Riechstörungen (Dysosmie) – Einleitung

Riechstörungen (Dysosmie) umfassen Veränderungen des Riechvermögens, die sowohl quantitativ als auch qualitativ sein können. Sie betreffen das periphere und zentrale olfaktorische System und beeinflussen die Wahrnehmung von Gerüchen.

Formen der Riechstörungen

Quantitative Einstufung des Riechvermögens

  • Anosmie (ICD-10-GM R43.0):
    • Funktionelle Anosmie: geringes Restvermögen, sinnvolle Nutzung des Riechsinns im Alltag nicht möglich
    • Komplette Anosmie: vollständiger Verlust des Riechvermögens, kein Restriechvermögen
  • Hyposmie (ICD-10-GM R43.8): vermindertes Riechvermögen
  • Normosmie: normales Riechvermögen
  • Hyperosmie (ICD-10-GM R43.1): gesteigertes Riechvermögen (sehr selten)

Qualitative Störung des Riechvermögens

  • Parosmie (ICD-10-GM R43.1): qualitative Geruchs- bzw. Riechstörung in Gegenwart einer Reizquelle
  • Phantosmie: Wahrnehmung von Gerüchen in Abwesenheit einer Reizquelle
  • Pseudoosmie: Fehlwahrnehmung von Gerüchen, oft beeinflusst durch emotionale Zustände
  • Olfaktorische Intoleranz: Überempfindlichkeit gegenüber Duftstoffen trotz normaler Empfindlichkeit der Riechzellen

Weitere Formen s. u. "Klassifikation".

Bedeutung des Riechens und Auswirkungen von Riechstörungen

Als Teil eines multisensorischen Geschehens spielt das Riechen neben Hören und Sehen eine wichtige Rolle:

Beim Essen und Trinken zeigt sich das Zusammenspiel dreier Sinneskanäle:

  • Gustatorisches System (Nervus glossopharyngeus, Nervus facialis, Nervus vagus); dieses vermittelt folgende Geschmäcke:
    • süß, sauer, salzig, bitter und umami (= Geschmack von Glutama; Geschmack wie Fleischbrühe)
  • Trigeminale System (Nervus trigeminus) vermittelt:
    • Schärfe (von Senf) oder Prickeln (der Kohlensäure)
  • Olfaktorisches System* (Nervus olfactorius/Riechnerv) vermitteln:
    • Tausende von Gerüchen [Der Verlust des Geruchssinns wird von vielen Patienten als Minderung der Geschmackwahrnehmung empfunden] 

Beachte: Das trigeminale und das olfaktorische System beeinflussen sich gegenseitig.

*Erst das retronasale Riechen macht den Feingeschmack (Blumen (Duftstoffe), Wein (Aromen) etc.) aus: Flüchtige Aromastoffe, die beim Verzehr von Lebensmitteln freigesetzt werden, werden über den Rachenraum in die Nasennebenhöhle zu den olfaktorischen Rezeptorzellen transportiert.

Auswirkungen von Riechstörungen

Zu Störungen des Geruchssinns kommt es u. a. bei Schädigung des Tractus olfactorius.

Patienten, die ihren Geruchssinn verloren haben oder ohne Geruchssinn geboren sind, haben häufig folgende Beschwerden:

  • Fehlende Warnfunktion führt z. B. zu Lebensmittelvergiftungen
  • Fehlende Beurteilungsfähigkeit von Speisen und Getränken führt z. B. zur Einbuße bzw. fehlenden Genuss und Belohnung durch Essen und Trinken
  • Fehlende Wahrnehmung von Körpergerüchen verursacht z. B. Unsicherheit in sozialen Kontakten (Partnerschaft etc.)

Die S2-Leitlinie "Riechstörungen" unterscheidet sinunasale (nebenhöhlenbedingte) und nicht-sinunasale Ursachen einer Riechstörung (Details s. u. "Klassifikation") [1].

Dysosmie kann Symptom vieler Erkrankungen sein (siehe unter “Differentialdiagnosen“).

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.

Häufigkeitsgipfel: Die Presbyosmie (verschlechtertes Riechvermögen) tritt vorwiegend ab dem 50. Lebensjahr auf.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit)

  • Anosmie: ca. 5 % (in Deutschland)
  • Presbyosmie (> 50 Jahre): ca. 25 % der Bevölkerung
  • Jährlich werden ca. 80.000 Menschen in Deutschland wegen Geruchsstörungen behandelt.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Riechstörungen können durch verschiedene Ursachen ausgelöst werden, darunter postvirale, posttraumatische und nasale Erkrankungen.
  • Nasale Ursachen können oft kausal behandelt werden, z. B. durch chirurgische Eingriffe oder die Gabe von Glucocorticoiden.
  • Riechstörungen sind häufig ein belastendes Ereignis für Betroffene, da sie die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen können.

Prognose

  • Die Prognose hängt von der Ursache und der seit Beginn der Störung vergangenen Zeit ab.
  • Spontanheilung ist möglich, besonders bei postviralen und posttraumatischen Riechstörungen.
  • Riechstörungen können als Frühsymptom des idiopathischen Parkinson-Syndroms (IPS) und der Alzheimer-Demenz (AD) auftreten, daher ist eine entsprechende Differentialdiagnostik indiziert.

Literatur

  1. Förster G et al.: Riechstörungen: Epidemiologie, pathophysiologische Klassifikation, Diagnose und Therapie. HNO 52(8):679-684

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Riech- und Schmeckstörungen. (AWMF-Registernummer: 017 - 050), April 2021 Langfassung