Schädel-Hirn-Trauma – Operative Therapie

Je nach Befund ist eine operative Therapie erforderlich. Dies gilt insbesondere für raumfordernde intrakranielle Verletzungen (Verletzungen innerhalb des Schädels).

Indikationen (Anwendungsgebiete)

Epidurales Hämatom (EDH, Bluterguss zwischen Schädelknochen und harter Hirnhaut)

Eine Operationsindikation besteht bei:

  • Fokal-neurologischen Defiziten (lokal begrenzten Ausfällen der Hirnfunktion)
  • GCS ≤ 8 (Glasgow Coma Scale, Bewertung der Bewusstseinslage)
  • Raumforderndem EDH mit folgenden radiologischen Kriterien:
    • Breite des EDH > 15 mm
    • Volumen des EDH > 30 cm³
    • Mittellinienverlagerung > 5 mm

Subduralhämatom (SDH, Bluterguss unter der harten Hirnhaut zwischen Dura mater und Arachnoidea)

  • Kleine SDH (Dicke < 10 mm) ohne wesentliche Symptomatik können konservativ mit Corticoiden (z. B. orales Dexamethason über zwei bis drei Wochen) behandelt werden.
  • Eine Operationsindikation besteht bei:
    • Symptomatischer Blutung
    • Raumfordernden chronischen SDH mit folgenden radiologischen Kriterien:
      • Breite des chronischen SDH > 10 mm
      • Mittellinienverlagerung > 5 mm
  • Bei Verschlechterung der Symptomatik ist eine Trepanation (operative Schädelöffnung durch Bohren eines Loches in den Schädel) erforderlich.
    • Minibohrloch-Trepanation (ca. 5 mm Durchmesser) bei kleineren Hämatomen
    • Mehrere 12-mm-Bohrlöcher bei ausgeprägten Hämatomen

Intrakranielle Blutung (ICB, Blutung innerhalb des Gehirns)

Bei raumfordernden intrakraniellen Verletzungen ist eine dringliche Operation (Trepanation) erforderlich. In der Neurochirurgie wird die Trepanation als Kraniotomie (operative Öffnung des Schädels zur Durchführung eines Eingriffs im Gehirn) bezeichnet.

  • Falls die Kraniotomie ausschließlich der Senkung des Hirndrucks dient, spricht man von einer Entlastungstrepanation oder Entlastungskraniektomie (chirurgische Entfernung eines Teils des Schädelknochens zur Druckentlastung des Gehirns).

Eine Operationsindikation besteht bei:

  • Pathologischem Anstieg des intrakraniellen Drucks (ICP, Druck innerhalb des Schädels) trotz maximaler medikamentöser Therapie
  • Raumfordernder ICB mit folgenden radiologischen Kriterien:
    • Frontale oder temporale ICB > 20 cm³ bei GCS 6–8
    • Mittellinienverlagerung > 5 mm
    • ICB > 50 cm³ unabhängig vom GCS

Operationsverfahren

Verfahren Indikation Vorteile Nachteile
Minibohrloch-Trepanation (ca. 5 mm Durchmesser) Chronisches SDH mit milder Symptomatik Minimalinvasiv, schnelle Entlastung Risiko für unvollständige Hämatomausräumung (Ausräumung eines Blutergusses)
Bohrlochtrepanation (12 mm Durchmesser) Größere SDH oder symptomatische Hämatome Effiziente Entlastung, geringes Risiko Erhöhte Nachblutungsgefahr
Kraniotomie (operative Öffnung des Schädelknochens) Raumforderndes EDH, SDH oder ICB Direkte Hämatomausräumung, Kontrolle der Blutung Invasiver Eingriff, erhöhtes Infektionsrisiko
Entlastungskraniektomie (dauerhafte Entfernung eines Schädelknochenteils zur Hirndrucksenkung) Schwerste Hirnschwellung mit refraktärem ICP-Anstieg Effektive Druckentlastung Risiko für langfristige neurologische Defizite

Postoperative Nachsorge

  • Intensivmedizinische Überwachung zur Kontrolle des Hirndrucks
  • Therapie mit Osmotherapeutika (z. B. Mannitol zur Hirndrucksenkung)
  • Neurochirurgische Bildgebung (z. B. Computertomographie zur Kontrolle des Behandlungserfolgs)
  • Langfristige Rehabilitation (Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie je nach Defiziten)

Mögliche Komplikationen

  • Reblutung oder Nachblutung nach der Hämatomausräumung (Ausräumung eines Blutergusses)
  • Hirndruckanstieg trotz operativer Therapie
  • Infektionen (z. B. Meningitis (Hirnhautentzündung) oder Osteomyelitis (Knochemarkentzündung) des Schädelknochens)
  • Langfristige neurologische Defizite (z. B. Sprach- oder Bewegungsstörungen)

Weitere Hinweise

  • Die Kraniektomie zur Entlastung eines erhöhten intrakraniellen Drucks konnte die Mortalität von Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma (SHT) gegenüber einer fortgesetzten medikamentösen Therapie halbieren (48,9 % versus 26,9 %).
    Das Outcome war wie folgt (Kraniektomie versus medikamentöse Therapie) [1]:
    • nach sechs Monaten wg. schwerster Hirnverletzung im vegetativen Zustand (apallisches Syndrom) (8,5 % versus 2,1 %)
    • auf eine häusliche Pflege angewiesen (21,9 % versus 14,4 %)
    • kamen mit ihren Behinderungen zu Hause allein zurecht (15,4 %versus 8,0 %) 
    • lagen mäßige Behinderungen vor (15,4 % versus 8,0 %)
    • eine gute Erholung (4,0 % versus 6,9 %) 
    • nach 12 Monaten Patienten, die in einem guten Zustand als rehabilitiert galten (9,8 % versus 8,4 %)

Fazit

Die operative Therapie des Schädel-Hirn-Traumas (SHT) ist essenziell bei raumfordernden intrakraniellen Verletzungen, insbesondere bei epiduralen und subduralen Hämatomen oder intrakraniellen Blutungen mit Hirndrucksteigerung. Die Wahl des Eingriffs richtet sich nach der Schwere der Blutung, den neurologischen Symptomen und den bildgebenden Befunden. Eine interdisziplinäre Betreuung mit intensivmedizinischer Überwachung und anschließender Rehabilitation ist entscheidend für das Behandlungsergebnis.

Literatur

  1. Hutchinson PJ et al.: Trial of Decompressive Craniectomy for Traumatic Intracranial Hypertension. doi: 10.1056/NEJMoa1605215

Leitlinien

  1. S1-Leitlinie: Intrakranieller Druck (ICP). (AWMF-Registernummer: 030 - 105), September 2017 Langfassung