Morbus Parkinson – Operative Therapie

Morbus Parkinson (Schüttellähmung) ist eine chronisch-progrediente neurodegenerative Erkrankung, die durch den Verlust dopaminerger Neuronen (dopaminproduzierende Nervenzellen) in der Substantia nigra (schwarze Substanz im Gehirn) gekennzeichnet ist. Die operative Therapie wird als ultima ratio erwogen, wenn medikamentöse und nicht-invasive Verfahren nicht mehr ausreichend wirksam sind oder erhebliche Nebenwirkungen verursachen.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Fortgeschrittenes Parkinson-Syndrom mit ausgeprägten motorischen Fluktuationen (Schwankungen der Beweglichkeit) und Dyskinesien (unwillkürliche Bewegungen)
  • Therapierefraktäre Tremores, insbesondere medikamentös nicht kontrollierbarer Ruhetremor (Zittern in Ruhe)
  • Dopamin-induzierte Dyskinesien (unwillkürliche Bewegungen), die die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen
  • On-Off-Fluktuationen (Wechsel zwischen Bewegungsfähigkeit und Unbeweglichkeit), die trotz optimaler medikamentöser Therapie persistieren
  • Fehlende Kontraindikationen, wie schwere psychiatrische Erkrankungen oder kognitive Defizite (Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit)

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Schwere Demenz oder kognitive Beeinträchtigungen, die das postinterventionelle Management erschweren
  • Schwere psychiatrische Erkrankungen, insbesondere unbehandelte Depressionen oder Psychosen (schwere psychische Störungen mit Realitätsverlust)
  • Höheres biologisches Alter, insbesondere mit erhöhtem perioperativen Risiko
  • Schwere internistische Komorbiditäten, die die Operationsfähigkeit einschränken

Operationsverfahren

Tiefe Hirnstimulation (THS, Implantation von Hirnelektroden zur Symptomkontrolle)

  • Verfahren: Implantation von Elektroden in tiefen Hirnstrukturen zur Modulation pathologischer neuronaler Aktivität
  • Zielstrukturen:
    • Nucleus subthalamicus (STN, ein Teil des Zwischenhirns) – bevorzugt bei Patienten mit motorischen Fluktuationen
    • Globus pallidus internus (GPi, Teil der Basalganglien im Gehirn) – insbesondere bei therapierefraktären Dyskinesien (unwillkürliche Bewegungen)
    • Ventrale Zwischenhirnregion (VIM, Teil des Thalamus für Tremor-Kontrolle) des Thalamus – gezielte Behandlung von Tremores
  • Vorteile:
    • Reversibilität der Therapie durch Anpassung der Stimulationsparameter oder Explantation
    • Signifikante Reduktion von Off-Phasen und Dyskinesien (unwillkürliche Bewegungen)
    • Verbesserte Lebensqualität durch optimierte Beweglichkeit

Pallidotomie

  • Verfahren: Einseitige thermische Läsion des Globus pallidus internus
  • Indikation: Alternative bei Patienten, für die THS oder Pumpentherapien nicht geeignet sind
  • Effekt: Reduktion von Tremor, Rigor und Dyskinesien (unwillkürliche Bewegungen)
  • Limitationen: Irreversibilität und potenzielle Nebenwirkungen wie Dysarthrie (Sprechstörung durch Muskelkontrolleprobleme) oder kognitive Beeinträchtigungen

Subthalamotomie

  • Verfahren: Thermokoagulation (Veröden durch Wärme) oder Radiofrequenzablation des Nucleus subthalamicus
  • Indikation: Alternative für Patienten mit schwerem Tremor oder Off-Symptomen
  • Limitationen: Erhöhtes Risiko für Apathie (Teilnahmslosigkeit), kognitive Defizite oder Hypophonie (leise und undeutliche Sprache)

Postoperative Nachsorge

  • Neurostimulator-Programmierung (Einstellung der Elektrodenimpulse): Individuelle Anpassung der Stimulationsparameter zur Optimierung der Symptomkontrolle
  • Medikamentenanpassung: Reduktion dopaminerger Medikation (Medikamente, die den Dopaminmangel im Gehirn ausgleichen) zur Vermeidung von Dyskinesien (unwillkürliche Bewegungen)
  • Rehabilitation und Physiotherapie: Förderung der motorischen Funktionen und Anpassung an die neue Beweglichkeit
  • Psychologische Betreuung: Unterstützung bei Anpassungsschwierigkeiten und potenziellen emotionalen Veränderungen

Mögliche Komplikationen

  • Blutungen und Infektionen im Implantationsbereich
  • Stimulationsinduzierte Nebenwirkungen, z. B. Dysarthrie (Sprechstörungen), Dystonien (anhaltende Muskelverkrampfungen) oder Verhaltensänderungen
  • Hardware-Komplikationen, wie Elektrodenmigration (Verschiebung der implantierten Elektroden) oder Batterieerschöpfung
  • Kognitive und affektive Veränderungen, insbesondere bei unilateralen (einseitigen) Läsionsverfahren

Vergleich der Operationsmethoden

Verfahren Zielstruktur Vorteile Nachteile
Tiefe Hirnstimulation (THS, Implantation von Hirnelektroden zur Symptomkontrolle) STN, GPi, Thalamus Reversibel, anpassbar, effektive Symptomkontrolle Implantationsrisiko, Stimulationsnebenwirkungen
Pallidotomie GPi Gute Kontrolle von Dyskinesien (unwillkürliche Bewegungen), kein Implantat erforderlich Irreversibel, Risiko für Sprachstörungen
Subthalamotomie STN Verbesserung motorischer Symptome ohne Implantat Höheres Risiko für kognitive Nebenwirkungen

Fazit

Die operative Therapie des Morbus Parkinson ist eine etablierte Behandlungsoption für Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung und therapierefraktären Symptomen. Die Tiefe Hirnstimulation (THS, Implantation von Hirnelektroden zur Symptomkontrolle) gilt als Goldstandard, während Pallidotomie oder Subthalamotomie als Alternativen für spezifische Patientengruppen in Betracht gezogen werden. Eine sorgfältige Patientenauswahl sowie eine multidisziplinäre Betreuung sind essenziell für den Langzeiterfolg der Therapie.

Leitlinien

  1. Deuschl G. et al.: European Academy of Neurology/Movement Disorder Society - European Section guideline on the treatment of Parkinson's disease: I. Invasive therapies.Eur J Neurol. 2022 Sep;29(9):2580-2595. doi: 10.1111/ene.15386.