Polyneuropathien – Einleitung

Polyneuropathien (PNP) sind Erkrankungen des peripheren Nervensystems, die akute oder chronische Störungen der peripheren Nerven oder deren Anteile betreffen. Diese führen vorwiegend zu Gefühlsstörungen wie Missempfindungen oder Taubheitsgefühlen in den betroffenen Körperregionen. Aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Erkrankungen und Erscheinungsformen wird besser von einem polyneuropathischen Syndrom gesprochen.

Synonyme und ICD-10: periphere Neuropathien; engl.: polyneuropathy; ICD-10-GM G60-G64: Polyneuropathien und sonstige Krankheiten des peripheren Nervensystems

Formen von Polyneuropathien nach dem ICD-10-GM 

  • Hereditäre und idiopathische Neuropathie (ICD-10-GM G60.-)
  • Polyneuritis (ICD-10-GM G61.-)
  • Sonstige Polyneuropathien (ICD-10-GM G62.-)
  • Polyneuropathie bei anderenorts klassifizierten Krankheiten (ICD-10-GM G63.-*)
  • Sonstige Krankheiten des peripheren Nervensystems (ICD-10-GM G64)

Häufigste Ursachen einer Polyneuropathie 

  • Diabetes mellitus
    • Ca. 75 % aller Polyneuropathien (PNP) sind durch Diabetes mellitus und Alkoholabusus (Alkoholabhängigkeit) verursacht.
    • Ca. 50 % der Diabetiker entwickeln im Verlauf eine Polyneuropathie (CIN).
  • Alkohol
    • Ca. 22-66 % der chronisch Alkoholkranken haben eine Alkohol-assoziierte Polyneuropathie.
  • Chemotherapie
    • Ca. 30-40 % der Tumorpatienten entwickeln unter der Chemotherapie eine Chemotherapie-induzierte Neuropathie (CIN).

Verläufe einer Polyneuropathie

  • Akut: z. B. Guillain-Barré-Syndrom (GBS)
  • Subakut: z. B. Vaskulitis (Gefäßentzündung)
  • Chronisch: z. B. Diabetes mellitus
  • Hochchronisch: z. B. hereditäre Neuropathien (erbliche Nervenerkrankungen)

Die häufigste Form einer Polyneuropathie ist die distal symmetrische Polyneuropathie (s. u. "Symptome – Beschwerden").

Epidemiologie

Polyneuropathien sind die häufigste Erkrankung des peripheren Nervensystems.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Die Krankheitshäufigkeit der Polyneuropathien beträgt ca. 5-8 % in der erwachsenen bzw. älteren Bevölkerung. In einer niederländischen Studie betrug die altersstandardisierte Prävalenz für wahrscheinliche und definitive Polyneuropathien 9,4 % (7,9-11,1) [1].

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Der Verlauf einer Polyneuropathie hängt stark von der zugrunde liegenden Ursache ab. Häufig kommt es zu sensiblen Symptomen wie Taubheitsgefühlen, Stechen oder Gangunsicherheit.
  • Etwa 50 % aller Polyneuropathien gehen mit Schmerzen einher. Neuropathische Schmerzen können durch Medikamente gelindert werden.
  • Polyneuropathien können akut, subakut oder chronisch verlaufen. Die häufigste Form, die diabetische Polyneuropathie, entwickelt sich in der Regel schleichend.

Prognose

  • Die Prognose einer Polyneuropathie ist stark abhängig von der Ursache und der Möglichkeit der Behandlung. Bei diabetischer Polyneuropathie kann durch eine gute Blutzuckereinstellung das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamt werden.
  • Alkohol-assoziierte Polyneuropathien können durch Abstinenz und entsprechende Therapieansätze verbessert werden.
  • Chemotherapie-induzierte Neuropathien können sich nach Beendigung der Chemotherapie teilweise zurückbilden, allerdings können bei schweren Fällen bleibende Schäden auftreten.
  • Bei hereditären Polyneuropathien ist die Prognose oft ungünstiger, da sie genetisch bedingt sind und keine kausale Therapie möglich ist.
  • Eine frühzeitige Diagnose und Ursachenabklärung sind essenziell, da häufig eine kausale Behandlung möglich ist.

Literatur

  1. Hanewinckel R, Drenthen J, van Oijen M, Hofman A, van Doorn PA, Ikram MA: Prevalence of polyneuropathy in the general middle-aged and elderly population. Neurology 2016 Nov 1;87(18):1892-1898. Epub 2016 Sep 28

Leitlinien

  1. S2e-Leitlinie: Therapie akuter und chronischer immunvermittelter Neuropathien und Neuritiden. (AWMF-Registernummer: 030 - 130), April 2018 Langfassung
  2. S3-Leitlinie: Diagnose und Therapie des Guillain-Barré Syndroms im Kindes- und Jugendalter (ICD-10: G61.0). (AWMF-Registernummer: 022 - 008), März 2019 Kurzfassung Langfassung
  3. S1-Leitlinie: Diagnostik bei Polyneuropathien. (AWMF-Registernummer: 030 - 067), März 2019 Langfassung
  4. S2k-Leitlinie: Differentialdiagnose der hereditären und erworbenen Neuropathien im Kindes- und Jugendalter. (AWMF-Registernummer: 022 - 027), Juli 2021 Kurzfassung Langfassung