Polyneuropathien – Symptome – Beschwerden

Folgende Symptome und Beschwerden können auf eine Polyneuropathie hinweisen:

Leitsymptome
Diese Leitsymptome lenken den Verdacht auf eine Polyneuropathie und werden oft zuerst bemerkt:

  • Schmerzen: Häufig in den Füßen und Beinen, als stechend, brennend oder ziehend beschrieben; treten bei ca. 30-60 % der Betroffenen auf
  • Blendungsgefühl: Tritt bei etwa 10-20 % der Patienten auf

Hauptsymptome (primäre Symptome)
Diese Hauptsymptome prägen das klinische Bild der Polyneuropathie:

  • Haut und Haare:
    • Hautveränderungen (z. B. trophische Störungen wie chronische Wunden): Treten bei etwa 10-20 % der Betroffenen auf
    • Xerodermie (trockene Haut): Tritt bei ca. 20-30 % der Patienten auf
    • Verlust der Körperbehaarung: Wird bei etwa 20 % der Patienten beobachtet
  • Gastrointestinale Symptome (den Magen-Darm-Trakt betreffend):
    • Diarrhoe (Durchfall): In etwa 10-15 % der Fälle
    • Gastroparese (Magenlähmung): Bei etwa 5-10 % der Patienten vorhanden
    • Obstipation (Verstopfung): Bei ca. 15-30 % der Patienten
  • Kardiale Symptome (das Herz betreffend):
    • Herzrasen (Ruhetachykardie): Ruheherzfrequenz über 100 Schläge pro Minute; bei etwa 10-20 % der Patienten
  • Urogenitale Symptome (die Harn- und Geschlechtsorgane betreffend):
    • Miktionsstörungen: Bei etwa 15-25 % der Patienten, mit Beschwerden wie Restharnbildung, Harnwegsinfekten und schwachem Harnstrahl
    • Erektile Dysfunktion (ED): Betroffen sind etwa 30-40 % der männlichen Patienten.
  • Motorische Symptome
    • Muskelatrophie: Muskelschwund tritt bei etwa 20-30 % der Patienten auf.
    • Muskelkrämpfe: In etwa 30-50 % der Fälle
    • Muskelschwäche: In etwa 30-50 % der Fälle
    • Muskelzucken/Faszikulationen: Bei etwa 10-20 % der Patienten beobachtet
    • Gangunsicherheit: Unsicheres Gehen und erhöhte Sturzgefahr bei etwa 10-20 % der Patienten
    • Paresen (Lähmungen): Bei 10-30 % der Betroffenen

Negativsymptome
Negativsymptome beschreiben den Verlust oder die Reduzierung einer normalen Funktion des Nervensystems. Diese Symptome sind oft mit einem Ausfall oder einer Schwächung sensorischer oder motorischer Fähigkeiten verbunden. 

  • Hypästhesie: Verminderte Empfindung bei ca. 40-60 % der Patienten
  • Hyperalgesie: Vermindertes Schmerzempfinden bei etwa 10-20 % der Betroffenen
  • Pallhypästhesie: Reduziertes Vibrationsempfinden; tritt bei etwa 30-50 % der Patienten auf
  • Fehlendes Wärme- oder Kälteempfinden: Bei ca. 30-40 % der Fälle

Positivsymptome
Positivsymptome beschreiben abnormale oder zusätzliche Empfindungen oder Funktionen, die durch Überaktivität oder Fehlfunktionen im Nervensystem entstehen. Diese Symptome treten oft als Reaktion auf einen Nervenschaden auf.

  • Allodynie: Schmerzempfindung bei normalerweise schmerzfreien Reizen, bei etwa 10-15 % der Patienten
  • Dysästhesien: Brennende oder stechende Empfindungen bei etwa 20-30 % der Betroffenen
  • Parästhesien (Kribbeln, Ameisenlaufen, Taubheit): Tritt bei ca. 40-60 % der Patienten auf
  • Schwellungsgefühl: Bei ca. 10 % der Betroffenen

Weitere Hinweise

  • Eine Polyneuropathie tritt am häufigsten als distal symmetrisches sensomotorisches Syndrom auf. DD: Polyradikuloneuropathien mit proximalem und distalem Befall mit Rumpf- sowie Hirnnervenbeteiligung
  • Distal symmetrische Polyneuropathie: 
    • Anamnese: Patienten klagen zu Beginn in der Regel über eine Taubheit, die in den Zehen beginnt und langsam – meist über Jahre – aufsteigt (socken- oder strumpfförmig)
    • Beschwerden – Symptome: Parästhesien  (Missempfindungen; Gehen wie auf Watte oder auf Kieselsteinen); Gangunsicherheit → Sturzgefahr bzw. Stürze
    • Klinische Befunde: ausgefallene Achillessehnenreflexe, herabgesetztes Berührungs-, Schmerz- und Temperaturempfinden; distal herabgesetzte Vibrationsempfinden
  • Diabetische Polyneuropathie
    • Ein frühes Auftreten neuropathischer Schmerzen spricht für eine diabetische Genese.
    • Frühe Gangstörungen, Befall der Arme oder eine ausgeprägte Asymmetrie sprechen eher gegen eine diabetische Genese.
    • Sensible und motorische Störungen (= sensomotorische diabetische Polyneuropathie) treten meist gleichförmig an beiden Beinen und/oder Händen auf, sie sind also symmetrisch. 
    • Beachte: Bei einem Viertel der Patienten mit einer peripheren sensomotorischen diabetischen Polyneuropathie (Synonym: diabetische sensomotorische Polyneuropathie, DSPN) ist diese vollkommen schmerzlos.

Warnzeichen (red flags)

  • Anamnese
    • akute oder subakuter Beginn → denken an:
      • chronisch inflammatorische demyelinisierende PNP (CIDP)
      • Guillain-Barré-Syndrom (GBS)
      • Kollagenose (Bindegewebserkrankung, die durch Autoimmunprozesse bedingt sind)
    • schnelle Verschlechterung → denken an:
      • CIDP
      • distal sensiblen demyelinisierenden PNP (distal acquired demyelinating sensory neuropathy, DADS)
      • GBS
      • toxische Polyneuropathie
    • Frühzeitiges Betroffensein der Hände/Arme → denken an:  Vitamin-B12-Mangel; toxische PNP (s. u. Medikamente und "Umweltbelastungen – Intoxikationen"),
  • Asymmetrische Verteilung → denken an: proximale diabetische Neuropathie, Kollagenose
  • Motorische Symptome im Vordergrund → denken an: CIDP, GBS, Charcot-Marie-Tooth-Erkrankungen, CMT, Typ 1 und 3, manche toxische Formen)
  • Multifokales Muster → denken an: multifokalen motorischen Neuropathie (MMN), Kollagenose
  • Schwere autonome Störungen → denken an: Amyloidose, Morbus Fabry (X-chromosomal vererbte lysosomale Speicherkrankheit, die auf einem Defekt im Gen für das Enzym Alpha-Galaktosidase A beruht), Small-fiber-Neuropathie (SFN; Untergruppe der Neuropathien, in der in erster Linie die sogenannten "Small Fiber", also die kleinkalibrigen Nervenfasern, betroffen sind)

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Diagnose und Therapie des Guillain-Barré Syndroms im Kindes- und Jugendalter (ICD-10: G61.0). (AWMF-Registernummer: 022 - 008), März 2019 Kurzfassung Langfassung