Schädel-Hirn-Trauma – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT) entsteht durch eine Gewalteinwirkung auf den Kopf und führt zu primären und sekundären Hirnschäden.
Primäre Schäden
Die primären Schäden treten direkt durch die mechanische Einwirkung auf den Schädel und das Gehirn auf. Beim SHT Grad 1 sind in der Regel keine strukturellen Veränderungen im Gehirn nachweisbar. Ab SHT Grad 2 kommt es jedoch zu Gewebeverletzungen, Blutungen und/oder einer Ödembildung (Schwellung) im betroffenen Hirnareal. Diese Schwellungen entstehen perifokal, also um den geschädigten Bereich (Fokus) herum, und erhöhen den intrakraniellen Druck (Druck im Schädel).
Intrakranieller Druck und zerebrale Durchblutung
Durch den erhöhten intrakraniellen Druck kommt es zu einer Reduktion des zerebralen Perfusionsdrucks (Druck, der die Hirndurchblutung aufrechterhält). Dies beeinträchtigt die zerebrale Durchblutung, die bei zu starkem Druck unter die Ischämiegrenze fällt, was eine Minderdurchblutung oder sogar einen vollständigen Durchblutungsausfall im Gewebe zur Folge hat. Diese zerebrale Ischämie verursacht sekundäre Schäden, die die initiale Contusion (Prellung) vergrößern und zu zusätzlichen Hirnverletzungen führen.
Coup und Contrecoup-Verletzungen
Die Contusion (Gehirnprellung) kann sowohl am Ort des Aufpralls (Coup) als auch auf der gegenüberliegenden Seite des Gehirns (Contrecoup) auftreten. Diese doppelte Schädigung führt oft zu Rindenprellungsherden (Verletzungen der Hirnrinde), die die Hirnstruktur weiter beeinträchtigen.
Sekundäre Hirnschädigungen und Thrombusbildung
Eine bedeutende Rolle bei der sekundären Hirnschädigung spielt möglicherweise die Thrombusbildung (Bildung von Blutgerinnseln) in der zerebralen Mikrozirkulation. Diese Gerinnsel können den Blutfluss in den kleinsten Blutgefäßen behindern und eine perikontusionelle Ischämie (Minderdurchblutung des umliegenden Gewebes) verursachen, was den Schaden weiter verstärkt.
Potenzielle therapeutische Ansätze
Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Hemmung des Blutgerinnungsfaktors XII möglicherweise die sekundäre Hirnschädigung reduzieren könnte, indem sie die Thrombusbildung und damit die perikontusionelle Ischämie hemmt [2].
Zusammenfassung
Die Pathogenese des Schädel-Hirn-Traumas ist durch primäre mechanische Schäden und sekundäre Folgen wie erhöhten intrakraniellen Druck, zerebrale Ischämie und die Bildung von Blutgerinnseln in der Mikrozirkulation geprägt. Diese Mechanismen führen zu einer fortschreitenden Verschlechterung der Hirnfunktion und tragen zur Vergrößerung der Hirnverletzungen bei [2].
Ätiologie (Ursachen)
Verhaltensbedingte Risikofaktoren
- Ernährung
- Unausgewogene Ernährung – Ein Mikronährstoffmangel (z. B. Calcium, Vitamin D) erhöht das Risiko für Knochenbrüche und Stürze.
- Genussmittelkonsum
- Alkoholkonsum – Beeinträchtigt die Reaktionsfähigkeit und Koordination, was das Risiko für Unfälle erhöht.
- Drogenkonsum – Substanzen wie Cannabis, Amphetamine oder Kokain beeinflussen das Gleichgewicht und die Wahrnehmung.
- Körperliche Aktivität
- Körperliche Inaktivität – Fehlende Muskelkraft und Gleichgewichtsstörungen erhöhen die Sturzgefahr.
- Risikoreiche Sportarten – Eishockey, Fußball (insbesondere Kopfbälle), Basketball, Baseball und Skifahren bergen ein erhöhtes Verletzungsrisiko.
- Psycho-soziale Situation
- Stress und Übermüdung – Verminderte Aufmerksamkeit erhöht die Unfallgefahr.
- Fehlende Schutzmaßnahmen – Kein Tragen von Helmen bei risikobehafteten Sportarten oder im Straßenverkehr.
Umweltbelastungen – Unfälle und Sturzrisiken
- Arbeitsplatzrisiken – Unzureichende Sicherheitsmaßnahmen (z. B. fehlende Helme, ungesicherte Arbeitsbereiche).
- Sturzgefahren im Haushalt – Rutschige Böden, ungesicherte Teppiche und mangelnde Beleuchtung erhöhen das Unfallrisiko.
- Straßenverkehr – Fehlende Helmpflicht bei Fahrrad- oder Motorradfahrern.
Ursachen im Überblick
- Schütteltrauma (sogenannte Shaken Baby; gehört zu den nichtakzidentellen Schädelhirntraumata (NASHT))
- Kinder vor dem 3. Lebensjahr mit unklarer Anamnese und einem Missverhältnis zum neurologischen Status; 10-30 % der Kinder sterben an den Folgen eines Schütteltraumas
- klassische „Trias“:
- diffuse Hirnschädigung (Enzephalopathie)
- mit subduralen Hämatomen ("Einblutung zwischen zwei Hirnhäuten") und
- meist ausgeprägten retinalen Blutungen (Netzhautblutungen) [gilt als mögliche Befundkonstellation]
- Beachte: Mehr als 90 % aller schweren intrakraniellen Verletzungen im Säuglings- und Kleinkindalter sind Folge einer Misshandlung
- Stürze (52,5 %)
- Verkehrsunfälle (26,3 %) – Zunahme auch durch E-Scooter
- Gewalttaten (14, 2 %)
- Sportunfälle (6,3 %); bei Jugendlichen 20-50 % der Fälle von leichten SHT; gefährdende Sportarten: Eishockey, Fußball, Basketball, Baseball
- Unfall, nicht näher bezeichnet
(Prozentzahlen) [1].
Literatur
- Rickels E et al.: Head injury in Germany: A population-based prospective study on epidemiology, causes, treatment and outcome of all degrees of head-injury severity in two distinct areas. Brain Inj. 2010;24(12):1491-504. doi: 10.3109/02699052.2010.498006.
- Hopp S et al.: Targeting Coagulation Factor XII as a Novel Therapeutic Option in Brain Trauma. doi: 10.1002/ana.24655