Morbus Alzheimer – Anamnese

Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik des Morbus Alzheimer dar.

Im Regelfall handelt es sich um eine Fremdanamnese (Familienangehörige).

Familienanamnese

  • Gibt es in Ihrer Familie häufig Demenzerkrankungen, insbesondere bei nahen Verwandten?
  • Gibt es bekannte neurologische Erkrankungen in der Familie, wie z. B. Morbus Parkinson oder andere neurodegenerative Erkrankungen?
  • Gibt es in Ihrer Familie genetisch bedingte Erkrankungen (z. B. Huntington-Krankheit, Alzheimer-Erkrankung)?

Soziale Anamnese

  • Welchen Beruf üben Sie aus/haben Sie ausgeübt?
  • Waren Sie in Ihrem Beruf neurotoxischen Substanzen oder anderen gesundheitsschädigenden Arbeitsstoffen ausgesetzt (z. B. Blei, Quecksilber, Benzol, Glyphosat, Feinstaub (PM2.5), polychlorierte Biphenyle (PCB), Asbest)?
  • Gibt es Hinweise auf psychosoziale Belastungen oder Stresssituationen aufgrund Ihrer beruflichen oder familiären Situation?

Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)

  • Kognitive Symptome:
    • Haben Sie oder Ihre Angehörigen Gedächtnisstörungen bemerkt, z. B. das Vergessen von Namen, Terminen oder Ereignissen?
    • Fällt es Ihnen schwerer, alltägliche Aufgaben zu organisieren oder durchzuführen (z. B. Einkaufen, Kochen, Haushaltsführung)?
    • Haben Sie Schwierigkeiten, Orte oder Personen zu erkennen?
    • Gibt es Probleme bei der Orientierung, z. B. das Verlaufen in vertrauter Umgebung?
  • Psychologische Symptome:
    • Bestehen Stimmungsschwankungen, Antriebslosigkeit oder Anzeichen von Depression?
    • Liegen Wahnvorstellungen**, Halluzinationen** oder Angstzustände vor?
    • Wirken Sie oder Ihre Angehörigen häufig reizbar oder zeigen Sie eine ungewöhnliche Unruhe?
  • Neurologische Symptome:
    • Bestehen motorische Einschränkungen oder Lähmungen?**
    • Haben Sie Probleme mit der Sprache, wie Wortfindungsstörungen oder das Bilden von Sätzen?
    • Treten Koordinationsstörungen oder Gangunsicherheiten auf?
  • Haben Sie in letzter Zeit eine Appetitlosigkeit oder einen ungewollten Gewichtsverlust bemerkt?
  • Bestehen seit kurzer Zeit Schlafstörungen oder eine Verschiebung des Schlaf-Wach-Rhythmus?

Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese

  • Sind Sie übergewichtig? Geben Sie uns bitte Ihr Körpergewicht (in kg) und Ihre Körpergröße (in cm) an.
  • Ernähren Sie sich ausgewogen?
    • Nehmen Sie viele gesättigte Fettsäuren oder Transfette zu sich (z. B. in Fast Food, Gebäck, Margarine)?
    • Ist Ihr Konsum an frischem Obst, Gemüse, Fisch und Omega-3-reichen Ölen gering? (ein geringerer Konsum erhöht das Risiko für Demenz, insbesondere bei Nicht-ApoE-Trägern)
  • Bewegen Sie sich täglich ausreichend?
  • Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen pro Tag?
  • Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welches Getränk bzw. welche Getränke und wie viele Gläser pro Tag?
  • Nehmen Sie Drogen? Wenn ja, welche Drogen und wie häufig pro Tag bzw. pro Woche?

Eigenanamnese

  • Vorerkrankungen:
    • Leiden oder litten Sie an neurologischen oder psychiatrischen Erkrankungen, wie z. B. Schlaganfällen, Depressionen oder Angststörungen?
    • Haben Sie eine bekannte Herz-Kreislauf-Erkrankung, wie Bluthochdruck, Vorhofflimmern oder Herzinsuffizienz?
  • Operationen:
    • Wurden Sie in der Vergangenheit operiert, insbesondere am Kopf oder zentralen Nervensystem?
  • Allergien:
    • Sind Ihnen Allergien bekannt?

Medikamentenanamnese

  • Benzodiazepine – Gehen bei Verschreibung von > 91 Tagesdosen mit einer um 51 % erhöhten Rate von Alzheimer-Erkrankungen einher [4].
    In einer Kohortenstudie mit über 4700 Teilnehmern wurde der Medikamentenkonsum in den zehn Jahren vor Studienbeginn anhand der Verschreibungsdaten zuverlässig ermittelt und es wurden alle zwei Jahre die kognitiven Leistungen der Teilnehmer erfasst. Die Studienteilnehmer waren zu Beginn der Studie im Schnitt 74 Jahre alt. Der Studienverlauf deutet darauf hin, dass die Demenz den Benzodiazepinkonsum antreibt und nicht umgekehrt [5].
  • ACE-Hemmer*
  • Antiepileptika* (krampflösende Medikamente)
  • Diuretika* (entwässernde Medikamente)
  • Hormonablative Therapie (HAT; Synonyme: Hormonablation; engl. androgen deprivation therapy, ADT; Hormontherapie, die das männliche Geschlechtshormon Testosteron vorenthält); Multivariat-Analyse: Risiko um 66 % erhöht [3]
  • Protonenpumpenhemmer (Protonenpumpeninhibitoren, PPI; Säureblocker) – bei älteren Patienten [2]

Umweltanamnese

  • Gab es Kontakt mit möglichen neurotoxischen Substanzen, wie:
    • Aluminium [6]
    • Kupfer [7]
    • Mangan [8]
    • Contra [9]
  • Haben Sie in der Vergangenheit in einer Umgebung mit hoher Luftschadstoffbelastung gelebt?
    • Z. B. mit hoher Konzentration an Feinstaub (PM2,5): 13 % erhöhtes Erkrankungsrisiko pro 5 µg/m3 mehr Feinstaub am Wohnort (Hazard Ratio 1,13; 1,12 bis 1,14); Assoziation war bis zu einer PM2,5-Konzentration von 16 µg/m3 dosisabhängig [10]

* Diese können zu einer Medikamenten-induzierte Hyponatriämie (Natriummangel) führen, mit der Folge einer sekundären Demenz.
** Falls diese Frage mit "Ja" beantwortet worden ist, ist ein sofortiger Arztbesuch erforderlich! (Angaben ohne Gewähr)

Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt. 

Literatur

  1. Billioti de Gage S et al.: Benzodiazepine use and risk of Alzheimer’s disease: case-control study BMJ 2014; 349 doi: http://dx.doi.org/10.1136/bmj.g5205 (Published 09 September 2014) Cite this as: BMJ 2014;349:g5205
  2. Haenisch B: Risk of dementia in elderly patients with the use of proton pump inhibitors.  Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci. 2014 Oct 24.
  3. Nead KT et al.: Androgen Deprivation Therapy and Future Alzheimer’s Disease Risk. Published online before print December 7, 2015, doi: 10.1200/JCO.2015.63.6266
  4. Billioti de Gage S et al.: Benzodiazepine use and risk of Alzheimer’s disease: case-control study BMJ 2014; 349 doi: http://dx.doi.org/10.1136/bmj.g5205 (Published 09 September 2014) Cite this as: BMJ 2014;349:g5205
  5. Gray SL et al.: Benzodiazepine use and risk of incident dementia or cognitive decline: prospective population based study. BMJ 2016; 352 doi: http://dx.doi.org/10.1136/bmj.i90
  6. De Sole P et al.: Possible relationship between Al/ferritin complex and Alzheimer's disease. Clinical Biochemestry 2013; 46: 89-93
  7. Singh I et al.: Low levels of copper disrupt brain amyloid-β homeostasis by altering its production and clearance. PNAS 2013, ePub 19. August 2013, doi: 10.1073/pnas.1302212110
  8. Tong Y et al.: A Risk for Alzheimer's Disease: High Manganese Induces Amyloid-β Related Cognitive Impairment. J Alzheimers Dis. 2014 Jun 24.
  9. Klotz K et al.: Gesundheitliche Auswirkungen einer Aluminiumexposition The health effects of aluminum exposure Dtsch Arztebl Int 2017; 114(39): 653-9; doi: 10.3238/arztebl.2017.0653 
  10. Shi L et al.: Long-term effects of PM2·5 on neurological disorders in the American Medicare population: a longitudinal cohort study. Lancedt Planetary Health October 19, 2020 doi:https://doi.org/10.1016/S2542-5196(20)30227-8