Multiple Sklerose (MS) – Prävention

Zur Prävention der Multiplen Sklerose muss auf eine Reduktion der Risikofaktoren geachtet werden.

Verhaltensbedingte Risikofaktoren

  • Ernährung
    • Konsum tierischer Fette und von Fleisch – Steht im Zusammenhang mit einem höheren MS-Risiko [1].[1]
    • Hohe Zufuhr gesättigter Fette (saturated fatty acids, SFA) – Fördert Entzündungsprozesse [7]
    • Hohe Salzaufnahme – (Ko-)Faktor bei der Entstehung von Autoimmunität [5, 6]; wird kontrovers beurteilt [8]
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – Insbesondere Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren können protektiv wirken.
  • Genussmittelkonsum
    • Tabak (Rauchen, Passivrauchen) 
      • Regelmäßiges Rauchen – ist mit einer schwereren Erkrankung und einem schnelleren Fortschreiten der Behinderung verbunden; Raucherentwöhnung vor oder nach Ausbruch der Krankheit ist mit einem langsameren Fortschreiten der Behinderung verbunden [3]
      • Raucherentwöhnung – Hat Einfluss auf den Zeitpunkt bis zum Übergang in die sekundär chronische Verlaufsform (SPMS): jedes zusätzliche Raucherjahr nach der Diagnose beschleunigt die Zeit bis zur SPMS-Konversion um 4,7 % [4]
      • Shisha-Rauchen (in den USA „Hookah-Smoking“ genannt) – Regelmäßiges Shiska-Rauchen geht mit einem um 70 % erhöhten MS-Risiko einher [10]
  • Psycho-soziale Situation
    • Stress – Stressereignisse werden als Risikofaktoren diskutiert
  • Schlafqualität
    • Schlechter Schlaf bei Jugendlichen – Verkürzung auf weniger als sieben Stunden ist mit einem höheren MS-Risiko assoziiert [11]
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)
  • "Mangel an Sonnenlicht" (Vitamin D) – die Prävalenz für MS steigt mit der Entfernung vom Äquator, die höchste Prävalenz liegt bei 250 Erkrankte pro 100.000 Einwohner im Norden Schottlands.

Präventionsfaktoren (Schutzfaktoren)

  • Genetische Faktoren:
    • Genetische Risikoreduktion abhängig von Genpolymorphismen:
      • Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
        • Gen: IL7R
        • SNP: rs6897932 im Gen IL7R
          • Allel-Konstellation: CT (0,91-fach)
          • Allel-Konstellation: TT (0,70-fach)
  • Ernährung
    • Mediterrane Diät – Reduktion gesättigter Fette zugunsten ungesättigter Fettsäuren.
    • Vitamin-D-Supplementierung – Besonders in Regionen mit niedriger Sonnenexposition.
    • Omega-3-Fettsäuren – Aufnahme über Fisch (z. B. Lachs, Makrele) oder Nahrungsergänzungsmittel.
  • Genussmittelverzicht
    • Raucherentwöhnung – Senkt das Risiko für Progression und Behinderung.
    • Verzicht auf Shisha-Rauchen – Prävention von zusätzlichem Risikofaktor.
  • UV-Licht in der Kindheit: 55 % geringeres MS-Risiko für Kinder, die im Alter von 5-15 Jahren in den Sommermonaten eine mittlere oder hohe UV-Dosis erhalten – verglichen mit Kindern mit geringer Sonnenexposition [9]

Sekundärprävention

  • Stillen
    • Signifikante Reduktion von Krankheitsschüben – Stillen für mindestens zwei Monate nach der Geburt vermindert die Schubrate in den ersten sechs Monaten [2].
  • Früherkennung
    • Screening bei genetischer Prädisposition – Untersuchung von Risikopatienten auf erste Symptome.
  • Ernährung
    • In einer Studie zeigte sich, dass MS-Patienten, die regelmäßig Fisch konsumierten, weniger unter neurologischen Beschwerden litten. Dies wird auf die antiinflammatorische (entzündungshemmende) Wirkung der Omega-3-Fettsäuren zurückgeführt. Interessanterweise profitierten nicht nur jene Patienten, die fettreiche Kaltwasserfische wie Makrele, Lachs, Thunfisch oder Forellen mit hohem Omega-3-Gehalt aßen, sondern auch diejenigen, die häufig magere Fischarten wie Kabeljau, Pollack, Schellfisch oder Zander verzehrten. Es wird vermutet, dass neben den Omega-3-Fettsäuren auch die Aminosäure Taurin eine Rolle bei der schützenden Wirkung spielt. Taurin ist die häufigste freie Aminosäure im Gehirn, unterstützt verschiedene zelluläre Funktionen und besitzt antioxidative sowie ebenfalls antiinflammatorische Eigenschaften [12].
  • Lebensstilinterventionen
    • Stressbewältigung – Psychologische Unterstützung und Stressmanagement.
    • Schlafhygiene – Verbesserung der Schlafqualität, insbesondere bei Jugendlichen.

Tertiärprävention

  • Langzeittherapie
    • Vitamin-D-Therapie – Regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Serumspiegel.
    • Ernährungsberatung
      • Fokus auf entzündungshemmende Nahrungsmittel
      • Regelmäßiger Verzehr von Fisch – Sowohl der Verzehr von fetten Kaltwasserfischen als auch von mageren Fischen wirkt sich positiv auf den weiteren Verlauf der Erkrankung aus [12].
  • Psychosoziale Unterstützung
    • Selbsthilfegruppen – Förderung des Austauschs mit anderen Betroffenen.
    • Familienberatung – Unterstützung des sozialen Umfeldes zur Bewältigung der Erkrankung.
  • Individuelle Förderung
    • Rehabilitation – Physio- und Ergotherapie zur Verbesserung von Mobilität und Lebensqualität.

Literatur

  1. Pöhlau D, Seidel D: Schriftenreihe der DMSG: MS-Information Nr 2.7.2 Ernährungsratschläge bei Multipler Sklerose Hannover: Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e.V. (Hrsg.), 11/1999
  2. Hellwig K et al.: Exclusive Breastfeeding and the Effect on Postpartum Multiple Sclerosis Relapses. JAMA Neurol. Published online August 31, 2015. doi:10.1001/jamaneurol.2015.1806
  3. Manouchehrinia A et al.: Tobacco smoking and disability progression in multiple sclerosis: United Kingdom cohort study. Brain. 2013 Jul;136(Pt 7):2298-304.
  4. Ramanujam R, Hedström AK, Manouchehrinia A et al.: Effect of smoking cessation on mutiple sclerosis prognosis. JAMA Neurol 2015; 72: 1117-23
  5. Wu C et al.: Induction of pathogenic TH17 cells by inducible salt-sensing kinase SGK1. Nature 2013 Apr 25;496(7446):513-7. doi: 10.1038/nature11984. Epub 2013 Mar 6.
  6. Jorg S et al.: High salt drives Th17 responses in experimental autoimmune encephalomyelitis without impacting myeloid dendritic cells. Exp Neurol 2016 May;279:212-222. doi: 10.1016/j.expneurol.2016.03.010. Epub 2016 Mar 11.
  7. Swank RL & Goodwin JW: How saturated fats may be a causative factor in multiple sclerosis and other diseases. Nutrition 19, 478 (2003)
  8. Cortese M et al.: Kein Zusammenhang zwischen der Natriumaufnahme über die Nahrung und dem Risiko für Multiple Sklerose. Neurologie. 2017, 26. September; 89 (13):1322-1329. doi: 10.1212 / WNL.0000000000004417
  9. Tremlett H et al.: Sun exposure over the life course and associations with multiple sclerosis. Neurology 2018; 90 (14): e1191–e1199. doi.org/10.1212/WNL.0000000000005257
  10. Abdollahpour I et al.: Estimating the Marginal Causal Effect and Potential Impact of Waterpipe Smoking on Multiple Sclerosis Using Targeted Maximum Likelihood Estimation Method: a Large Population-Based Incident Case-Control Study American Journal of Epidemiology, 12 February 2021, kwab036, https://doi.org/10.1093/aje/kwab036
  11. Åkerstedt T et al.: Insufficient sleep during adolescence and risk of multiple sclerosis: results from a Swedish case-control study. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2023; https://doi.org/10.1136/jnnp-2022-330123
  12. Johansson E, Guo J, Wu J, Olsson T, Alfredsson L, Hedström AK: Impact of fish consumption on disability progression in multiple sclerosis. J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2025 Feb 25:jnnp-2024-335200. doi: 10.1136/jnnp-2024-335200.