Morbus Parkinson – Symptome – Beschwerden

Folgende Symptome und Beschwerden können auf Morbus Parkinson hinweisen:

Frühsymptome/prodromale Symptome

  • 10 Jahre vor der Parkinson-Diagnose trat bereits ein Tremor (Zittern) in 2 % der Fälle auf (in der Kontrollgruppe 8-fach seltener) und eine Obstipation (Verstopfung) wurde bei jedem fünften Parkinson-Patienten zu diesem Zeitpunkt festgestellt. 2 bis 5 Jahre vor der Diagnosestellung hatten bereits 7 % der Parkinson-Patienten einen Tremor und jeder vierte Patient klagte über Obstipation [1].
  • Hyposmie Minderung der Geruchswahrnehmung) – geht der Diagnose um bis zu 10 Jahre voraus [5]  Olfaktometrie (Synonyme: Riechprüfung, Geruchsprüfung)
  • Traumschlafstörungen (REM-Schlaf-Verhaltensstörungen; engl. REM sleep behaviour disorder (RBD)) und Depressionen; Patienten mit REM-Schlafverhaltensstörungen (engl. REM sleep behaviour disorder, RBD) weisen unterschiedliche Muster der Ausbreitung der α-Synuclein-Pathologie auf und weisen möglicherweise eher auf einen Body-First-Subtyp als auf einen Brain-First-Subtyp hin [8].
    Beachte: Bei den Traumschlafstörungen (REM-Schlaf-Verhaltensstörung) ist ein Muskeltonus vorhanden – normalerweise liegt ein typischer Muskeltonus-Verlust vor – und die geträumten Bewegungen können ausgeführt werden. Das kann für Betroffene und Partner/in gefährlich werden.
  • Obstipation (Verstopfung), Dysphagie (Schluckstörung), Gastroparese (verzögerte Magenentleerung) und Reizdarmsyndrom (RDS) können möglicherweise frühe Anzeichen für eine Parkinson-Krankheit sein. Die ersten drei war mit einer mehr als doppelten Risiko verbunden; das Reizdarmsyndrom ohne Durchfall war mit einem 17 % höheren Risiko verbunden. Die genannten Diagnosen traten im Durchschnitt sechs Jahre vor der Parkinson-Diagnose in der chronischen Gesundheitsakte auf [10].

Leitsymptome (Morbus Parkinson-Trias)
Diese Leitsymptome lenken den Verdacht auf Morbus Parkinson und werden oft zuerst bemerkt:

  • Hypokinese bzw. Bradykinese (Verlangsamung der Willkürbewegungen), in der schwersten Ausprägung Akinese (Bewegungslosigkeit, Bewegungsstarre)
  • Rigor (Steifigkeit der Muskulatur infolge Erhöhung des Muskeltonus, die bei passiver Bewegung im Gegensatz zur Spastik während des gesamten Bewegungsablaufes bestehen bleibt; Zahnradphänomen: ruckartiges Nachgeben des Muskeltonus bei passiver Bewegung einer Extremität)
  • Tremor – Parkinson-Tremor (mittelfrequent: 4 - 7 Hz); tritt vornehmlich in Ruhe auf (Ruhetremor) und ist einseitig; typisches Bewegungsmuster ("Pillendreher-Tremor") und langsamer als der essentielle Tremor; der Tremor bei Morbus Parkinson wird historisch in drei Typen unterteilt: 
    • Typ I: Ruhetremor oder Ruhe- und Halte-/Bewegungstremor derselben Frequenz
    • Typ II: Ruhe- und Halte-/Bewegungstremor unterschiedlicher Frequenz
    • Typ III: reiner Halte-/Bewegungstremor
    Beachte: Wenn der bei Morbus Parkinson typische Ruhetremor sichtbar wird, sind bereits 50 bis 70 % der dopaminergen Neuronen in der Substantia nigra untergegangen.

Akinese

  • Bradykinese Verlangsamung der Willkürbewegungen – Smartwatch können per Akzelerometern die Bradykinese bis zu sieben Jahre vor der Diagnose feststellen [9]. [zentrales Kardinalsymptom des idiopathischen Parkinson-Syndroms, IPS]
  • Hypokinese Amplitudenminderung der Willkürbewegungen
  • Hypomimie verminderte Mimik und seltener Lidschlag
  • Marche à petit pas kleinschrittiger Gang
  • Mikrographie während des Schreibens kleiner werdende Schrift
  • Bewegungsstörungen mit Fallneigung nach vorn (Propulsion), nach hinten (Retropulsion) oder zur Seite (Lateropulsion)
  • Hypophonie leise, monotone Sprache

Rigor

  • Tonuserhöhung, die während des gesamten Bewegungsumfangs auftritt und unabhängig von der Geschwindigkeit der Gelenksbewegung ist
  • Auslösung oder Verstärkung durch gleichzeitige Aktivierung der kontralateralen Seite
  • Ein Tremor kann sich dem Rigor überlagern; dann kommt es zum sogenannten „Zahnradphänomen“

Tremor

  • Klassischer Parkinsontremor: tritt in Erscheinung bei unterstützten Armen in Ruhe mit einer Frequenz von ca. 4-6 Hz (höhere Frequenzen möglich in frühen Krankheitsstadien); wird auch als Pillendrehertremor bezeichnet; wegweisend ist die Amplitudenabnahme beim Beginn von Willkürbewegungen; durch geistige Beschäftigung oder Emotionen aktivierbar
  • Selten auftretend: Haltetremor (mittlere Frequenz von 5-7 Hz, wie beim essentiellen Tremor): der oft gemeinsam mit einem Ruhetremor bestehen kann und der Aktionstremor (8-12 Hz). 

Begleitsymptome (sekundäre Symptome)
Diese Begleitsymptome sind weniger charakteristisch und können auf Komplikationen hinweisen:

  • Kognitive Symptome:
    • Bradyphrenie (verlangsamtes Denken)
    • frontale Störungen (Schädigung der vorderen Anteile des Stirnhirns)
    • in fortgeschrittenen Stadien Demenz [wahrscheinlich teilweise eine direkte Folge des zentralen Dopaminmangels)])
  • Psychische Symptome:
    • Abgeschlagenheit
    • Apathie (Teilnahmslosigkeit)
    • Depression (auftreten als Folgeerkrankung bei 35-45 % der Patienten; bei jüngeren Patienten tritt eine Depression bereits vor Auftreten der motorischen Krankheitszeichen auf und kann deshalb als Frühsymptom gewertet werden; ist wahrscheinlich teilweise eine direkte Folge des zentralen Dopaminmangels)
    • Halluzinationen, visuelle
    • Melancholie
    • Schlafstörungen
    • Stimmungsschwankungen
    • Wahn
  • Sensorische Symptome:
    • Dysästhesien (Empfindungsstörungen)
    • Hyposmie (Minderung der Geruchswahrnehmung) geht der Diagnose um bis zu 10 Jahre voraus [5]
    • Schmerzen
    • Verlust der Sehschärfe, Farbsehstörungen und Augentrockenheit [4]
  • Vegetative Symptome:
    • Störungen von Blutdruck/orthostatische Hypotonie und/oder Temperaturregulation
    • Störungen der Blasen- und Darmfunktion – u. a. Obstipation (Verstopfung)
    • Störungen der sexuellen Funktionen
    • Dysphagie (Schluckstörung)
    • Hypersalivation (Synonyme: Sialorrhö, Sialorrhoe oder Ptyalismus) – vermehrter Speichelfluss
    • Seborrhoe  (Überproduktion von Hautfetten durch die Talgdrüsen der Haut)
    • Tagesschläfrigkeit/Fatigue

Die Diagnose wird anhand der Symptomatik gestellt [1]:

  • Parkinson-Syndrome sind definiert durch das Vorliegen einer Akinese (Bewegungslosigkeit und -starre) und eines der folgenden in unterschiedlicher Ausprägung auftretenden Kardinalsymptome:
    • Rigor (Steifigkeit der Muskulatur infolge Erhöhung des Muskeltonus, die bei passiver Bewegung im Gegensatz zur Spastik während des gesamten Bewegungsablaufes bleibt),
    • Ruhetremor (Zittern in Ruhe; 4-6, selten bis 9 Hz; Auftreten in Ruhe, Abnahme bei Bewegung) oder eine
    • posturale Instabilität (Haltungsinstabilität, die nicht primär durch visuelle, vestibuläre, zerebelläre oder propriozeptive Störungen erklärbar ist). [Auftreten im mittleren Stadium der Erkrankung]
    Vorhandensein unterstützender Kriterien 
    • Einseitiger Beginn und persistierende Asymmetrie im Krankheitsverlauf
    • Klassischer Ruhetremor
    • Eindeutig positives Ansprechen (> 30 % UPDRS (Unified Parkinson Disease Rating Scale) motorisch) auf L-Dopa
    • Anhaltende L-Dopa-Ansprechbarkeit über mehr als 5 Jahre
    • Auftreten von L-Dopa-induzierten choreatischen Dyskinesien (unwillkürliche, unregelmäßige, schnelle, kurzzeitige Muskelkontraktionen mit Bewegungseffekt; nicht, oder nur sehr kurzfristig, unterdrückbar)
    • Langsame klinische Progression (Fortschreiten) mit Krankheitsverlauf über mehr als 10 Jahre
  • Die Trefferquote lässt sich verbessern, wenn die Patienten mithilfe von Test auf eine Hyposmie geprüft werden. Die olfaktorischen Störungen gehen den motorischen Störungen ca. 4-6 Jahre voraus!
  • Mögliche zusätzliche Tests sind der L-Dopa-Test oder Apomorphin-Test. Dabei wird dem Patienten L-Dopa beziehungsweise Apomorphin verabreicht. Tritt im Verlauf dieser Tests eine Beschwerdebesserung auf, so liegt in den meisten Fälle eine idiopathische Parkinson-Erkrankung vor. 
    • Leitsatz: Patienten mit idiopathischem Parkinson sprechen gut auf L-Dopa an, solche mit atypischem Parkinsonismus nicht.
      Laut einer Studie sprechen 90 % der Patienten mit Morbus Parkinson auf dopaminerge Arzneien an, fast jeder Zehnte aber überhaupt nicht;  von Patienten mit atypischem Parkinson-Syndrom sprechen jeder siebte gut auf die Medikation an [7].
  • Beim idiopathischen Parkinson-Syndrom (IPS) finden sich neben Tremor, Rigor und Akinese olfaktorische Störungen als ein prominentes Symptom. Bei über 95 % dieser Patienten lassen sich Riechstörungen nachweisen.

"Prämotorische" Patienten

Es gibt Patienten, bei denen motorische Symptome erst später eintreten, d. h. deren dopaminerge Neurone werden erst später angegriffen. Bei diesen sogenannten "prämotorischen" Patienten werden zunächst die serotonergen Neuronen zerstört. Der Ausfall des serotonergen Systems führt zu den folgenden Prodromalsymptomen, die den motorischen Symptomen häufig um viele Jahre vorausgehen:

  • Dysosmie (Riechstörungen)
  • Obstipation (Verstopfung)
  • Depression
  • Insomnie (Schlafstörungen)

Bei den prämotorischen Patienten wurde bei Verwendung des Markers 11-DASB in der Single-Photon-Emissions-Tomographie (SPECT)
ausgedehnte Defizite nachgewiesen [6].
Hinweis: 11C-DASB bindet im Gehirn an einen Serotonin-Transporter. 

Weitere Hinweise

  • Siehe unter Folgeerkrankung/Prognosefaktoren: Drei Faktoren bestimmen die Parkinsonprogression: orthostatische Hypotonie, REM-Schlaf-Verhaltensstörungen (engl.: "Rapid eye movement sleep behavior disorder", RBD) und kognitive Defizite (engl.: Mild cognitive impairment, MCI)
  • Die Lebenszeitprävalenz (Krankheitshäufigkeit im Laufe des Lebens) psychotischer Symptome und visueller Halluzinationen bei Parkinson-Patienten liegt bei etwa 50 % [2].

Literatur

  1. Schrag A et al.: Prediagnostic presentations of Parkinsońs disease in primary care: a case-control study. DOI: http://dx.doi.org/10.1016/S1474-4422(14)70287-X
  2. Fenelon G, Alves G (2010) Epidemiology of psychosis in Parkinson’s disease. J Neurol Sci 289(1-2):12-17
  3. S3-Leitlinie: Parkinson-Syndrom, idiopathisch. (AWMF-Registernummer: 030 - 010), Januar 2016 Kurzfassung Langfassung
  4. Arrigo A et al.: Visual System Involvement in Patients with Newly Diagnosed Parkinson Disease. Radiology. 2017 Jul 11:161732. doi: 10.1148/radiol.2017161732.
  5. Chen H et al.: Olfaction and incident Parkinson disease in US white and black older adults. Neurology 10.1212/WNL.0000000000004382 Published online before print September 6, 2017, doi: http:/​/​dx.​doi.​org/​10.​1212/​WNL.​0000000000004382
  6. Wilson H et al.: Serotonergic pathology and disease burden in the premotor and motor phase of A53T α-synuclein parkinsonism: a cross-sectional study Lancet Neurology Published:June 19, 2019 doi:https://doi.org/10.1016/S1474-4422(19)30140-1
  7. Martin WRW et al.: Is Levodopa Response a Valid Indicator of Parkinson's Disease? Movement Disorders 2020; https://doi.org/10.1002/mds.28406
  8. Berg D et al.: Prodromal Parkinson disease subtypes — key to understanding heterogeneity Nature Reviews Neurology (2021)
  9. Schalkamp AK et al.: Wearable movement-tracking data identify Parkinson’s disease years before clinical diagnosis Nat Med (2023). https://doi.org/10.1038/s41591-023-02440-2
  10. Konings B et al.: Gastrointestinal syndromes preceding a diagnosis of Parkinson’s disease: testing Braak’s hypothesis using a nationwide database for comparison with Alzheimer’s disease and cerebrovascular diseases BMJ Gut 2023 http://dx.doi.org/10.1136/gutjnl-2023-329685

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Parkinson-Syndrom, idiopathisch. (AWMF-Registernummer: 030 - 010), Januar 2016 Kurzfassung Langfassung