Myasthenia gravis – Klassifikation

Die einfachste Unterteilung der Myasthenia gravis stellt sich wie folgt dar:

  • Okuläre Myasthenie – nur die äußeren Augenmuskeln sind betroffen
  • Generalisierte Myasthenie – Mitbeteiligung von Gesichts-, Schlund-, Hals-/Nacken- und Skelettmuskulatur; leichte/mittlere/schwere Ausprägung möglich
  • Paraneoplastische Myasthenie – im Falle eines Thymoms (Tumor, der vom Thymusgewebe ausgeht)
  • Kongenitale (angeborene) Myasthenie (selten) – autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, mit Beginn im Kindesalter; nicht immunvermittelt; prä- und postsynaptische (vor und nach der Synapse lokalisierte) Anomalien

Eine Sonderform stellt die Neugeborenenmyasthenie dar. Dabei passieren Autoantikörper der IgG-Klasse die Plazentaschranke und rufen eine transiente (vorübergehende) neonatale Myasthenie hervor. Die Ausprägungen der neonatalen Krankheitsvariante entwickeln sich in den ersten Tagen nach der Geburt. Die Häufigkeit liegt bei etwa 1:12 Neugeborene von Müttern, die an Myasthenie erkrankt sind. Auch über das Kolostrum (Vormilch) können in den ersten Tagen nach der Geburt Autoantikörper übertragen werden. Einwände gegen das Stillen bestehen aber nicht, da die Symptome üblicherweise nach wenigen Wochen wieder abklingen. Nach mehr als drei Monaten sind die Acetylcholinrezeptorantikörper nicht mehr nachweisbar. Es ist nicht damit zu rechnen, dass die Myasthenie im weiteren Verlauf des Lebens beim Kind auftritt.

Eine Klassifikation der Myasthenia gravis wurde von Ossermann 1958 entworfen und durch die amerikanische Gesellschaft MGFA modifiziert. Hier kommt es zu einer Kategorisierung der Patienten mit gleichen klinischen Charakteristika in entsprechende Kohorten.

Klinische Klassifikation der Myasthenia gravis (modifizierte MGFA-Klassifikation 2000) [gemäß Leitlinie]:

Klasse Charakteristika
 I Rein okuläre Myasthenie, beschränkt auf äußere Augenmuskeln und Lidschluss 
 II Leicht- bis mäßiggradige generalisierte Myasthenie mit Einbeziehung anderer Muskelgruppen, oft einschließlich der Augenmuskeln 
 III Mäßiggradige generalisierte Myasthenie, oft einschließlich der Augenmuskeln 
 IV Schwere generalisierte Myasthenie
 V Intubationsbedürftigkeit mit und ohne Beatmung*  
 Die Klassen II bis IV lassen sich in 2 Subgruppen unterteilen:
A Betonung der Extremitäten und/oder Gliedergürtel, geringe Beteiligung oropharyngealer (den Mund- und Rachenraum betreffende) Muskelgruppen  
B Besondere Beteiligung oropharyngealer und/oder der Atemmuskulatur, geringere oder gleich starke Beteiligung der Extremitäten oder rumpfnahen Muskelgruppe 
  *Notwendigkeit einer Nasensonde ohne Intubationsbedürftigkeit: Klasse IVb 

Die unterschiedlichen Formen und Ausprägungen der Myasthenia gravis sind in der nachfolgenden Tabelle dargestellt.

Klinisch-pathogenetische Klassifikation der MG (modifiziert und erweitert nach Compston, Vincent [1]) [gemäß Leitlinie]:

  Early-Onset Myasthenia gravis (EOMG)  Late-Onset Myasthenia gravis (LOMG)  Thymom-assoziierte MG (TAMG)  Anti-MuSK-AK-assoziierte MG (MAMG)  Okuläre MG (OMG) 
Geschätzte Häufigkeit 20 % 45 % 10-15 % 6 % 15 %
Verlauf und Manifestation
  • generalisiert
  • Krankheitsmax. in den ersten drei Jahren 
  • wie EOMG 
  • generalisiert
  • selten komplette Remission (temporäres oder dauerhaftes Nachlassen von Krankheitssymptomen, jedoch ohne Erreichen der Genesung) zu erzielen 
  • generalisiert
  • faziopharyngealer (das Gesicht (Facies) und den Rachen (Pharynx) betreffend) Schwerpunkt 
  • okulär (die Augen betreffend)
Alter bei Beginn
  • ≤ 45 Jahre 
  • > 45 Jahre 
  • jedes Lebensalter
  • zumeist 40-60 Jahre 
  • jedes Lebensalter
  • zumeist jüngere Patienten 
  • jedes Lebensalter 
Männer : Frauen 1 : 3 5 : 1 1 : 1 1 : 3 1 : 2
HLA-Assoziation (Kaukasier)
  • B8 A1DR3 (stark)
  • DR16 DR9 (weniger stark)
  • B7 DR2 (weniger stark)
  • Anti-Titin-AK- mit DR7
  • Anti-Titin-AK+ mit DR3
  • DR7 (weniger stark)
  • A25 (weniger stark)
  • DR14 (stark)
nicht angegeben
(Auto)Antikörper
  • Anti-AChR-AK
  • Anti-AChR-AK
  • Anti-Titin-AK
  • Anti-RyR-AK

 

  • Anti-AChR-AK
  • Anti-Titin-AK
  • Anti-RyR-AK
  • Anti-TRPC3-AK
  • Anti-IL12-AK
  • Anti-IFNα-AK
  • Anti-IFNγ-AK
  • Anti-MuSK-AK 
  • Anti-AChR-AK (50-70 %)  
Typische Thymuspathologie
  • lymphofollikuläre -Hyperplasie (LFH) (übermäßige Zellbildung)
  • Atrophie (Schwund)
  • Involution (Rückbildung des Drüsenkörpers)
  • Thymom
  • Typ A 5 %
  • Typ AB, B1-3 92 %
 
  • normal, allenfalls sehr wenige und kleine Keimzentren
  • keine systematischen Daten
Ansprechen auf Thymektomie (Entfernung des Thymus/Bries)
  • gut, sofern in den ersten Monaten nach Diagnosestellung 
  • keine systematischen Daten 
  • oftmals unzureichend 
  • nein
  • keine systemischen Daten 
Ansprechen auf Immuntherapie +++ +++ +(+) +(+) +++

Literatur

  1. Compston DA, Vincent A, Newsom-Davis J, Batchelor JR: Clinical, pathological, HLA antigen and immunological evidence for disease heterogeneity in myasthenia gravis. Brain. 1980 Sep; 103 (3): 579-601

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Diagnostik und Therapie myasthener Syndrome. (AWMF-Registernummer: 030-087), November 2022 Langfassung