Morbus Parkinson – Folgeerkrankungen
Im Folgenden die wichtigsten Erkrankungen bzw. Komplikationen, die durch Morbus Parkinson mit bedingt sein können:
Atmungssystem (J00-J99)
- Aspirationspneumonie – Lungenentzündung, die durch das Einatmen von Fremdstoffen (häufig Mageninhalt) bedingt ist
Augen und Augenanhangsgebilde (H00-H59)
- Keratokonjunktivitis sicca (KCS; Syndrom des trockenen Auges, engl. Dry eye syndrome; Sicca-Syndrom; Keratoconjunktivitis sicca; engl. "dry eye syndrome") (gilt für das atypische Parkinson-Syndrom (PPS) mit Blickparese und frühen Stürzen im Krankheitsverlauf und für das idiopathische Parkinson-Syndrom (IPS))
Haut und Unterhaut (L00-L99)
- Seborrhoisches Ekzem (fettige Schuppen auf Rötung in talgdrüsenreichen Regionen)
Herzkreislaufsystem (I00-I99)
- Orthostatische Hypotension – erniedrigter Blutdruck, der bei Lagewechsel zu Schwindel und Ohnmacht führen kann
Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)
- Gastroparese (Magenlähmung)
- Obstipation (Verstopfung) – wg. degenerativer Prozesse des enterischen Nervensystems (ENS; "Bauchhirn"):
- der Plexus myentericus (Auerbach-Plexus) zwischen Ring- und Längsmuskelschicht
- der Plexus submucosus (Meissner-Plexus) in der Submukosa (Gewebsschicht zwischen der Schleimhaut und der Muskelschicht)
- Hypersalivation (Synonyme: Sialorrhö, Sialorrhoe oder Ptyalismus) – vermehrter Speichelfluss
Muskel-Skelett-System und Bindegewebe (M00-M99)
- Arthralgie (Gelenkschmerzen)
- LWS-Schmerzen (Patienten mit fortgeschrittenem Morbus Parkinson); Schmerzen lassen sich ggf. durch Veränderung der dopaminergen Medikation beeinflussen; Empfehlung: Durchführung eines strukturierten L-DOPA-Tests mit parallelem Monitoring der Schmerzintensität; falls eine Änderung der Dopamindosis keine Besserung bewirkt → Opiate (Wirksamkeit alle 3-6 Monate überprüfen)
Neubildungen (C00-D48)
- Malignes Melanom (4-fach höheres Risiko) [5]
Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)
- Akinetische Krise – Unfähigkeit, sich zu bewegen
- Delir – als Folge des idiopathischen Parkinson-Syndroms (IPS); Delirprävalenzraten [7]:
- ambulante IPS-Patienten von 4 %
- stationär behandelte IPS-Patienten: 22-48 %
- IPS-Patienten nach operativem Eingriff: 11-60 %
- Demenz/Parkinson-Demenz (PD-D) (Häufigkeit: 25 bis 50 %; 19 % [9]) – enge Assoziation mit [1]:
- starke orthostatische Hypotonie: pro 10 mmHg, die der systolische Druck nach unten ging, erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit für eine Demenz um 80 %
- Störung des Farbensehens führte zu einer Verdreifachung des Demenzrisikos
- gestörter REM-Schlaf; fast jeder Patient war davon betroffen
- Patienten, die bereits eine leichte kognitive Beeinträchtigung oder andere Zeichen eines kognitiven Abbaus wie psychotische Symptome oder visuelle Halluzinationen aufwiesen
- starke orthostatische Hypotonie: pro 10 mmHg, die der systolische Druck nach unten ging, erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit für eine Demenz um 80 %
- Depression (Auftreten bei 35-45 % der Patienten)
- zwei Zeitpunkte: früh nach der Diagnosestellung und zum anderen im späteren Verlauf typischerweise, wenn die Beeinträchtigung und Behinderung zunehmen [8].
- bei jüngeren Patienten tritt eine Depression oft bereits vor Auftreten der motorischen Krankheitszeichen auf und kann deshalb als Frühsymptom gewertet werden
- Hypersomnie (erhöhte Tagesschläfrigkeit)
- Insomnie (Schlafstörungen)
- Leichte kognitive Beeinträchtigung (LKB; mild cognitive impairment, MCI) bei Morbus Parkinson (PD-MCI) – innerhalb der ersten fünf Jahre nach der Diagnose entwickeln 57 % aller an Parkinson erkrankten Personen eine leichte kognitive Störung; nach zehn Jahren lebt die Mehrheit der Betroffenen mit einer Demenz
- Psychose
- Restless-Legs-Syndrom (RLS) – Missempfindungen meist in den Beinen, selten auch in den Armen, und damit verbundenem Bewegungsdrang. Die Beschwerden treten nur in Ruhe, also vor allem abends und nachts auf.
- Schlafbezogene Atmungsstörungen (SBAS) – während des Schlafes kommt es zu vollständigen (Apnoen) und unvollständigen Atemstillständen (Hypopnoen) mit konsekutiv wiederholten Aufwachreaktionen (Arousal)
Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, anderenorts nicht klassifiziert (R00-R99)
- Chronische Schmerzen (> 3 Monate) durch Rigor (Steifigkeit der Muskulatur), Akinese (Bewegungslosigkeit, Bewegungsstarre) und Haltungsstörungen: muskuloskelettale Schmerzen, dystone Schmerzen, radikulär- und zentral-neuropathische Schmerzen (Häufigkeit in absteigender Reihenfolge; 60-90 % der Patienten); Schmerz kann als Frühsymptom schon vor ersten motorischen Symptomen auftreten
- Dysphagie (mehr als 80 % der Parkinson-Patienten entwickeln eine Schluckstörung; der typische Befund ist eine gestörte pharyngeale Phase)
Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)
- Blasenentleerungsstörungen
- Impotenz
Prognosefaktoren
- Kognitive Defizite: metabolische Syndrom ist bei Parkinson-Patienten ein unabhängiger Risikofaktor für die Entstehung kognitiver Defizite [6].
- Drei Faktoren bestimmen die Parkinsonprogression (Fortschreiten der Erkrankung) [2]:
- orthostatische Hypotonie (Regulationsstörung des Blutdrucks, die beim Wechsel in die aufrechte Körperhaltung auftritt)
- REM-Schlaf-Verhaltensstörungen (engl.: "Rapid eye movement sleep behavior disorder", RBD)
- kognitive Defizite (engl.: Mild cognitive impairment, MCI)
- Kognition: Das GBA Gen, welches für das lysosomale Protein β-Glucocerebrosidase codiert, erhöht das Risiko für Parkinson-Patienten für den kognitiven Abbau, wenn es in heterozygoter Form vorliegt [4].
Hinweis: Jeder 30. Mensch in der Normalbevölkerung ist heterozygoter Träger einer mutierten Variante von GBA.
Literatur
- Anang BM et al.: Predictors of dementia in Parkinson disease. A prospective cohort study. Published online before print August 29, 2014. doi: 10.1212/WNL.0000000000000842
- Fereshtehnejad SM et al.: New Clinical Subtypes of Parkinson Disease and Their Longitudinal Progression. A Prospective Cohort Comparison With Other Phenotypes. JAMA Neurol 2015; 72(8):863-873.
- Wedel T: Enterisches Nervensystem und interstitielle Cajal-Zellen. Veränderungen bei chronischer Obstipation im Erwachsenenalter. Der Pathologe 2007; 28(2): 143-148.
- Liu G et al.: Specifically neuropathic Gaucher's mutations accelerate cognitive decline in Parkinson's. Ann Neurol. 2016 Nov;80(5):674-685. doi: 10.1002/ana.24781.
- Dalvin LA et al.: Parkinson Disease and Melanoma. Mayo Clin Proc. July 2017;92(7):1070-1079 doi: http://dx.doi.org/10.1016/j.mayocp.2017.03.014
- Zeyan Peng et al.: Metabolic syndrome contributes to cognitive impairment in patients with Parkinson’s disease. Parkinsonism and related disorders 2018;55:68-74 doi: https://doi.org/10.1016/j.parkreldis.2018.05.013
- Lawson RA, McDonald C, Burn DJ: Defining delirium in idiopathic parkinson’s disease: a systematic review. Parkinsonism Relat Disord 2019;64:29-39
- Gu SC, Zhou J, Ye Q et al.: Personalized prediction of depression in patients with newly diagnosed Parkinson's disease: a prospective cohort study. JAD 2020; 268:118-26
- Szeto JYY et al.: Dementia in long-term Parkinson's disease patients: a multicentre retrospective study. NPJ Parkinsons Dis 2020;6:2