonistisch an den muskarinischen Acetylcholinrezeptoren M1 und M4. Trospiumchlorid ist ein peripherer Muskarinantagonist. 2024 Zulassung durch FDA wg. günstiger Beeinflussung der Symptome in den ersten 5 Wochen ohne Anstieg der extrapyramidalen motorischen Symptome.

Therapieresistente Schizophrenie (TRS) 

Definition

  • Medikamentöse Therapieresistenz wird standardisiert und operationalisiert definiert (mindestens moderater Schweregrad und weniger als 20%ige Symptomverbesserung auf der Positive and Negative Syndrome Scale [PANSS]
  • Gesamtbehandlungsdauer mit einem Präparat beträgt mindestens 12 Wochen, wobei jeweils mindestens 6 Wochen auf die Behandlung mit zwei unterschiedlichen Antipsychotika entfallen.
  • Durchschnittliche Dosierung beträgt 600 mg Chlorpromazin-Äquivalente und es sind mindestens 80 % der empfohlenen Dosierung (Adhärenz) eingenommen worden.

Ca. ein Drittel der Betroffenen mit einer Schizophrenie wird als pharmakologisch therapieresistent eingestuft. Davon ist ca. ein Drittel nonadhärent, d. h. diese sind pseudotherapieresistent.

Rezidivprävention bei Schizophrenie

Es bestehen große Unterschiede zwischen verschiedenen antipsychotischen Medikamenten hin­sichtlich des Risikos für Rezidive und Therapieversagen bei Schizophrenie.

Auf Grundlage von mehr als 100.000 Schizophrenie-Patienten wurde die Effektivität von Antipsychotika, einschließlich neuer Medikamente, im Vergleich zu oralem Olanzapin untersucht [9]: Im Vergleich zu oralem Olanzapin hatte Paliperidon als dreimonatiges LAI das niedrigste Rückfallrisiko (adjustierte Hazard-Ratio [AHR] 0,66), gefolgt von Aripiprazol LAI (AHR 0,77), Olanzapin LAI (AHR 0,79) und Clozapin (AHR 0,82). Quetiapin war mit dem höchsten Rückfallrisiko assoziiert (AHR 1,44). Das höchste Rückfallrisiko hatte Quetiapin.

Weitere Therapieoptionen

  • Antidepressiva können bei begleitender Depression eingesetzt werden.
    Die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) einer depressiven Symptomatik liegt bei an Schizophrenie erkrankten Personen bei 25 %. Die Wirksamkeit einer zusätzlichen Medikation mit Antidepressiva bei einer antipsychotischen Behandlung ist gegeben [2].
  • Benzodiazepinen wird eine positive Wirkung auf die Schizophrenie zugestanden (v.a. Lorazepam bei Katatonie)
  • Cariprazin: Bei akuten schizophrenen Symptomen ist Cariprazin etwa so effektiv wie Aripirazol, Asenapin, Lurasidon und Ziprasidon, allerdings weniger effektiv als Olanzapin,Quetiapin und Risperidon [5]
  • Bei Frauen im gebärfähigen Alter kann eine Zusatzbehandlung mit transdermalem Östradiol (Östrogenpflaster) neben der üblichen Antipsychotika-Therapie Positivsymptome wie Wahn, Halluzinationen und Denkstörungen signifikant lindern; von der Östrogenzusatzbehandlung profitierten besonders ältere Patienten (38 bis 42 Jahre) [6].

Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)

Geeignete Nahrungsergänzungsmittel für die Gesundheit von Nerven und Psyche sollten die folgenden Vitalstoffe enthalten:

  • Vitamine (A, C, E, D3, B1, B2, Niacin (Vitamin B3), Pantothensäure (Vitamin B5), B6, B12, Folsäure, Biotin)
  • Mineralstoffe (Magnesium)
  • Spurenelemente (Molybdän, Selen, Zink)
  • Fettsäuren (Omega-3-Fettsäuren: Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA))
  • Sekundäre Pflanzenstoffe (Beta-Carotin, Grüntee-Polyphenole, Epigallocatechingallate)
  • Weitere Vitalstoffe (Coenzym Q10 (CoQ10), Phosphatidylserin)

Bei Vorliegen einer Insomnie (Schlafstörung) infolge einer Schizophrenie s. u. Insomnie/Medikamentöse Therapie/Supplemente.

Beachte: Die aufgeführten Vitalstoffe sind kein Ersatz für eine medikamentöse Therapie. Nahrungsergänzungsmittel sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung in der jeweiligen Lebenssituation zu ergänzen.

Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.

Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.

Literatur

  1. Lee J, Takeuchi H, Fervaha G, Bhaloo A, Powell V, Remington G: Relationship between clinical improvement and functional gains with clozapine in schizophrenia. Eur Neuropsychopharmacol. 2014 Aug 12. pii: S0924-977X(14)00230-2. doi: 10.1016/j.euroneuro.2014.08.003.
  2. Helfer B, Samara MT, Huhn M et al.: Efficacy and safety of antidepressants added to antipsycho-tics for schizophrenia: A systematic review and meta-analysis. Am J Psychiatry 2016 Sep 1;173(9):876-86. doi: 10.1176/appi.ajp.2016.15081035. Epub 2016 Jun 10.
  3. Tiihonen J et al.: Real-World Effectiveness of Antipsychotic Treatments in a Nationwide Cohort of 29 823 Patients With Schizophrenia. JAMA Psychiatry 2017, online 7. Juni; doi: 10.1001/jamapsychiatry.2017.1322
  4. Wimberley T et al.: Mortality and Self-Harm in Association With Clozapine in Treatment-Resistant Schizophrenia. Am J Psych 2017; epub 28.7.17 doi: https://doi.org/10.1176/appi.ajp.2017.16091097
  5. Corponi F et al.: Cariprazine specificity profile in the treatment of acute schizophrenia: a meta-analysis and meta-regression of randomized-controlled trials. Int Clin Psychopharmacol, 2017. 32(6): p. 309-318. doi: 10.1097/YIC.0000000000000189
  6. Weiser M et al.: Effect of Adjunctive Estradiol on Schizophrenia Among Women of Childbearing Age. A Randomized Clinical Trial. JAMA Psychiatry 2019; https://doi.org/10.1001/jamapsychiatry.2019.1842
  7. Huhn M, Nikolakopoulou A, Schneider-Thoma J et al.: Comparative efficacy and tolerability of 32 oral antipsychotics for the acute treatment of adults with multi-episode schizophrenia: a systematic review and network meta-analysis. Lancet 2019; doi:https://doi.org/10.1016/S0140-6736(19)31135-3
  8. Leucht S, Crippa A, Siafis S et al.: Dose-response meta-analysis for acute schizophrenia. Am J Psychiatry 2020;177:342-53 doi: 10.1176/appi.ajp.2019.19010034
  9. Hamina A et al.: Comparative Effectiveness of Antipsychotics in Patients With Schizophrenia Spectrum Disorder JAMA Netw Open. 2024;7(10):e2438358. doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.38358

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Schizophrenie. (AWMF-Registernummer: 038-009), März 2019 Kurzfassung Langfassung