Morbus Parkinson – Anamnese
Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik des Morbus Parkinson dar.
Familienanamnese
- Gibt es in Ihrer Familie Personen mit diagnostiziertem Morbus Parkinson?
- Leiden Familienangehörige an anderen neurologischen Erkrankungen (z. B. Multiple Sklerose, Amyotrophe Lateralsklerose (ALS))?
- Gibt es genetische Erkrankungen in Ihrer Familie, die die Nerven oder das zentrale Nervensystem betreffen (z. B. Huntington-Krankheit, Morbus Wilson)?
Soziale Anamnese
- Beruf:
- Welchen Beruf üben Sie aus?
- Arbeiten Sie in einem Umfeld mit möglichen Umwelttoxinen (z. B. Pestizide, Schwermetalle, Lösungsmittel)?
- Gibt es aktuell psychosoziale Belastungen (z. B. Arbeitsstress, familiäre Konflikte)?
- Haben Sie Schlafprobleme durch berufliche oder familiäre Verpflichtungen?
Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)
- Haben Sie ein Zittern bemerkt, das vor allem in Ruhe auftritt (Ruhetremor)?
- Fühlen Sie eine häufige Muskelsteifheit (Rigor)?
- Bemerken Sie eine Verlangsamung Ihrer Bewegungen (Bradykinese)?
- Haben Sie Schwierigkeiten mit feinmotorischen Tätigkeiten (z. B. Schreiben, Knöpfen)?
- Ist Ihnen ein kleinschrittiger Gang oder ein Nachziehen eines Fußes aufgefallen?
- Haben Sie Probleme mit dem Gleichgewicht oder ein Gefühl der Instabilität beim Gehen?
- Fällt Ihnen auf, dass Ihre Sprache leiser, monoton oder undeutlicher geworden ist?
- Haben Sie bemerkt, dass Ihre Mimik eingeschränkt ist oder Sie seltener blinzeln?
- Leiden Sie unter Schwindel oder vermehrter Speichelproduktion?
- Haben Sie Schluckstörungen bemerkt?
- Haben Sie Schlafstörungen (z. B. lebhafte Träume, Bewegungen im Schlaf)?
- Haben Sie Veränderungen im Geruchssinn wahrgenommen?
- Sind Ihnen Stimmungsschwankungen oder depressive Episoden aufgefallen?
- Leiden Sie unter Schmerzen oder Missempfindungen?
Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese
- Leiden Sie unter Verstopfung oder anderen Verdauungsproblemen?
- Haben Sie ungewollt an Gewicht verloren oder zugenommen?
- Ernähren Sie sich ausgewogen?
- Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten pro Tag?
- Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welche Getränke und in welcher Menge?
- Nehmen Sie Drogen? Wenn ja, welche Drogen und wie häufig?
Eigenanamnese
- Vorerkrankungen:
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- Fettstoffwechselstörungen
- Hormonstörungen (z. B. Schilddrüsenunterfunktion, Osteoporose (Knochenschwund))
- Chronische neurologische oder psychiatrische Erkrankungen
- Operationen:
- Haben Sie in der Vergangenheit Operationen oder Verletzungen am Kopf gehabt?
- Allergien:
- Haben Sie bekannte Allergien gegen Medikamente oder Substanzen?
Medikamentenanamnese
- Antiemetika (Medikamente gegen Übelkeit)
- Antipsychotika (Neuroleptika/Nervendämpfungsmittel)
- Calciumantagonisten vom Flunarizin-Typ
- Tacrolimus (Immunsuppressivum)
Umweltanamnese
- Exposition gegenüber:
- Aluminium, Blei, Cadmium, Cobalt, Kupfer (unter dem Einfluss von Kupferionen entstehen ringförmige Alpha-Synuclein-Proteinoligomere, die den Anfang des Krankheitsprozesses bei Morbus Parkinson markieren könnten [5])
- Pestizide/Insektizide (z. B. Rotenon, Organo-Chlor-Pestizide)
- Organo-Chlor-Pestizide – z. B. Beta-Hexachlorocyclohexane (beta-HCH) waren häufiger bei Patienten mit Morbus Parkinson (76 %) nachweisbar als im Vergleich zu einer Kontrollgruppe (40 %) [1].
- Kohlenmonoxid, Mangan (manganhaltige Dämpfe beim Schweißen) → Entwicklung und Progression eines Mangan-Parkinsonismus [2], Methanol (Methylalkohol)
- Luftschadstoffe wie Feinstaub (PM2,5), Kohlenmonoxid, Zyanid
- Feinstaub (PM2,5) – 13 % erhöhte Erkrankungsrisiko pro 5 µg/m3 mehr Feinstaub am Wohnort (Hazard Ratio 1,13; 1,12 bis 1,14); Assoziation war bis zu einer PM2,5-Konzentration von 16 µg/m3 dosisabhängig [4]
- Trichlorethylen (TCE) [6] – Halogenkohlenwasserstoff, der hauptsächlich als Lösungsmittel eingesetzt wird
- Quecksilberamalgamfüllungen: +58 % [3]
- Haben Sie in der Vergangenheit mit Mikroplastik oder MPTP (1-Methyl-4-Phenyl-1,2,3,6-Tetrahydropyridin) Kontakt gehabt?
Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.
Literatur
- Richardson JR, Shalat SL, Buckley B, Winnik B, O'Suilleabhain P, Diaz-Arrastia R, Reisch J, German DC: Elevated serum pesticide levels and risk of Parkinson disease. Arch Neurol. 2009 Jul;66(7):870-5.
- Racette BA et al.: Dose-dependent progression of parkinsonism in manganese-exposed welders. Published online before print December 28, 2016, doi: 10.1212/WNL.0000000000003533
- Hsu YC et al.: Association between History of Dental Amalgam Fillings and Risk of Parkinson’s Disease: A Population-Based Retrospective Cohort Study in Taiwan. PLoS One. 2016 Dec 1;11(12):e0166552. doi: 10.1371/journal.pone.0166552. eCollection 2016.
- Shi L et al.: Long-term effects of PM2·5 on neurological disorders in the American Medicare population: a longitudinal cohort study. Lancedt Planetary Health October 19, 2020 doi:https://doi.org/10.1016/S2542-5196(20)30227-8
- Synhaivska O et al.: Single-Particle Resolution of Copper-Associated Annular α-Synuclein Oligomers Reveals Potential Therapeutic Targets of Neurodegeneration ACS Chem. Neurosci. 2022, 13, 9, 1410-1421
- Goldman SM et al.: Risk of Parkinson Disease Among Service Members at Marine Corps Base Camp Lejeune. JAMA Neurol 2023; 80: 673-68