Multiple Sklerose (MS) – Klassifikation

Stadien und Verläufe der Multiple Sklerose (MS):

  • Klinisch isoliertes Syndrom (KIS) – Anfangsstadium der klinischen Erscheinung
    • Es liegt ein erstes Symptom vor, dass auf Multiple Sklerose hinweist. Die Diagnose ist noch nicht gesichert, allerdings tritt bei 30 % der Patienten mit KIS innerhalb eines Jahres ein zweiter Schub auf.
  • Schubförmige Verlaufsform ("relapsing-remitting", RRMS)
    • Schübe mit kompletten oder auch inkompletten Remissionen der Symptome
    • Tritt in 85 % der Fälle im frühen Stadium auf.
  • Sekundär (chronisch) progrediente Verlaufsform (SPMS)
    • Diese Verlaufsform entwickelt sich aus einer RRMS
    • Behinderungsprogression mit oder ohne aufgesetzte Schübe
    • Die Rückbildung der Symptome nach einem Schub erfolgt immer unvollständiger.
  • Primär (chronisch) progrediente Verlaufsform (PPMS)
    • Kontinuierlicher Verlauf, keine Schübe.
    • Die Erkrankung beginnt bereits mit schleichenden Symptomen.
    • Von Beginn an Behinderungsprogression
    • Keine wesentliche Rückbildung der Symptome.
    • Tritt in 15 % der Fälle auf.

In über 80 % der Fälle beginnt die Multiple Sklerose mit einem schubförmigen Verlauf. Oft geht die Erkrankung im Laufe der Zeit in eine sekundär progrediente Verlaufsform über.

McDonald-Kriterien 2017 [1]

Kriterien für die Diagnose einer schubförmigen MS
Zahl der Schübe objektive Läsionen  zusätzlich erforderliche Kriterien
2 oder mehr 2 oder mehr keine
2 oder mehr 1 DIS: weiterer Schub mit objektiver Läsion oder DIS-MRT*
1 2 oder mehr DIT: weiterer Schub oder DIT-MRT** oder OKB
1 1 DIS und DIT

DIS: räumliche Dissemination („dissemination in space“)
DIT: zeitliche Dissemination („dissemination in time“)
OKB: liquorspezifische oligoklonale Banden

*DIS-MRT: mind. eine T2-hyperintense Läsion# in mind. 2 von 4 Arealen##:              
                  periventrikulär, kortikal/juxtakortikal###, infratentoriell, spinal

**DIT-MRT: simultaner Nachweis KM-aufnehmender und nicht KM-aufnehmender Läsionen
                    #oder eine neue T2-hyperintense Läsion# in einem Folge-MRT

                   #symptomatische und asymptomatische Läsionen zählen gleichermaßen.
                   ##sogenannte Swanton-Kriterien (verwendet seit McDonald-Kriterien 2010)
                   ###juxtakortikal: Läsion im Marklager, die den Kortex erreicht/berührt

Kriterien für die Diagnose einer primär progredienten MS

Klinische Progression über mindestens 1 Jahr (prospektiv oder retrospektiv) und zwei der folgenden Kriterien:

  • mind. eine T2-hyperintenseLäsion# in mindestens einem der Areale periventrikulär,
    kortikal/juxtakortikal oder infratentoriell
  • mind. zwei T2-hyperintense Läsionen#spinal
  • Nachweis liquorspezifischer oligoklonaler Banden

    #symptomatische und asymptomatische Läsionen zählen gleichermaßen.

Vorschläge für McDonald-Kriterien 2025 [2]

  • Radiologisch isoliertes Syndrom (RIS):
    Das RIS wird als mögliche Frühform der Multiplen Sklerose betrachtet und sollte als potenzieller Ausgangspunkt für eine MS-Diagnose stärker in die Kriterien integriert werden.
  • MS-Diagnose bei typischer Läsionsverteilung:
    Weisen Personen mit MS-typischen Symptomen T2-hyperintense Läsionen in vier der fünf typischen ZNS-Regionen (periventrikulär, juxtakortikal, infratentoriell, spinal, kortikal) auf, reicht dies für eine MS-Diagnose gemäß den McDonald-Kriterien aus.
  • Frühdiagnose bei einer einzigen Läsion:
    Eine MS-Diagnose kann bereits bei Vorliegen einer einzigen typischen MRT-Läsion gestellt werden, wenn zusätzliche diagnostische Kriterien erfüllt sind. Dies gilt insbesondere in folgenden Fällen:
    • Liquorpositivität und paramagnetische Randläsion (PRL):
      Der Liquorbefund zeigt oligoklonale Banden (OCB) oder erhöhte Kappa-Leichtketten, und die MRT weist eine paramagnetische Randläsion auf. Diese Läsionen sind durch eisenhaltige Ablagerungen charakterisiert, die von abgebauten Oligodendrozyten stammen und einen charakteristischen Ring um die Läsion bilden.
    • Liquorpositivität und zentrales Venenzeichen (CVS):
      Neben einem positiven Liquorbefund zeigen die Betroffenen mindestens eine CVS-positive Läsion, d.h., eine Läsion mit einer zentralen Vene im Zentrum, die pathognomonisch für MS ist.
  • Erfüllung der Kriterien für zeitliche Dissemination:
    Die Diagnose einer zeitlichen Dissemination ist gesichert, wenn eines der folgenden Kriterien vorliegt:
    • Gadolinium-anreichernde Läsionen in Kombination mit später neu auftretenden Läsionen in der MRT.
    • Vorhandensein zentraler Venenzeichen (CVS) in einer oder mehreren Läsionen.
    • Typische periventrikuläre Läsionen (PRL) im MRT-Bild.
  • Integration neuer diagnostischer Marker:
    Bei unklaren Befunden können zusätzliche Biomarker wie Neurofilament-Leichtketten (NfL) zur Unterscheidung von anderen neurologischen Erkrankungen herangezogen werden, um die Diagnose weiter zu spezifizieren.

Anmerkung:

Diese Vorschläge zielen auf eine verbesserte Frühdiagnostik und höhere diagnostische Präzision durch die Integration neuerer bildgebender und laborchemischer Marker ab, um insbesondere die Diagnose bei atypischen Verläufen zu optimieren.

Literatur

  1. Thompson A J, Banwell B L, Barkhof F et al. Diagnosis of multiple sclerosis: 2017 revisions of the McDonald criteria. Lancet Neurol,
    2018 Feb;17(2):162-173. doi: 10.1016/S1474-4422(17)30470-2Yeah,. Epub 2017 Dec 21.
  2. ECTRIMS 2024: McDonald criteria changes could speed diagnoses
    Quelle: Multiple Sclerosis News Today, veröffentlicht am 25. September 2024.