Morbus Alzheimer – Prävention

Zur Prävention von Morbus Alzheimer muss auf eine Reduktion individueller Risikofaktoren geachtet werden.

Verhaltensbedingte Risikofaktoren

  • Ernährung
    • Gesättigte und Trans-Fettsäuren – Vermehrte Aufnahme, insbesondere in verarbeiteten Lebensmitteln wie Margarine, erhöht das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen.
    • Omega-3-Fettsäuren – Ein geringer Verzehr von fettem Fisch und pflanzlichen Omega-3-Quellen, wie Walnüssen, verstärkt das Risiko besonders bei genetisch prädisponierten Personen (z. B. ApoE-ε4-Träger) [2].
    • Mikronährstoffmangel – Besonders Defizite an Vitamin D, B12 und Antioxidantien können kognitive Funktionen beeinträchtigen.
    • Erhöhter Zuckerkonsum – Eine Ernährung mit hohem glykämischen Index kann entzündliche Prozesse und Amyloid-Ablagerungen fördern.
  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol  Bereits moderater Konsum (> 1 Standardgetränk/Tag) wirkt neurotoxisch und erhöht das Risiko einer kognitiven Beeinträchtigung.
    • Tabak (Rauchen) [1] – Rauchen schädigt das Gehirn durch oxidativen Stress und vaskuläre Schäden; die Wirkung ist bei ApoE-ε4-Nichtträgern besonders ausgeprägt [7].
  • Körperliche Aktivität
    • Bewegungsmangel – Geringe körperliche Aktivität trägt zu Übergewicht und Insulinresistenz bei und erhöht das Alzheimer-Risiko um bis zu 21 % [15].
  • Psycho-soziale Situation
    • Stress und psychische Belastungen – Chronischer Stress kann durch eine dauerhafte Cortisolbelastung neurodegenerative Prozesse fördern.
    • Soziale Isolation – Fehlende soziale Interaktionen sind mit einer beschleunigten kognitiven Beeinträchtigung assoziiert.
  • Schlafqualität
    • Tagsüber mehr und längere Schlummerphasen; insb. bei kognitiven Defiziten [24]
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas) – Übergewicht im mittleren Lebensalter erhöht systemische Entzündungsmarker und beeinträchtigt die Gehirngesundheit.

Umweltbelastung – Intoxikationen (Vergiftungen) 

  • Aluminium? [3]; contra [13]
  • Luftschadstoffe: Feinstaub (PM2,5) – 13 % erhöhte Erkrankungsrisiko pro 5 µg/m3 mehr Feinstaub am Wohnort (Hazard Ratio 1,13; 1,12 bis 1,14); Assoziation war bis zu einer PM2,5-Konzentration von 16 µg/m3 dosisabhängig [20].
  • Kupfer? [4]
  • Mangan [5]

Präventionsfaktoren (Schutzfaktoren)

  • Genetische Faktoren:
    • Genetische Risikoreduktion abhängig von Genpolymorphismen:
      • Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
        • Gen: CLU, KL, PSEN1
        • SNP: rs11136000 im Gen CLU
          • Allel-Konstellation: AG (0.84-fach erniedrigtes Alzheimer-Risiko in europäischen Populationen)
          • Allel-Konstellation: AA (0.84-fach erniedrigtes Alzheimer-Risiko in europäischen Populationen)
        • SNP: rs9536314 im Gen KL
          • Allel-Konstellation: GT (0.75-fach erniedrigtes AD-Risiko (Alzheimer-Demenz-Risiko) bei APOE4-Trägern, welche mindesten 60 Jahre sind; 0.64-fach erniedrigtes Risiko bei APOE4-Trägern, dass sich aus einer leichten kognitiven Beeinträchtigung eine AD entwickelt) [18]
        • SNP: rs3025786 im Gen PSEN1
          • Allel-Konstellation: CT (erniedrigt das Alzheimerrisiko leicht, wenn ApoE4 vorliegt)
          • Allel-Konstellation: CC (erniedrigt das Alzheimerrisiko leicht, wenn Apoe4 vorliegt)
        • SNP: rs3851179 in einer intergenischen Region
          • Allel-Konstellation: AG (0,85-fach)
          • Allel-Konstellation: AA (0,85-fach)
  • Bildung: Hochgebildete Probanden, die Träger des Risikogens ApoE4 waren, hatten in der Positronen-Emissions-Tomographie (PET; FDG-PET) mit dem Radiotracer Fluorodeoxyglucose (FDG) signifikant weniger Plaques, wenn sie im mittleren Alter in ihrer Freizeit mental aktiv blieben [11]
  • Menschen, die den genetischen Risikofaktor für Alzheimer Apolipoprotein E (ApoE-ε4) tragen, könnten mit einer Senkung des Cholesterinspiegels ihr erhöhtes Risiko für kognitive Einschränkungen reduzieren [9].
  • Lebensstil: Völliger Verzicht auf Tabakrauchen, > 150 Minuten Sport in der Woche, Beschrän­kung des Alkoholkonsums, gesunde Ernährung nach den Kriterien der MIND-Diät (mediterrane Küche und kochsalzarme Kost kombiniert) sowie vermehrte kognitive Tätigkeiten. Ergebnisse: Teilnehmer mit 2 oder 3 Aktivitäten erkrankten zu 37 % seltener an einer Alzheimer-Demenz (gepoolte Hazard Ratio 0,63; 95-%-Konfidenzintervall 0,47 bis 0,84); bei 4 oder 5 Aktivitäten war das Risiko sogar um 60 % niedriger (gepoolte Hazard Ratio 0,40; 0,28 bis 0,56) [19].
  • Ernährung
    • Regelmäßige Fischmahlzeiten waren mit einer niedrigeren Konzentration von Beta-Amyloid-Proteinen und Tau-Proteinen assoziiert; die protektive Wirkung war auf die Träger des Risikogens ApoE-ε4 beschränkt. Nebenbefund: Teilnehmer, die häufiger Fisch aßen, hatten erwartungsgemäß erhöhte Quecksilberkonzentrationen im Gehirn, wiesen aber weniger Makro- und Mikroinfarkte auf [10].
    • Senioren, die häufig Lebensmittel mit Flavonolen verzerrten, erkrankten in einer prospektiven Beobachtungsstudien seltener an Alzheimerdemenz [17].
      Flavonole sind u. a. enthalten in: Johannisbeeren (schwarz), Preiselbeeren; Fenchel, Petersilie; Johannisbeersaft (schwarz); Äpfel, Brombeeren, Preiselbeeren; Brokkoli, Grünkohl, Schnittlauch, Zwiebeln.
    • Mediterrane Lebensweise: Menschen mit Mittelmeerkost, wiesen im Vergleich zu Menschen mit ungesunder Ernährung geringere pathologische Werte von Biomarkern im Liquor auf; auch waren Ergebnisse beim Gedächtnistest besser. Des Weiteren war ein hohes Volumen des Hippocampus nachweisbar [21].
  • Genussmittel
    • Kaffee, Tee und Kakao (hier: natürliche Methylxanthine: Koffein, Theobromin und Theophyllin): Koffein hat das Lipidprofil bezüglich der Alzheimer-Krankheit in den analysierten neuronalen Zell-Linien günstig beeinflusst; Methylxanthine wirken zudem potenziell protektiv bei neurodegenerativen Erkrankungen (Reduktion der Freisetzung des Amyloid-β-Peptids als auch die Aggregation des Amyloid-β-Peptids) [22]. 
  • Regelmäßige körperliche Aktivität 
    • National Runnerś and Walkerś Health-Studie (153.536 Teilnehmer) konnte zeigen, dass Sport (je nach Intensität: - 6 – - 40 %, Statine (- 61 %) und der Verzehr von Obst (≥ 3 Stück Obst: - 39,7 %) mit einem geringeren Risiko für Morbus Alzheimer assoziiert sind [6].
    • Ein hoher Muskelstatus könnte dazu beitragen, eine Alzheimer-Krankheit zu verhindern [23].
      • Zunahme der genetisch ermittelten sogenannten appendikulären Magermasse um eine Standardabwei­chung war mit einem um zwölf Prozent verringerten Risiko für die Alzheimer-Krankheit verbunden.
      • Ähnliche Ergebnisse für die Alzheimer-Krankheit und die kognitive Leistungsfähigkeit fanden sich auch, wenn die Magermasse des Rumpfes oder die Magermasse des ganzen Körpers verwendet wurde.
    • Bei Menschen mit einer monogenetisch bedingten Alzheimer-Krankheit (autosomal-dominanter Alzheimer-Krankheit (ADAD)) wirken sich mindestens 2,5 Stunden körperliche Aktivität pro Woche positiv auf Alzheimermarker im Gehirn (AD-ähnliche Pathologien im Liquor/Rückenmarks­flüssigkeit) aus und verzögerten den kognitiven Abbau [16].
  • Saunagänge:  Männer, die 4-7-mal pro Woche in die Sauna gehen, verringern ihr Risiko, an Morbus Alzheimer zu erkranken im Vergleich zu jenen, die nur einmal wöchentlich saunierten, um 65 Prozent [12].
  • Stressmanagement 
    • Entspannungstechniken – Yoga und Meditation reduzieren schädliche Stresshormone und fördern die neuronale Regeneration.
  • Gicht in der Allgemeinbevölkerung ist invers mit dem Risiko für Morbus Alzheimer assoziiert, was für eine neuroprotektive Wirkung von Harnsäure spricht [8].

Sekundärprävention

Die Sekundärprävention zielt darauf ab, frühzeitig erste Anzeichen von Alzheimer zu erkennen und durch gezielte Interventionen das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen.

  • Früherkennung und Diagnostik
    • Biomarker-Analysen – Messung von Amyloid- und Tau-Proteinen im Liquor.
    • Kognitive Tests – Regelmäßige Überprüfung der Gedächtnisleistung bei Risikopersonen.
  • Therapeutische Maßnahmen
    • Ernährungsumstellung – Mediterrane Kost kombiniert mit Omega-3-Supplementen.
    • Medikamentöse Ansätze 
      • Patienten mit kognitiven Beeinträchtigungen (MCI), die Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI; Wirkstoffgruppe der Antidepressiva) einnahmen, zeigten in den ersten zwei bis drei Jahren eine geringere Konversionsrate vom MCI in einer Alzheimerdemenz (rund 20 Prozent in 1.000 Tagen) als MCI-Patienten mit Depression, aber ohne Antidepressivatherapie (etwa 40 Prozent in 1.000 Tagen); dabei musste die SSRI-Behandlung länger als vier Jahre gedauert haben [14].
      • Phosphodiesterase (PDE) 5-Inhibitoren wie Sildenafil (Viagra) – Patienten, die diese Wirkstoffe einnahmen, erkrankten in den Folgejahren seltener an einem Morbus Alzheimer [25].
  • Individuelle Beratung
    • Lebensstil-Optimierung – Beratung zu Ernährung, Bewegung und sozialem Engagement.

Tertiärprävention

Die Tertiärprävention fokussiert sich auf die langfristige Betreuung von Alzheimer-Patienten und die Vermeidung von Komplikationen oder Begleiterkrankungen.

  • Langzeitbetreuung
    • Regelmäßige Überwachung – Kontrollierte Anpassung der medikamentösen Therapie.
    • Multidisziplinäre Teams – Integration von Neurologen, Ernährungsberatern und Therapeuten.
  • Rehabilitation
    • Kognitive Therapien – Förderung der neuronalen Plastizität durch Gedächtnistraining.
    • Psychosoziale Unterstützung – Begleitung von Patienten und Angehörigen.
  • Nachsorge
    • Spezialisierte Alzheimer-Zentren – Koordinierung der Langzeitpflege und Prävention von Komorbiditäten (Begleiterkrankungen).

Literatur

  1. Reitz C, den Heijer T, van Duijn C, Hofman A, Breteler MM: Relation between smoking and risk of dementia and Alzheimer disease: the Rotterdam Study. Neurology. 2007 Sep 4;69(10):998-1005.
  2. Barberger-Gateau P, Raffaitin C, Letenneur L, Berr C, Tzourio C, Dartigues JF, Alpérovitch A: Dietary patterns and risk of dementia: The Three-City cohort study. Neurology. 2007 Nov 13;69(20):1921-30.
  3. De Sole P et al.: Possible relationship between Al/ferritin complex and Alzheimer's disease. Clinical Biochemestry 2013; 46: 89-93
  4. Singh I et al.: Low levels of copper disrupt brain amyloid-β homeostasis by altering its production and clearance. PNAS 2013, ePub 19. August 2013, doi: 10.1073/pnas.1302212110
  5. Tong Y et al.: A Risk for Alzheimer's Disease: High Manganese Induces Amyloid-β Related Cognitive Impairment. J Alzheimers Dis. 2014 Jun 24.
  6. Williams PT: Lower Risk of Alzheimer's Disease Mortality with Exercise, Statin, and Fruit Intake. J Alzheimers Dis. 2014 Nov 14.
  7. Zhong G et al.: Smoking is associated with an increased risk of dementia: a meta-analysis of prospective cohort studies with investigation of potential effect modifiers. PLoS One. 2015 Mar 12;10(3):e0118333. doi: 10.1371/journal.pone.0118333. eCollection 2015.
  8. Lu N et al.: Gout and the risk of Alzheimer's disease: a population-based, BMI-matched cohort study. Ann Rheum Dis. 2015 Mar 4. pii: annrheumdis-2014-206917. doi: 10.1136/annrheumdis-2014-206917
  9. Perna L et al.: Apolipoprotein E e4 and Cognitive Function: A Modifiable Association Results from Two Independent Cohort Studies. Dement Geriatr Cogn Disord 2016;41:35-45 (DOI:10.1159/000440697)
  10. Morris MC et al.: Association of Seafood Consumption, Brain Mercury Level, and APOE ε4 Status With Brain Neuropathology in Older Adults. JAMA. 2016;315(5):489-497. doi:10.1001/jama.2015.19451.
  11. Vemuri P et al.: Effect of intellectual enrichment on AD biomarker trajectories. doi:http:/​/​dx.​doi.​org/​10.​1212/​WNL.​0000000000002490
  12. Laukkanen T et al.: Sauna bathing is inversely associated with dementia and Alzheimer's disease in middle-aged Finnish men. Age Ageing (2016). doi: 10.1093/ageing/afw212
  13. Klotz K et al.: Gesundheitliche Auswirkungen einer Aluminiumexposition The health effects of aluminum exposure Dtsch Arztebl Int 2017; 114(39): 653-9; doi: 10.3238/arztebl.2017.0653 
  14. Bartels C et al.: Impact of SSRI Therapy on Risk of Conversion From Mild Cognitive Impairment to Alzheimer’s Dementia in Individuals With Previous Depression. m J Psychiatry. 2017 Nov 28:appiajp201717040404. doi: 10.1176/appi.ajp.2017.17040404
  15. Luck T, Riedel-Heller SG. [Prevention of Alzheimer's dementia in Germany: A projection of the possible potential of reducing selected risk factors]. [Article in German]. Nervenarzt. 2016 Nov;87(11):1194-1200
  16. Müller S et al.: Relationship between physical activity, cognition, and Alzheimer pathology in autosomal dominant Alzheimer's disease. Alzheimer’s & Dementia - (2018) 1-11 doi: https://doi.org/10.1016/j.jalz.2018.06.3059
  17. Holland TM et al.: Dietary flavonols and risk of Alzheimer dementia. January 29, 2020, doi: https://doi.org/10.1212/WNL.0000000000008981
  18. Dubal DB et al.: Longevity Gene KLOTHO and Alzheimer Disease – A Better Fate for Individuals Who Carry APOE ε4. JAMA Neurol. Published online April 13, 2020. doi:10.1001/jamaneurol.2020.0112
  19. Dhana K et al.: Healthy lifestyle and the risk of Alzheimer dementia Findings from 2 longitudinal studies. Neurology June 17, 2020, doi: https://doi.org/10.1212/WNL.0000000000009816
  20. Shi L et al.: Long-term effects of PM2·5 on neurological disorders in the American Medicare population: a longitudinal cohort study. Lancet Planetary Health October 19, 2020 doi:https://doi.org/10.1016/S2542-5196(20)30227-8
  21. Ballarini T et al.: Mediterranean Diet, Alzheimer Disease Biomarkers and Brain Atrophy Neurology May 05, 2021 doi: https://doi.org/10.1212/WNL.0000000000012067
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  24. Li P et al.: Daytime napping and Alzheimer's dementia: A potential bidirectional relationship Alzheimers Dement. 2022 Mar 17. doi: 10.1002/alz.12636
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